Praktisches Gewerbesteuerrecht 2025

Hybride Tagung am Montag, den 30. Juni 2025 im Zeitraum von 9:00 Uhr bis 17:45 Uhr in Solingen und als Livestream

Referenten:

Richter am Bundesfinanzhof Dr. Christian Graw

Regierungsdirektor Thomas Schöneborn, LL.M., Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Aachen

RA/FAStR/StB Stefan Liedtke, LL.M., Crowe BPG

Aktuelles aus Gesetzgebung und Verwaltung

Der Koalitionsvertrag und seine Auswirkungen auf die Gewerbesteuer

A. Gewerbesteuerpflicht

  • Beginn der sachlichen Steuerpflicht einer Personengesellschaft

BFH vom 20.02.2025 – IV R 23/22

  • Aufwärtsabfärbung, § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG

BFH vom 05.09.2023 – IV R 24/20

BFH vom 04.02.2024 – VIII R 1/22

  • Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

BFH vom 21.11.2024 – IV R 26/22

B. Hinzurechnungen

  • Finanzierungsaufwendungen, § 8 Nr. 1 lit. a GewStG

BFH vom 19.11.2024 – VIII R 26/21 – Ausgleichszahlungen bei Zins-Swaps

FG Münster vom 30.11.2023 – 10 K 2062/20 G (III R 6/24) – Konzernfinanzierungsgesellschaften

  • Mieten / Pachten, § 8 Nr. 1 lit. d / e GewStG

BFH vom 17.10.2024 – III R 33/22

BFH vom 16.09.2024 – III R 36/22

FG Baden-Württemberg vom 07.10.2024 – 10 K 953/22 (III R 39/24)

  • Rechteüberlassung, § 8 Nr. 1 lit. f GewStG

FG Berlin-Brandenburg vom 14.12.2022 – 11 K 11252/17 (NZB: IV B 7/23; nach Zulassung: IV R 26/23)

C. Kürzungen

  • einfache Grundbesitzkürzung, § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG
  • erweiterte Grundbesitzkürzung, § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG

BFH vom 17.10.2024 – III R 1/23 – Veräußerung des gesamten Grundbesitzes im laufenden Erhebungszeitraum

BFH vom 11.01.2024 – IV R 24/21 – Vermietung eines Hotelgrundstücks

BFH vom 13.06.2024 – III R 26/21 – Verschaffung von Dienstleistungen

BFH vom 11.07.2024 – III R 41/22 – Weitervermietungsmodell

BFH vom 22.02.2024 – III R 13/23 – umgekehrte Betriebsaufspaltung

BFH vom 30.10.2024 – IV R 19/22 – Betriebsverpachtung

D. Verluste

  • Sanierungsgewinne, § 7b GewStG

BFH vom 10.10.2024 – IV R 1/22 / BFH vom 10.10.2024 – IV R 2/22

  • Verfahrensrecht

BFH vom 11.01.2024 – IV R 25/21 – Bindungswirkung der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes

BFH vom 25.04.2024 – XI R 18/22 – Berücksichtigung verlusterhöhender Tatsachen bei Nullfeststellung

BFH vom 23.02.2024 – IX B 118/22 – Feststellungsverjährung bei Verlustfeststellungsbescheiden

  • Unternehmeridentität

BFH vom 01.02.2024 – IV R 26/21 – einbringungsbedingter Übergang des Gewerbeverlustes

  • Unternehmensidentität

BFH vom 25.04.2024 – III R 30/21 – Gewerbeverlust nach Anwachsung

  • Kapitalgesellschaften

E. Zuteilung und Zerlegung

  • Bestimmung des Steuergläubigers

BFH vom 03.12.2024 – IV R 5/22

  • sachliche und örtliche Zuständigkeit

BFH vom 07.11.2024 – III R 27/23 / BFH vom 07.11.2024 – III R 28/23

  • Zerlegungsrecht

BFH vom 15.05.2024 – IV R 21/21 – mehrgemeindliche Betriebsstätten – Bindungswirkung der Einigung nach § 33 Abs. 2 GewStG

BFH vom 15.05.2024 – IV R 22/21 – nachträglich bekannt gewordene Tatsachen

Geschützt: § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: umgekehrte Betriebsaufspaltung

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§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Einfluss der Betriebsverpachtung auf die erweiterte Grundbesitzkürzung

BFH vom 19.12.2023 – IV R 5/21, BStBl. 2024 II 845

[Vorinstanz: FG Münster vom 06.12.2019 – 14 K 3999/16 G, GmbH-StB 2021, 325]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung). Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt und daneben keine anderen als die Nebentätigkeiten ausübt, die im Gesetz ausdrückliche Erwähnung finden und sofern und soweit die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG ausgeschlossen ist. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer Schlechterstellung einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, gegenüber einer vermögensverwaltenden Gesellschaft.

Grundlegende Voraussetzung der erweiterten Kürzung ist daher, dass sich die Gewerbesteuerpflicht des Unternehmens allein aus der gewählten Rechtsform ergibt und keine originäre gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG vorliegt.

Im Fall eine Betriebsaufspaltung scheidet die erweiterte Kürzung daher für das Besitzunternehmen aus, da diesem die gewerbliche Tätigkeit des Betriebsunternehmens im Rahmen der Merkmalszurechnung zugerechnet wird. Soweit das Besitzunternehmen auch die Voraussetzungen der gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllt, ergibt sich die Gewerblichkeit der Betätigung vorrangig aus der Merkmalszurechnung. Denn insoweit liegt eine originäre gewerbliche Betätigung vor.

Entfällt im Rahmen der Betriebsaufspaltung die persönliche Verflechtung, endet die Zurechnung der betrieblichen Merkamle der Betriebsgesellschaft. Die Besitzgesellschaft erzielt ab dann grundsätzlich vermögensverwaltende Einkünfte. Etwas anderes ergibt sich jedoch für den Fall, dass die Besitzgesellschaft gewerblich geprägt ist und sie fortan gewerbliche Einkünfte aufgrund der gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erzielt. In diesem Fall liegt ein Übergang von der originär gewerblichen Tätigkeit aufgrund der Merkmalszurechnung hin zu einer gewerblichen Prägung vor.

Davon unabhängig kann sich eine gewerbliche Tätigkeit der Besitzgesellschaft auch daraus ergeben, dass die Voraussetzungen der Betriebsverpachtung vorliegen. Dieses Rechtsfolge ist jedoch rein einkommensteuerrechtlicher Art, denn gewerbesteuerlich endet der werbende Betrieb mit dem Beginn der Betriebsverpachtung. Selbst bei Vorliegen einer Betriebsverpachtung würde sich hieraus also keine gewerbliche Tätigkeit des Besitzunternehmens begründen.

Soweit die Gesellschaft der Gewerbesteuer unterliegt bemisst sich diese nach § 6 GewStG nach dem Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung). Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt und daneben keine anderen als die Nebentätigkeiten ausübt, die im Gesetz ausdrückliche Erwähnung finden und sofern und soweit die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG ausgeschlossen ist. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer Schlechterstellung einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, gegenüber einer vermögensverwaltenden Gesellschaft.

Allerdings führt das Vorliegen einer Betriebsverpachtung regelmäßig zum Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot der erweiterten Grundbesitzkürzung. Denn die Betriebsverpachtung setzt voraus, dass die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände, verpachtet werden, BFH vom 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. 1964 III 124. [Hinweis: Im Urteilsfall noch nicht anzuwenden war § 16 Abs. 3b EStG in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011, BGBl. 2011 I 2131, das nach § 52 Abs. 34 EStG erstmals für Betriebsaufgaben zur Anwendung kommt, die nach dem 04.11.2011 erklärt wurden.] Die Bestimmung der wesentlichen Betriebsgegenstände erfolgt aufgrund funktionaler Betrachtung der sachlichen Erfordernisse nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des Betriebes, BFH vom 17.04.2019 – IV R 12/16, BStBl. 2019 II 745. Typischerweise umfasst die Betriebsverpachtung die Überlassung einer Mehrzahl verschiedener Wirtschaftsgüter, wie Grundvermögen sowie Vermögen anderer Art, BFH vom 29.10.1992 – III R 5/92, BFH/NV 1993, 233. Es läge dann keine ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes vor. Es ist jedoch zu beachten, dass bei Groß- und Einzelhandelsunternehmen die gewerblich genutzten Räumlichkeiten grundsätzlich die einzigen wesentlichen Betriebsgrundlagen sind, BFH vom 07.11.2013 – X R 21/11, BFH/NV 2014, 676. Dem beweglichen Anlagevermögen kommt in diesen Fällen in der Regel nicht die Qualität einer wesentlichen Betriebsgrundlage zu, BFH vom 11.10.2007 – X R 39/04, BStBl. 2008 II 220. Daher verstößt eine Betriebsverpachtung nicht zwingend gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG.

Außerhalb der Betriebsverpachtung liegt ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot vor, wenn nicht lediglich eigener Grundbesitz verwaltet und genutzt wird.

Was Grundbesitz im Sinne der Norm ist, bestimmt sich nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 705. Zum bewertungsrechtlichen Grundbesitz gehört nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 BewG ist das Erbbaurecht ebenfalls Teil des Grundbesitzes sowie die Gebäude auf fremden Grund und Boden und die sonstigen Fälle, in denen die Gebäude einer anderen Person zuzurechnen sind, als der Person, der das Eigentum am Grund und Boden zusteht, selbst wenn die Gebäude wesentliche Bestanteile des Grund und Bodens geworben sind, § 70 Abs. 3 BewG. Darüber hinaus rechnen zum Grundbesitz das Wohneigentum, das Teileigentum, das Wohnungserbbaurecht und das Teileerbbaurecht, § 68 Abs. 1 Nr. 3 BewG. Sondernutzungsrechte bestimmen den Inhalt von Wohnungs- und Teileigentum und unterliegen daher keiner gesonderte Betrachtung.

Gehören zum Unternehmensvermögen neben Grundvermögen noch weitere Wirtschaftsgüter, sind diese nur dann kürzungsschädlich, wenn sie zur Nutzung überlassen werden. Unschädlich ist dem entgegen, wenn die Wirtschaftsgüter ausdrücklich von der Nutzungsüberlassung ausgenommen sind.

§ 9 Nr. 1 S. 2, S. 5 Nr. 1 GewStG: Ausschluss der erweiterten Kürzung bei umgekehrter Betriebsaufspaltung

FG München vom 17.04.2023 – 7 K 434/19, NWB FAAAJ-43595

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG
der Gewerbeertrag. Nach § 7 S. 1 GewStG ist der Gewerbeertrag,
der nach einkommensteuerrechtlichen und körperschaftsteuerrechtlichen
Vorschriften ermittelte Gewinn, der um die Hinzurechnungen und Kürzungen
korrigiert und für gewerbesteuerlichen Zwecke modifiziert ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, die erweiterte Grundbesitzkürzung eröffnet. Dabei dient der Tatbestand der wirtschaftlichen Gleichstellung von Vermietungsunternehmen, die Kraft ihrer Rechtsform Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, und damit der Gewerbesteuer unterliegt mit der Vermietung und Verpachtung, die zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung führt und bei inhaltsgleicher Betätigung nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Der Tatbestand des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist daher in den Fällen nicht eröffnet, in denen sich die Gewerblichkeit der Einkünfte nicht aus der gewählten Rechtsform, sondern sich originär aus § 15 Abs. 2 EStG ergibt oder wegen einer Infektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG begründet. Mithin scheidet die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auch in den Fällen der Betriebsaufspaltung aus. Denn nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung werden dem Besitzunternehmen die Merkmale der Tätigkeit des Betriebsunternehmens zugerechnet. In der Folge erzielt das Besitzunternehmen die Art der Einkünfte, die auch das Betriebsunternehmen erzielt. Voraussetzung der Betriebsaufspaltung ist, dass das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen überlässt (sachliche Verflechtung) und die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben (personelle Verflechtung). Ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille ist gegeben, wenn die das Besitzunternehmen beherrschende Person oder Personengruppe auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Das Besitzunternehmen nimmt in diesen Fällen durch das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, BFH vom 24.01.2012 – I B 136/11, BFH/NV 2012, 1176. Dabei kann das Besitzunternehmen auch in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, BFH vom 16.09.1994 – III R 45/92, BStBl. 1995 II 75. In diesen Fällen kommt es darauf an, ob die Besitzkapitalgesellschaft ihren Willen selbst in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Das ist bei einer Beteiligungsidentität als auch bei einer Beherrschungsidentität, BFH vom 20.05.2021 – IV R 31/19, BStBl. 2021 II 768. gegeben. Die Beherrschungsidentität kann auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft gegeben sein, BFH vom 25.01.2015 – I R 20/14, BFH/NV 20154, 1109. Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn die Besitzkapitalgesellschaft selbst nicht an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Denn der Besitzkapitalgesellschaft können die Beteiligungen der Gesellschafter der Muttergesellschaft nicht zugerechnet werden, BFH vom 26.03.1993 – III S 42/92, BStBl. 1993 II 723. Etwas anders gilt jedoch für den Willen der Gesellschafter der Muttergesellschaft, wenn es sich bei der Besitzgesellschaft um eine Personengesellschaft handelt, BFH vom 16.09.2021 – IV R 7/18, BStBl. 2022 II 767.

Damit nicht vergleichbar ist der Fall der umgekehrten Betriebsaufspaltung, BFH vom 16.09.1994 – III R 45/92, BStBl. 1995 II 75. In diesem Fall wir das Besitzunternehmen vom Betriebsunternehmen beherrscht. Etwas anderes könnte sich allein dann ergeben, wenn das beherrschte Besitzunternehmen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen die geschäftliche Oberleitung der Betriebsgesellschaft inne hat oder beherrschende Funktion ausübt, BFH vom 29.07.1976 – IV R 145/72, BStBl. 1976 II 760; FG Köln vom 17.10.2019, 6 K 832/16.

Beteiligt sich eine Person mittels einer Kapitalgesellschaft an einer Betriebskapitalgesellschaft und zugleich an einer Besitzkapitalgesellschaft verhindert die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft die Begründung einer Betriebsaufspaltung. Hierin liegt keine Umgehungsgestaltung im Sinne des § 42 Abs. 1 S. 1 AO.

Die erweiterte Grundbesitzkürzung ist jedoch nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. In diesem Fall liegt dem Grunde nach keine rein vermögensverwaltende Tätigkeit vor, die aufgrund der Rechtsformwahl der Gewerbesteuer unterliegt. Ohne die Zwischenschaltung der grundbesitzenden Gesellschaft wäre der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb des Gesellschafters oder Genossen zuzurechnen und die Grundstückserträge würden in den Gewerbebetrieb des Gesellschafters oder Genossen einfließen, BFH vom 17.01.2006 – VIII R 60/02, BStBl. 2006 II 434.

Gesellschafter oder Genosse einer grundbesitzenden Gesellschaft ist die gesellschaftsrechtlich beteiligte Person. Allerdings ist der Kreis der Gesellschafter und Genossen nicht auf die unmittelbar beteiligten Personen begrenzt. Zum Kreis der Gesellschafter und Genossen im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG rechnen auch die Personen, die lediglich mittelbar über eine Personengesellschaft an der steuerpflichtigen Gesellschaft beteiligt sind, BFH vom 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. 1999 II 168. Ebenso sind auch die Personengesellschaften, an denen die Gesellschafterin oder Genossin beteiligt ist, Teil des Kreises der Gesellschafter oder Genossen, BFH vom 16.09.2021 – IV R 7/18, BStBl. 2022 II 767. Ausreichend ist also, dass die steuerpflichtigen Gesellschafter den Grundbesitz einer Personengesellschaft überlässt, die gemeinsam mit der Personengesellschaft dieselbe Anteilseignerin hat, wenn die jeweiligen Verbindungen zur Anteilseignerin lediglich durch Personengesellschaften vermittelt werden. Vermittelt indes eine Kapitalgesellschaft zumindest einen Beteiligungsstrang, greift das sog. Durchgriffsverbot. Die Anwendung des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG ist in diesen Konstellationen ausgeschlossen.

 

§ 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG: Mittelbare Beteiligung an der Besitzpersonengesellschaft – Änderung der Rechtsprechung – Übergangsregelung

gleichlautende Ländererlasse vom 22.11.2022, NWB NAAAJ-27255

Nach bisheriger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis verhinderte das Durchgriffsverbot die Zurechnung der Beteiligung an der Betriebsgesellschaft sowie die Zurechnung der Beherrschungsfunktion bezogen auf die Betriebsgesellschaft bei der Besitzgesellschaft.

Mit der Entscheidung BFH vom 16.09.2021 – IV R 7/18, BStBl. 2022 II 767 hat der BFH diese Rechtsprechung im Rahmen der Zuständigkeit aufgegeben. Nach der geänderten Rechtsprechung sind nunmehr bei der Prüfung der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung – hier der personellen Verflechtung – auch Beteiligungen der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-personen-gesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft bestehen, zu berücksichtigen.

Aus Vertrauensschutzgründen ist diese Rechtsprechung erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu berücksichtigen, BMF vom 21.11.2022 – IV C 6 – S 2240/20/10006:002, BStBl. 2022 I xxx. Das hat zur Folge, dass in vergleichbaren Fällen im Erhebungszeitraum 2023 kein Verlust der erweiterten Kürzung eintritt.

Die Rechtsprechung zur personellen Verflechtung bei Schwesterkapitalgesellschaften, BFH vom 01.08.1979 – I R 111/78, BStBl. 1980 II 77, bleibt unberührt. [Anmerkung: Der im Rahmen einer Divergenzanfrage angerufene I. Senat hat sich für diesen Fall eine eigene Entscheidung vorbehalten.]

Betriebsaufspaltung: mittelbare Beteiligung an einer Besitzpersonengesellschaft – Änderung der Rechtsprechung – Übergangsregelung

BMF vom 21.11.2022 – IV C 6 – S 2240/20/10006:002, BStBl. 2022 I 1515

Anwendungsschreiben zur Rechtsprechung des BFH vom 16.09.2021 – IV R 7/18, BStBl. 2022 II 767.

Aus Vertrauensschutzgründen wird die bisherige Verwaltungsauffassung zu den Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung in Bezug auf die Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Personen an der Besitzgesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, auch weiterhin bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2023 angewandt.

Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 wendet die Finanzverwaltung die Grundsätze aus der Entscheidung BFH vom 16.09.2021 – IV R 7/18, BStBl. 2022 I 767 an.

[Hinweis: Keine ausdrückliche Regelung enthält der Erlass für den Fall der Beteiligung von Besitzunternehmen an Veräußerungs- und Umstrukturierungsvorgängen vor Beginn des Erhebungszeitraums 2024. Es liegt jedoch nahe, dass bei Fallkonstellationen, die nach bisheriger Rechtsprechung nicht in den Anwendungsbereich der Betriebsaufspaltung fielen auch bei Veräußerungen und Umwandlungen das Vorliegen einer solchen seitens der Finanzverwaltung nicht angenommen wird. Das BMF-Schreiben bindet die Finanzgerichtsbarkeit jedoch nicht.]

Für den Fall der Betriebsaufspaltung zwischen Schwester-Kapitalgesellschaften hält die Finanzverwaltung an den Grundsätzen der Entscheidung BFH vom 01.08.1979 – I R 111/78, BStBl. 1980 II 77 fest.

§ 10a GewStG: Unternehmensidentität bei Betriebsaufspaltung

BFH vom 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. 2020 II 147

[Vorinstanz: FG Köln vom 29.09.2016 – 10 K 1180/13, EFG 2017, 320]

Die Unternehmensidentität einer Besitzgesellschaft besteht solange fort, wie die nämliche Betriebsgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt.

Nach den Rechtsgrundsätzen der Betriebsaufspaltung übt eine Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (aufgrund der Merkmalszurechnung) eine originär gewerbliche Tätigkeit aus. Eine zudem bestehende gewerbliche Prägung der Besitzgesellschaft tritt hinter den Rechtsfolgen der Betriebsaufspaltung zurück.

Allerdings bilden Besitz- und Betriebsunternehmen keine Einheit, BFH vom 28.05.1968 – IV 340/64, BStBl. 1968 II 688.

Daher ist nach Ansicht des BFH darauf abzustellen, ob die Besitzgesellschaft mit der nämlichen Betriebsgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt. Denn in diesem Fall bleibt es bei einer ununterbrochenen nutzungsüberlassenden Tätigkeit des Besitzunternehmens gegenüber dem Betriebsunternehmens.

Hiernach ist für den Fortbestand der Unternehmensidentität des Besitzunternehmens trotz der durch die Betriebsaufspaltung ausgelösten Merkmalszurechnung unerheblich, ob die Unternehmensidentät des Betriebsunternehmens fortbesteht.

Zur sachlichen Verflechtung weist der Senat darauf hin, das allein auf die funktionalen Erfordernisse des Betriebsunternehmens abzustellen ist, BFH vom 26.05.1993 – X R 78/91, BStBl. 1993 II 718.

Zur persönlichen Verflechtung weist der Senat darauf hin, dass diese auch bei einer Mutter-Tochter-Konstellation gegeben sein kann. Dass Mutter- und Tochter-Gesellschaft von unterschiedlichen Personen beherrscht werden spielt insoweit keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Geschäftsführung der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft über die entscheidungserhebliche Mehrheit der Stimmrecht verfügen, BFH vom 08.09.2011 – IV R 44/07, BStBl. 2012 II 136. Daher steht ein gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Einstimmigkeitsvorbehalt einer personellen Verflechtung entgegenstehen. Hiernach liegt auch dann keine personelle Verflechtung vor, wenn die Geschäfte des täglichen Lebens der zur Geschäftsführung berufenen Komplementärin obliegen und diese die Rechtsform der Kapitalgesellschaft hat. Denn insoweit sperrt die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft eine personelle Verflechtung, BFH vom 27.08.1992 – IV R 13/91, BStBl. 1993 II 134.

Aufhorchen lässt in diesem Kontext, dass der Senat zur Abschirmwirkung ausführte, dass der BFH „(bisher)“ von dieser ausgeht und sodann auf die abweichende Kommentierung von Wacker in Schmidt, EStG, (38. Aufl.), § 15 Rz. 838 verweist.

§ 33 Abs. 1 GewStG: Betriebsführungsvertrag

FG München vom 27.11.2018 – 6 K 2407/15, EFG 2019, 376

Der Gewerbesteuermessbetrag unterliegt der Zerlegung nach §§ 28ff. GewStG, wenn die steuerpflichtige Person innerhalb des Erhebungszeitraumes in mehreren Gemeinde Betriebsstätten unterhält, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Der Begriff der Betriebsstätte ist im Gewerbesteuerrecht nicht definiert, daher kann auf den allgemeinen Begriff der Betriebsstätte in § 12 AO abgestellt werden. Betriebsstätte nach § 12 S. 1 AO ist jede feste Einrichtung oder Anlage, die dem Gewerbebetrieb unmittelbar dient. Dazu muss die gewerbetreibende Person unmittelbar über die tatsächliche Verfügungsmacht über die betrieblichen Einrichtungen oder Anlagen verfügen. Diese Verfügungsmacht darf nicht nur von vorübergehender Dauer sein. Eine solche Verfügungsmacht setzt auch voraus, dass sie der gewerbetreibenden Person nicht ohne Weiteres entzogen werden oder verändert werden darf. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die gewerbliche Betätigung mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit ausgedrückt wird, BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782.

Vorbehaltlich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG erfolgt die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne.

Arbeitslöhne im Sinne des Zerlegungsrechtes sind nach § 31 Abs. 1 GewStG grundsätzlich die Vergütungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Keine Aussage trifft das Gewerbesteuerrecht zur Frage, wer Arbeitgeber ist.

Arbeitgeber im doppelbesteuerungsrechtlichen Sinne ist derjenige, der die Vergütung für die geleisteten Dienste wirtschaftlich trägt, BFH vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BStBl. 2004 II 602. Ob diese Definition auch im Rahmen des Zerlegungsrechts herangezogen werden kann, ist ungeklärt.

Arbeitnehmer sind die Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 2 LStDV stehen, für das der zu zerlegende Steuermessbetrag festgesetzt worden ist, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. Die Annahme eines Dienstverhältnisses setzt nicht voraus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, BFH vom 24.03.1999 – I R 64/98, BStBl. 2000 II 41. Die Zugehörigkeit eines Arbeitsnehmers zum Betriebs des Beschäftigungs- oder des Anstellungsunternehmens bestimmt sich vielmehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, BFH vom 11.02.1958 – I B 23/57 U, BStBl. 1958 III 182.

Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung sind die Arbeitnehmer dem Beschäftigungs- und nicht dem Anstellungsunternehmen zuzurechnen, wenn

– ihr vetraglicher und tatsächlicher Tätigkeitsbereich ausschließlich im Betriebs des Beschäftigungsunternehmens liegt,

– sie in den geschäftlichen Organismus dieses Unternehmens eingegliedert sind und dessen Weisungen zu folgen verpflichtet sind,

– das Anstellungsunternehmen vom Beschäftigungsunternehmen lediglich die Lohnaufwendungen erstattet erhält, ohne Verwaltungskosten oder gar einen Gewinnaufschlag zu berechnen. Die Zurechnung der Arbeitnehmer beim Anstellungsunternehmen kommt daher nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmerüberlassung an das Beschäftigungsunternehmen ein echter – auf Gewinnerzielung des Verleihers gerichteter – Arbeitnehmerverleih zugrunde liegt, BFH vom 25.03.2004 – IV R 42/03, BFH/NV 2004, 1291. Eine Zurechnung zum entleihenden Unternehmen kommt umgekehrt nicht in Frage, wenn der vertragliche und tatsächliche Tätigkeitsbereich der verliehenen Arbeitnehmers nicht ausschließlich im Betrieb des Beschäftigungsunternehmens liegt, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. Gehen Arbeitsverhältnisse im Rahmen eines Betriebsführungsvertrages auf das Beschäftigungsunternehmen über, sind die Arbeitnehmer dem einheitlichen Anstellungs- und Beschäftigungsunternehmen zuzurechnen.

Führt die Zerlegung nach Arbeitslöhnen zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, ist die Zerlegung nach einem Maßstab durchzuführen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Maßstab der Prüfung des offenbar unbilligen Ergebnisses ist der gesetzlich verfolgte Zweck der Zerlegung, die Umsetzung des tragenden Besteuerungsgedankens der Gewerbesteuer, des Äquivalenzprinzips. Den Gemeinden soll hiernach ein Ausgleich für diejenigen Gemeindelasten, die durch die Betriebsstätte des Unternehmens im Gemeindegebiet erwachsen, in Form einer Steuerquelle zustehen. Eine Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen auf die verschiedenen Gemeinden, in deren Gebiet sich eine Betriebsstätte befindet, dürfte anhand der konkreten Lasten kaum möglich sein. Denn diese lassen sich im Besteuerungsverfahren nicht bestimmen. Soweit der Gesetzgeber die Lasten als Arbeitnehmerfolgelasten versteht, hat er als Maßstab der Aufteilung der Besteuerungsgrundlage auf verschiedene Gemeinden an das Verhältnis der Arbeitslöhne abgestellt. Dabei hat der Gesetzgeber sich auch davon leiten lassen, dass dieses Verhältnis leicht zu ermitteln ist. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung dieses Aufteilungsmaßstabes erkannt und in Kauf genommen, dass dieser stark typisierend ist und im Einzelfall zu ungewollten Ergebnissen führen kann.

Zur Absicherung der Typisierung hat der Gesetzgeber für offenbar unbillige Ergebnisse der Zerlegung eine Ausnahmeregelung in § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG geschaffen. Dieser Tatbestand kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn die Tatumstände derart außergewöhnlich sind, dass die Zerlegung nach Arbeitslöhnen den Interessensausgleich zwischen den hebeberechtigten Gemeinden nicht gewährleisten kann. Das ist der Fall, wenn die sich aus dem groben Zerlegungsmaßstab des § 29 GewStG selbst ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird und die nachteiligen Auswirkungen einer Zerlegung nach den §§ 28ff. GewStG von wesentlicher Bedeutung sind. Das ist der Fall, wenn ein Betrieb in der Betriebsstätte auf Dauer und ausschließlich Leiharbeitnehmer einsetzt anstelle die Arbeitnehmer selbst anzustellen. Denn durch dieses Verhalten des Unternehmens, das die Gemeinde nicht beeinflussen kann und auch sonst nicht zu verantworten hat, entgeht ihr vollständig das Gewerbesteueraufkommen aufgrund dieser Betriebsstätte, obwohl die eingesetzten Arbeitnehmer maßgeblich Einfluss auf den Gewerbeertrag haben, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. Eine solche Unbilligkeit kann auch im Rahmen einer Umstrukturierung hervortreten, in deren Folge die Gemeinde in der das Beschäftigungsunternehmen eine Betriebsstätte unterhält, in der die aufgrund der Umstrukturierung nunmehr entliehenen Beschäftigten tätig werden.

Verfahrensrechtlicher Hinweis: Zu einem das Zerlegungsverfahren betreffende Klageverfahren sind notwendig neben der steuerpflichtigen Person die betroffenen Gemeinden beizuladen, FG Köln vom 17.10.2013 – 13 K 1840/12, EFG 2014, 614. Nicht beizuladen sind Gemeinden deren Messbetragsanteil durch das Klageverfahren unverändert bleiben wird.

§ 15 Abs. 2 EStG: Gewinnerzielungsabsicht der Besitzpersonengesellschaft bei nicht kostendeckender Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung

BFH vom 12.04.2018 – IV R 5/15 [Vorinstanz: FG Münster vom 09.12.2014 – 15 K 1556/11 F]

Eine Betriebsaufspaltung führt nach den Grundsätzen des Beschlusses des BFH vom 08.11.1971 – GrS 2/71, BStBl. 1972 II 63 dazu, dass die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG zu qualifizieren ist.

Das setzt jedoch voraus, dass das Besitzunternehmen entsprechend § 15 Abs. 2 EStG eine Gewinnerzielungsabsicht aufweist, BFH vom 13.11.1997 – IV R 67/96.

An einer Gewinnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens fehlt es, wenn der Betriebsgesellschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen unentgeltlich oder zu einem nicht kostendeckenden Entgelt überlassen werden.

Bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht kann sich neben der unmittelbaren Entgelterzielung auch aus der mittelbaren Erzielung von (höheren) Beteiligungseinkünften ergeben.

Letzteres jedoch nur, wenn die Betriebsgesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist, die Beteiligung zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehört und infolge des unangemessen niedrigen Nutzungsentgeltes höhere Gewinnausschüttungen zu erwarten sind, die die Ausgaben des Betriebsunternehmens übersteigen, BFH vom 02.09.2009 – I R 20/09, BFH/NV 2010, 391.

Ist die Betriebsgesellschaft jedoch als Personengesellschaft organisiert, kann ein höherer Gewinn der Betriebsgesellschaft nicht auf die Besitzgesellschaft durchschlagen. Denn die Einkünfte der Betriebsgesellschaft werden deren Gesellschafter unmittelbar nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zugerechnet -und zwar auch dann, wenn diese zugleich an der Besitzpersonengesellschaft beteiligt sind.

§ 9 Nr. 1 S. 2, S. 5 Nr. 1 GewStG: vermögensverwaltende Betätigung bei Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Sonderbetriebsvermögen II; Fragen der Betriebsaufspaltung durch Beteiligung dieser Kapitalgesellschaft an einem Betriebsunternehmen

FG Hessen vom 24.01.2018 – 8 K 2233/15, NWB OAAAG-80819

[aufgehoben durch BFH vom 16.09.2021 -IV R 7/18, DStR 2022, 189]

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften und für gewerbesteuerliche Zwecken modifizierten Gewinn, der um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und um Kürzungen nach § 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert wird.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag unter Berücksichtigung der Hinzurechnungen auf Antrag um den Betrag zu kürzen, der – unter weiteren Voraussetzungen – aus die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitz resultiert (erweiterte Grundbesitzkürzung).

Voraussetzung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt, nämlich die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Neben dieser Tätigkeit ist ausweislich der gesetzlichen Regelung die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens zulässig.

Das bedeutet zugleich, dass der Tatbestand der erweiterten Kürzung Unternehmen nicht zugänglich ist, wenn diese einer originären gewerblichen Betätigung nachgehen. Die erweiterte Kürzung steht also Unternehmen offen, die aufgrund ihrer Rechtsform oder aufgrund der Prägung gewerbliche Einkünfte erzielen.

Keine gewerbliche Betätigung ist das Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft durch das Unternehmen selbst oder die Zuordnung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen – hier II – einer mitunternehmerisch verbundenen Person. Denn das Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft führt strukturell zu Einkünften aus Kapitalvermögen und ist damit nicht unternehmerisch. Hieran ändert auch die Umqualifizierung nach § 20 Abs. 8 EStG nichts. Denn die erweiterte Kürzung stellt nicht auf die Art der erzielten Einkünfte, sondern auf die Betätigung selbst ab. Das Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist eine Tätigkeit, die neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes kürzungsunschädlich ausgeübt werden kann. Das gilt auch dann, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft keinen Bezug zur Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes aufweist. Ebenfalls nicht vorausgesetzt wird ein bestimmtes Verhältnis im Sinne einer Haupt- und einer Nebentätigkeit. Dem Tatbestandsmerkmal neben kommt vielmehr eine zeitliche Komponente zu. Die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens würde erst dann ihren Charakter als unschädliche Nebentätigkeit verlieren, wenn sie selbst gewerblichen Charakter hätte, BFH vom 03.08.1972 – IV R 235/67, BStBl. 1972 II 799.

Auch die Infekktion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG kann zu einer gewerblichen Betätigung des Unternehmens und damit zum Ausschluss der erweiterten Kürzung führen. Allerdings tritt diese nur bei mitunternehmerischen Beteiligungen ein. Denn in diesem Fall bildet die Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, ein eigenes Betriebsvermögen, das der steuerpflichtigen Person nicht zuzurechnen ist. Selbst wenn die Beteiligungsgesellschaft selbst grundbesitzend wäre und die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung erfüllen würde, würde eine mitunternehmerische Beteiligung an dieser Gesellschaft bestehen. Das Halten einer Kommanditbeteiligung ist damit eine schädliche Betätigung im Rahmen des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, BFH vom 17.10.2002 – I R 24/01, BStBl. 2002 II 355; BFH vom 22.01.1992 – I R 61/90, BStBl. 1992 II 628. Dem ist Halten einer einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht gleichzusetzen. Diese Beteiligung ist nicht unternehmerisch, sondern vermögensverwaltend und löst keine Infektion aus.

Des Weiteren können Unternehmen aufgrund der Zurechnung der Merkmale gewerblicher Aktivität im Rahmen der sog. Betriebsaufspaltung gewerbliche Tätigkeiten entfalten. Unter der Voraussetzung der sachlichen und personellen Verflechtung werden die Merkmale der Betätigung des sog. Betriebsunternehmens dem Besitzunternehmen zugegrechnet und dessen steuerliche Qualifikation unter Berücksichtigung der zugerechneten Merkmale vorgenommen. Eine sachliche Verflechtung liegt vor, wenn das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen ein Wirtschaftsgut überlässt, das beim Betriebsunternehmen eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine oder mehrere Personen gemeinsam in beiden Unternehmen im Rahmen einer Beteiligungsidentität, BFH vom 02.04.1997 – X R 21/93, BStBl. 1997 II 565, oder Beherrschungsidentität auf gesellschaftsrechtlicher oder faktischer Grundlage ihren geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen können, BFH vom 28.01.2015 – I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109. [Hinweis: Dabei richtet sich der geschäftliche Wille auf den Bestand der Überlassung des funktionswesentlichen Wirtschaftsgutes. Insoweit handelt es sich um Geschäfte, die der laufenden Geschäftsführung entzogen und der Gesellschafterversammlung zugewiesen sein dürften. Auf den Ausschluss der Kommanditisten von der Geschäftsführung nach § 164 HGB dürfte es nicht ankommen.] In Bezug auf die Beteiligung am Betriebsunternehmen ist anerkannt, dass diese auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft bestehen kann, BFH vom 29.11.2007 – IV R 82/05, BStBl. 2008 II 471. Dem steht BFH vom 15.04.1999 – IV R 11/98, BStBl. 1999 II 532 nicht entgegen, da die dort verwendeten Formulierungen missverständlich sind. Anerkannt wurde die mittelbare Beteiligung dann, wenn über die GmbH unmittelbar Einfluss auf den geschäftlichen Betätigungswillen genommen werden konnte, BFH vom 08.09.2011 – IV R 44/07, BStBl. 2012 II 136; BFH vom 28.01.2015 – I R 20/14, BFH/BNV 2015, 1109. Es ist also nicht notwendig, dass die Kapitalgesellschaft an der Besitzgesellschaft oder die Gesellschafter der Betriebskapitalgesellschaft an der Besitzgesellschaft beteiligt ist. Ausreichend ist vielmehr, dass ein mittelbarer Gesellschafter der Betriebsgesellschaft an der Besitzgesellschaft beteiligt ist. Umgekehrt ist jedoch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung die Besitzgesellschaft selbst oder eine mitunternehmerisch an der Besitzgesellschaft beteiligte Person an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt sein müssen. Eine lediglich mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft, die selbst Gesellschafterin der Besitzgesellschaft ist, an der Betriebsgesellschaft erfüllt die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung nicht. Denn es ist der Besitzgesellschaft aufgrund des Durchgriffsverbotes nicht möglich auf ihre Gesellschafter durchzugreifen und sich die Beteiligung ihrer Gesellschafter oder auch nur die Stimmrechte ihrer Gesellschafter bei der Betriebsgesellschaft zurechnen zu lassen, BFH vom 15.04.1999 – IV R 11/98, BStBl. 1999 II 532 .

Selbst wenn der Anwendungsbereich der erweiterten Kürzung eröffnet und die Voraussetzungen erfüllt sind, besteht die Möglichkeit des Ausschlusses nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG. Nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG ist die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Ohne eine zweite Gesellschaft wären die Grundstückserträge Teil eines Gewerbebetriebes und der Gewerbesteuer unterliegend. Der Ausschlusstatbestand dient damit der Verhinderung des Missbrauchs der Kürzung durch künstliche Aufspaltung eines Betriebes. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn der Gesellschafter oder Genosse selbst einen Gewerbebetrieb unterhält oder aber mitunternehmerisch an einem Gewerbebetrieb beteiligt ist, BFH vom 07.04.2005 – IV R 34/03, BStBl. 2005 II 576. Dabei ist unerheblich, welche Rechtsform die Gesellschaft hat. Gesellschafter oder Genosse ist die Person, der die Anteile an dem steuerpflichtigen Unternehmen zuzurechnen sind, BFH vom 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. 1999 II 168. Ist der Gesellschafter oder Genosse eine Mitunternehmerschaft, ist diese für Zwecke der Bestimmung des Gesellschafters oder Genossens im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG transparent. Ist der Gesellschafter oder Genosse eine Kapitalgesellschaft, ist allein diese Gesellschafterin oder Genosse. Nicht zulässig ist der Durchgriff auf deren Gesellschafter, BFH vom 15.04.1999 – IV R 11/98, BStBl. 1999 II 532. Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung BFH vom 07.04.2005 – IV R 34/03, BStBl. 2005 II 576. Damit fällt auch der Fall, dass der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines mittbaren Gesellschafters oder Genossens dient nicht in den Anwendungsbereich des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG, BFH vom 07.08.2008 – IV R 36/07, BStBl. 2010 II 988.