Geschützt: § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG: Beginn der sachlichen Steuerpflicht

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§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG (Aufwärtsabfärbung)

FG Münster vom 13.05.2022 – 15 K 26/20 E, F – NWB PAAAJ-18165 [IV R 18/22]

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Das Gewerbesteuerrecht enthält heute keine Definition des Gewerbebetriebes. Die früher in der GewStDV enthaltene Definition des Gewerbebetriebes wurde in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher kann für Zwecke der Gewerbesteuer auf den Gewerbebetriebsbegriff des § 15 Abs. 2 EStG zurück gegriffen werden. Neben dem originären Gewerbebetrieb nach § 15 Abs 2. EStG kennt das Einkommensteuerrecht in § 15 Abs. 3 EStG noch weitere fiktive Gewerbebetriebe. Auch insoweit knüpft das Gewerbesteuerrecht an das Einkommensteuerrecht an. Hierzu zählen die Abfärbungsvarianten, die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aufgeführt sind. Für den Fall der Seitwärtsabfärbung, also den Fall, dass innerhalb einer Personengesellschaft sowohl nicht gewerbliche wie auch originär gewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, hat die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass es nur dann zur Abfärbung kommt, wenn die gewerblichen Aktivitäten gewisse Bagatellgrenzen überschreitet. Bei der Aufwärtsabfärbung sieht der Bundesfinanzhof eine differenzierte Handhabung für angezeigt. Das Gericht wendet die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Einkommensteuer uneingeschränkt an und verneint in diesem Zusammenhang die Anwendung einer Bagatellgrenze, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BStBl. 2020 II 649.

Für Zwecke der Gewerbesteuer sieht der BFH jedoch die Notwendigkeit der Abfärbung als nicht gegeben, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BStBl. 2020 II 649.

[Hinweis: Unter dem Aktenzeichen VIII R 1/22 ist zur Zeit vorgetragen, dass der Einkünftequalifizierung im Feststellungsbescheid Bindungswirkung für die Gewerbesteuermessbetragsfeststellung zukommt.]

Geschützt: § 2 Abs. 1 S. 1, 3 GewStG: Begründung Betriebsstätte durch Beauftragung einer Dienstleistungsgesellschaft

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Nichtanwendungserlass zu BFH vom 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. 2022 II 123

BMF vom 14.01.2022 – IV C2 – S 2770/20/10001, BStBl. 2022 I 160

Nicht streitergeblich war die Aussage des BFH:

Der Wortlaut (auch des § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG setzt voraus, dass neben den Einkünften aus Gewerbebetrieb – i.S.v. voneinander abgrenzbaren Tätigkeiten – auch Einkünfte einer anderen Einkunftsart erzielt werden […]. Besteht – wie im Streitfall – die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich in dem Halten der Anteile an einer anderen Personengesellschaft und verfügt die Personengesellschaft über kein weiteres Vermögen, mittels dessen Einkünfte erzielt werden, ist § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG nicht
anwendbar.

Die Aufwärtsabfärbung ist daher nicht ausgeschlossen, wenn die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich im Halten von Anteile an anderen Personengesellschaften besteht und die Oberpersonengesellschaft kein weiteres Vermögen hat, das zur Einkünfteerzielung dient.

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: Abfärbung bei mitunternehmerschaftlichen Beteiligung einer Mitunternehmerschaft, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt

FG Hamburg vom 25.02.2021 – 3 K 139/20, NWB MAAAH-78693 [NZB Verw.]

Objekt der Gewerbesteuer ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der Gewerbebetrieb. Eine Definition des Gewerbebetriebes enthält das Gewerbesteuerrecht nicht (mehr). Die frühere Definition der GewStDV wurde in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher knüpft das Gewerbesteuerrecht hinsichtlich der Definition des Gewerbebetriebes an das Einkommensteuerrecht an, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG. Hiernach ist aber nicht nur der in § 15 Abs. 2 EStG definierte Betrieb ein Gewerbebetrieb. Die Regelung des § 15 Abs. 3 EStG fingiert zudem in Nr. 1 den Gewerbebetrieb kraft Abfärbung sowie in Nr. 2 den Gewerbebetrieb kraft Prägung. Gewerbebetrieb kraft Abfärbung kann zum einen bei einer Mitunternehmerschaft vorliegen, die neben einer anderen auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt (Seitwärtsabfärbung). Zum anderen liegt ein Gewerbebetrieb kraft Abfärbung auch dann vor, wenn sich eine nicht gewerblich tätige Mitunternehmerschaft an einer anderen Mitunternehmerschaft beteiligt, die selbst gewerbliche Einkünfte erzielt (Aufwärtsabfärbung). Diese Regelungen dienen zum einen der Vereinfachung der Besteuerung und zum anderen dem Schutz des Steueraufkommens.

Aufgrund der gravierenden Rechtsfolge, die sich aus der Fiktion gewerblicher Einkünfte ergibt, hat die Rechtsprechung zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 1 Var. EStG herausgearbeitet, dass eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes voraussetzt, ohne dass bis zu 3 % der Einnahmen der Mitunternehmerschaft aus gewerblicher Tätigkeit (relative Grenze) stammen können, dass die Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG ausgelöst wird. Zur Vermeidung übermäßger Vorteile für große Personengesellschaften dürfen die Einnahmen EUR 24.500 jedoch nicht übersteigen (absolute Grenze).

Hinsichtlich der Regelungen zur Aufwärtsabfärbung erkennt die Rechtsprechung des BFH diese für Zwecke der Einkommensteuer als verfassungskonform an, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994. Daher sind im Feststellungsverfahren insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb festzustellen.

Für Zwecke der Gewerbesteuer ist jedoch zu beachten, dass die Mitunternehmerschaft, die die Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG auslöst, selbst nach § 5 Abs. 1 GewStG Steuerschnuldnerin ist. Zudem ist zu beachten, dass Verluste dieser Mitunternehmerschaft für Zwecke der Gewerbebesteuerung auf Ebene der mitunternehmerisch beteiligten Person nach § 8 Nr. 8 GewStG wieder hinzugerechnet werden und Gewinne nach § 9 Nr. 2 GewStG gekürzt werden, was im Ergebnis eine doppelte Berücksichtigung des Gewerbeertrages der Mitunternehmerschaft vermeidet. § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG kann also auf Ebene der Gewerbesteuer nicht die Funktion des Schutzes des Gewerbesteueraufkommens haben. Zudem führt eine Aufwärtsabfärbung nicht zu einer Vereinfachung der Besteuerung.

Daher hatte der BFH bereits für den Fall der Aufwärtsabfärbung bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft für Zwecke der Gewerbesteuer entschieden, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG verfassungskonform einzuschränken sei und es nicht zu einer Aufwärtsabfärbung kommt, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung handelt es sich jedoch nur um ein orbiter dictum, gleichlautende Ländererlasse vom 01.10.2020, BStBl. 2020 I 1032.

Dem tritt nun das FG Hamburg für den Fall einer Mitunternehmerschaft mit Einkünften aus selbständiger Arbeit und einer mitunternehmerischen Beteiligung, aus der sie gewerbliche Einkünfte bezieht, entgegen und führt zum einen aus, dass die Entscheidung des BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994 materiell-rechtlich zutreffend ist. Zudem nimmt das Finanzgericht Hamburg in einem sog. obiter dictum Stellung zur verfahrensrechtlichen Einordnung der Ausführungen des IV. Senates und stellt heraus, dass es sich entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht um ein obiter dictum, sondern um tragende Entscheidungsgründe handelt. Denn diese Erwägungen können im Entscheidungsfall des Bundesfinanzhofes nicht hinweggedacht werden, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele.

In der Folge dieser Erwägungen kommt das Finanzgericht Hamburg daher zu der Erkenntnis, dass es auch im Fall der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit durch eine Mitunternehmerschaft für Zwecke der Gewerbesteuer aufgrund einer verfasungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG nicht zu einer Aufwärtsabfärbung kommt.