Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, ist der Steuermessbetrag auf die einzelnen Gemeinden zu zerlegen, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG.
Das gilt auch in den Fällen, in denen sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt, § 28 Abs. 1 S. 2 GewStG.
Erstreckt sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden, ist der Steuermessbetrag auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, § 30 GewStG.
Voraussetzung für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 2 GewStG , § 30 GewStG ist es, dass der auf jede beteiligte Gemeinde entfallende Anteil an der mehrgemeindlichen Betriebsstätte die Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllt, BFH vom 08.03.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735.
Das gewerbesteuerliche Zerlegungsrecht kennt keinen eigenständigen Betriebsstättenbegriff. Daher ist auch für Zwecke der gewerbesteuerlichen Zerlegung auf den Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zurückzugreifen, vgl. BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.
Unterhält eine steuerpflichtige Person innerhalb eines Erhebungszeitraumes sowohl eine mehrgemeindliche Betriebsstätte als auch zumindest eine weitere Betriebsstätte so erfolgt die Zerlegung mehrstufig. Auf erster Stufe erfolgt die sog. Hauptzerlegung. Diese erfolgt unter Anwendung der Zerlegungsmethode des § 29 GewStG und damit regelmäßig nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne der Betriebsstätten zueinander. Der auf die mehrgemeindliche Betriebsstätte entfallende Zerlegungsanteil ist daran anschließend im Wege der sog. Unterzerlegung auf die Gemeinden zu zerlegen, über deren Gebiet sich die mehrgemeindliche Betriebsstätte erstreckt.
Für die Unterzerlegung gibt das Gesetz in § 30 GewStG keinen konkreten Zerlegungsmaßstab vor. Die gesetzliche Regelung besagt nur, dass die Unterzerlegung nach den örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten zu erfolgen hat. Dieser Maßstab ist grober Natur, BFH vom 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. 1988 II 292, und eröffent die Möglichkeit der Schätzung der Belastungen. Die Ausgestaltung des Maßstabes trägt dem Rechnung, dass es nicht möglich ist, die Belastung der Gemeinden aus der gemeinsamen Betriebsstätte zu berechnen.
Die Auswahl der Zerlegungsfaktoren hat der Eigenart der mehrgemeindlichen Betriebsstätte und den Interessen der beteiligten Gemeinden in typisierender Form Rechnung zu tragen. Nicht notwendig ist es , dass eine Feststellung und Gewichtung von Art und Umfang der individuellen Beeinträchtigung und Belastung für jede Gemeinde vorgenommen wird. Es ist vielmehr ausreichend, wenn die Bestimmung der Gemeindelasten typisiert erfolgt. Dabei sind sowohl die typischen Arbeitnehmerfolgekosten („persönliche Lasten„) wie auch die „sachlichen Lasten“ zu berücksichtigen, die aus der mehrgemeindlichen Betriebsstätte für die Gemeinden ergeben. Belastungen sachlicher Art sind die Kosten für die Zufahrt zur Betriebsstätte ebenso wie diejenigen der Unterhaltung entsprechender Einrichtungen, wie der lokalen Feuerwehr, die entsprechend der gewerblichen Nutzung der Betriebsstätte, ausgerüstet sein muss. Das hat zur Folge, dass bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten anders als im Regelzerlegungsfall neben den Arbeitnehmerfolgekosten zumindest ein weiterer sachlicher Faktor zu berücksichtigen ist.
Bei der Ausgestaltung der Zerlegung stehen die persönlichen wie auch die sachlichen Lasten regelmäßig gleichgewichtig zueinander, BFH vom 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. 1965 III 113. In Zeiten der Veränderung der Arbeitswelt durch flexiblere Arbeitsmodelle und unter Einbeziehung fiskaler Vor- und Nachteile aus der Ansiedlung von Arbeitskräften in der Gemeinde kann sich jedoch eine andere Gewichtung ergeben.
Als sachlicher Zerlegungsmaßstab werden in der Rechtsprechung die in den einzelnen Gemeinden vorhandenen Betriebsanlagen der Betriebsstätte herangezogen, BFH vom 26.10.1954 – I B 186/53 U, BStBl. 1954 III 372; BFH vom 28.10.1964 – I B 403/61 U, BStBl. 1965 III 113. Dabei ist jedoch die vorgelagerte Frage zu beantworten, ob auf die historischen oder fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten in steuerlicher oder handelsrechtlicher Hinsicht abzustellen ist. Zudem muss die steuerpflichtige Person die vorhandenen Betriebsanlagen einer Betriebsstätte bzw. bei mehrgemeindlichen Betriebsstätten der jeweiligen Gemeinde innerhalb der mehrgemeindlichen Betriebsstätte zuordnen. Bei Elektrizitätsunternehmen wurde alternativ auf die Menge des auf dem Gebiet einer Gemeinde abgegebenen Stroms oder auf die Betriebseinnahmen aus der Stromabgaben abgestellt, BFH vom 16.11.1954 – I B 249/62 U, BStBl. 1966 III 40; BFH vom 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. 1988 II 292. Soweit Gegenstand des Unternehmens der Transport von Erdgas über ein Rohrleitungssystem ist, kann auf die Menge des abgegebenen Gases abgestellt werden. Das gilt vor allem dann, wenn praktische Schwierigkeiten hinsichtlich der Zuordnung des weit überwiegenden Wertanteils der Betriebsanlagen bestehen, wie das bei einem weit verzweigten Rohrleitungssystem der Fall ist. Das gilt vor allem dann, wenn die Daten über die Abgabemenge bei der steuerpflichtigen Person ohnehin vorhanden sind oder leicht aus vorhandenen Daten abgeleitet werden können. Hieran ändert auch die Trennung von Gashandel und Gastransport (Unbundling) nichts. Auch stellt der Rückgriff auf die abgegebene Gasmenge keinen Verstoß gegen Art. 20a GG vor, weil letztlich die Gemeinde profitiert, auf deren Gebiet eine hohe Gasmenge abgegeben wird.
Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Neben dem stehenden Gewerbebetrieb kennt das Gewerbesteuerrecht das Reisegewerbe.
Ob der Gewerbebetrieb als inländischer Gewerbebetrieb anzusehen ist, richtet sich danach, ob das Unternehmen im Inland eine Betriebsstätte unterhält. Das Gewerbesteuerrecht enthält keine eigenständige Definition einer Betriebsstätte. Es ist daher auf die Definition der Betriebsstätte in § 12 AO zurückzugreifen.
Der Gesetzgeber hat in § 12 S. 1 AO eine allgemeine Definition der Betriebsstätte aufgenommen und darüber hinaus in § 12 S. 2 AO einen Katalog von Orten mit Unternehmensfunktionen aufgenommen, die als Betriebsstätten gelten.
Die in § 12 S. 2 AO aufgelisteten Fälle, sind keine „insbesondere“-Aufzählung der allgemeinen Betriebsstätten. Die aufgelisteten Fällen „gelten“ vielmehr als Betriebsstätten. Es bedarf also nicht der Erfüllung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 12 S. 1 AO zur Annahme einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 2 AO, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844.
Der Katalog des § 12 S. 2 AO beginnt in Nr. 1 AO mit dem Ort der Geschäftsleitung. Die Geschäftsleitung ist notwendiger Teil jeder gewerblichen Aktivität. Jedes gewerbliche Unternehmen verfügt mithin über eine solche. Für den Fall des Fehlens weiterer Betriebsstätte in dieser Betriebsstätte der gesamte Unternehmensgewinn zuzuordnen, BFH vom 20.12.2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169.
Die Geschäftsleitung ist nach § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftslichen Oberleitung. Das ist der Ort, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844. Dabei ist auf die Geschäfte anzustellen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, sowie solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören (Tagesgeschäft). Dabei ist auf die Handlung der zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen abzustellen. Handlungen in diesem Zusammenhang sind die tatsächlichen, organisatorischen, vgl. hierzu BFH vom 03.04.2008 – I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445 und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt. Nicht mehr zum gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft gehört die Veräußerung von Vermögenswerten, die die Geschäftsgrundlage bilden oder die im Verhältnis zum übrigen Vermögen einen ungewöhnlich hohen Wert aufweisen, KG vom 08.03.2007 – 23 U 65/06; BGH vom 02.06.2008 – II ZR 67/07. Ebenso ist das Eingehen von Verbindlichkeiten zum Erwerb von Beteiligungen nicht Teil des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs.
Nicht mehr zum Tagesgeschäft einer vermögensverwaltenden Gesellschaft gehören der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen. Denn zum Tagesgeschäft zählen nur die Geschäfte, die in der alleinigen Zuständigkeit der Geschäftsführung liegen und keines Gesellschafterbeschlusses bedürfen. Geschäfte, die einer Beschlussfassung der Gesellschafter bedürfen, sind nicht geeignet Einfluss auf den Ort der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zu haben, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Etwas anderes ergibt sich jedoch, wenn der erklärte und tatsächliche Zweck der Gesellschaft in kleineren und größeren Buy-outs in der Form des Management Buy-out sowie Leveraged Buy-out mit offensiven Finanzierungen und risikobehafteten Kaufgelegenheiten bestand, BFH vom 24.08.2011 – I R 46/10, BStBl. 2014 II 764. Auch ist die schlichte Umsetzung der Unternehmensplanung ein Tagesgeschäft, FG Hamburg vom 16.02.2016 – 2 K 54/13, EFG 2016, 747.
Ebenfalls nicht zum Tagesgeschäft gehören Entscheidungen betreffend die Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Inhaber des Unternehmens an gewöhnlichen Maßnahmen und an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.
Für Personengesellschaften bestimmt sich der Ort der Geschäftsleitung regelmäßig danach, wo die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführungstätigkeit entfalten, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Bei einer oHG ist daher grundsätzlich auf alle Gesellschafter abzustellen, solange im Gesellschaftsvertrag keine andere Vertretungsregelung nach § 125 Abs. 1 HGB getroffen wurde. Sind entsprechende Regelungen getroffen worden, sind die Verhältnisse bei dem ermächtigten Gesellschaftern nur dann bedeutsam, wenn sie die laufenden Geschäfte maßgeblich beeinflussen, BFH vom 29.04.1987 – X R 6/81, BFH/NV 1988, 63. Soweit eine juristische Person Gesellschafterin einer Personengesellschaft ist, übt diese ihre Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte durch ihre organschaftlichen Vertreter aus. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie die Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgeschäftes mit sich bringt tatsächlich wahrnimmt, BFH vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BStBl. 2004 II 602. Dabei kann der vertretungsberechtigten Person auch eine ihr nachgeordnete und weisungsgebundene Person zugerechnet werden, BFH vom 07.09.1993 – VII B 169/93, BFH/NV 1994, 193 sowie bereits RFH vom 02.07.1936 – III A 86/36, RStBl. 1936, 779.
Bei einer Personengesellschaft ist es unerheblich, ob die Verfügungsmacht bei ihr oder einem Gesellschafter liegt, denn die Verfügungsmacht des Gesellschafters muss sich die Personengesellschaft zurechnen lassen, BFH vom 26.02.1992 – I R 85/91, BStBl. 1992 II 937.
Für die Annahme einer Betriebsstätte ist es ausreichend, dass die Voraussetzungen einer der besonderen Betriebsstätten im Sinn des § 12 S. 2 AO verwirklicht sind. Auf die allgemeinen Vorschriften kommt es in diesem Fall nicht an. Nur, wenn nicht schon die Voraussetzungen einer speziellen Betriebsstätte verwirklicht werden, stellt sich die Frage, ob eine Betriebsstätte nach den allgemeinen Regeln des § 12 S. 1 AO gegeben ist.
Nach § 12 S. 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage. Das setzt voraus, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche aufweist, die von gewisser Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat. Dazu muss die steuerpflichtige Person eine Rechtsposition innenhaben, die ihr nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Dazu reicht weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844. Andererseits bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung der Rechtsposition noch einer Bestimmung des Raumes oder des Arbeitsplatzes. Es genügt, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer irgendwie für seine Tätigkeit ein geeigneter Raum zur Verfügung gestellt wird, BFH vom 23.05.2002 – III R 8/00, BStBl. 2002 II 512.
Ein Dienen der Tätigkeit für das Unternehmen liegt vor, wenn dort gewisse Betriebshandlungen, seien es auch nur verhältnismäßig nebensächliche und untergeordnete stattfinden. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Geschäftsleitung von dort aus erfolgt, BFH vom 10.05.1961 – IV 155/60 U, BStBl. 1961 III 317.
Nach § 28 Abs. 1 GewStG ist der Gewerbeertrag zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind.
Der Begriff der Betriebsstätte ist im Zerlegungsrecht nicht gesondert definiert, so dass auf die allgemeine Definition des § 12 AO zurückgegriffen werden kann.
Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO ist eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die die steuerpflichtige Person nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 03.02.1993 – I R 80-81/91, BStBl. 1993 II 462.
Die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht setzt voraus, dass die steuerpflichtige Person eine ihr nicht ohne weiteres entziehbare Rechtsposition inne hat („selbständiger Nutzungsanspruch“). Die Nutzungsmacht muss nicht ausschließend sein, BFH vom 18.03.2009 – III R 2/06, BFH/NV 2009, 1457. Nicht ausreichend ist eine tatsächliche Mitbenutzung, die Berechtigung zur Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922. Dabei ist die Verfügungsmacht über Spinden und Schließfächer für die Aufbewahrung persönlicher Gegenstände der am Ort tätigen Personen nicht ausreichend. Ausreichend kann jedoch ein Schließfach für die Aufbewahrung von Werkzeugen der steuerpflichtigen Person am Ort der Tätigkeit sein, BFH vom 09.01.2019 – I B 138/17, BFH/NV 2019, 681.
Die Einrichtung oder Anlage muss der Tätigkeit der steuerpflichtigen Person unmittelbar dienen, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844. Dazu muss dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt werden und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der Tätigkeit ausdrücken, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922. Das Sichaufhalten und Tätigwerden mit eigenem Werkzeug in fremden Räumlichkeiten, um die Arbeiten zu verrichten, führt nicht dazu, dass die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit der steuerpflichtigen Person unmittelbar dient.
BFH vom 10.02.2022 – IV R 6/19 – Nichterfassung des Veräußerungsgewinns bei Übergang von originärer gewerblicher Tätigkeit zu vermögensverwaltender Tätigkeit
B. Hinzurechnungen
1. Finanzierungsaufwendungen, § 8 Nr. 1 lit. a GewStG
BFH – IV R 37/18 – Hinzurechnung von Vorbehalts- oder Abschlagszahlungen und Sicherheitsleistungen, die an Verwertungsgesellschaften gezahlt werden – mündliche Verhandlung am 23. Februar 2023
BFH vom 09.03.2023 – IV R 25/20 – § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1a GewStG: teleologische Reduktion bei Sondervergütungen, wenn die mitunternehmerisch verbundene Person nicht der Gewerbesteuer unterliegt – mündliche Verhandlung 09. März 2023
BFH – IV R 11/20 – Komplementärvergütung – mündliche Verhandlung 20. April 2023
BFH – III R 30/21 – Unternehmensidentität Zeitpunkt sowie Zeitdauer der Fortdauer bei Anwachsung eines Gewerbebetriebes der Personengesellschaft auf eine Körperschaft
c) mehrstöckige Personengesellschaften, Ländererlasse vom 11.08.2021
2. Kapitalgesellschaften
3. Besonderheiten aufgrund der Regelung des § 10a S. 12 GewStG
4. Auswirkungen von Umwandlungen
a) Einbringung von Betrieben
BFH – IV R 25/21 – Verlustübergang auf atypisch stille Gesellschaft
BFH – IV R 26/21 – Einbringung des Betriebes in eine Personengesellschaft
b) Einbringung von Mitunternehmeranteilen
c) Abspaltungen
BFH vom 12.11.2020 – IV R 29/18 – Wegfall der Verlustvorträge bei Abspaltung; § 19 UmwStG und § 10a S. 10 1. HS gelten nicht für Fehlbeträge einer Mitunternehmerschaft – § 8c Abs. 1 S. 5 KStG findet keine Anwendung auf die Übertragung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft
BFH – IV R 23/21 – Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung gegenüber dem Steuerpflichten und Änderung des Zerlegungsbescheides gegenüber den Gemeinden – Fehlende Zustimmung einer Gemeinde nach nachträglich bekanntwerde Tatsache
BFH vom 25.02.2021 – IV B 27/20 – Zerlegung bei einem Solarpark vor Aufnahme der solaren Strahlung in den besonderen Zerlegungsmaßstab des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG (Streitjahr 2012)
BFH – IV R 5/22 – Zerlegung bei Offshore Windparks in gemeindefreiem Gebiet
BFH – IV R 21/21 – Zerlegung bei Pipelineunternehmen – Tätigkeit auch für andere Unternehmen durch die Zentrale
BFH – IV R 22/21 – Zerlegung bei Pipelineunternehmen – Tätigkeit auch für andere Unternehmen durch die Zentrale
FG Düsseldorf vom 11.05.2022 – 2 K 3400/18 G, GmbH-StB 2023, 21
Der Gewerbesteuermessbescheid ist Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerzerlegungsbescheid.
Die Änderung des Messbetragsbescheides eröffnet die Möglichkeit der Änderung des Zerlegungsbescheides nach § 175 Abs. 1 S. 1 AO in Verbindung mit § 185, § 184 Abs. 1 S. 3 AO.
Bei der Änderung des Zerlegungsbescheides ist die Hemmung der Verjährung nach § 171 Abs. 10 S. 1 AO zu beachten. Eine Änderung des Messbetragsbescheides eröffnet damit die Möglichkeit der Änderung des Zerlegungsbescheides. Es ist insoweit zu beachten, dass nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO eine Feststellung auch dann möglich ist, wenn für diese isoliert betrachtet die Verjährung bereits eingetreten ist, aber die Feststellung für eine Feststellung von Bedeutung ist, für die noch kein Verjährung eingetreten ist. Das setzt nach § 181 Abs. 5 S. 2 AO jedoch voraus, dass auf die Anwendung der Regelung im Feststellungsbescheid hingewiesen wird. Das Fehlen des Hinweises führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheides.
Allerdings berechtigt die Änderung des Messbetragsbescheides nicht zur Änderung des Zerlegungsmaßstabes.
Zulässig ist jedoch die Verteilung des Unterschiedsbetrages zwischen dem bisher festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages und dem neu festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages nach einem rechtmäßigen und vom dem bei der bisherigen Zerlegung angewandten Zerlegungsmaßstab vorzunehmen, BFH vom 20.04.1999 – VIII R 13/97, BStBl. 1999 II 542.
Die Änderung des Zerlegungsmaßstabes kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer allgemeinen Änderungsvorschrift in Bezug auf die Tatbestände der Gewerbesteuerzerlegung erfolgen. Im Übrigen besteht eine Bindung an die Gewerbesteuerzerlegung, BFH vom 24.03.1992 – VIII R 33/90, BStBl. 1992 II 809.
Kommt die Änderung des Zerlegungsmaßstabes nach § 173 Abs. 1 AO in Betracht, so ist der Tatbestand hinsichtlich um das Tatbestandsmerkmal des groben Verschuldens teleologisch zu reduzieren, da eine Änderung des Zerlegungsmaßstabe immer zu einer Erhöhung der Steuer auf einer und eine Ermäßigung der Steuer auf anderer Seite führt, BFH vom 24.03.1992 – VIII R 33/90, BStBl. 1992 II 869. Maßgeblich ist daher lediglich, ob eine Tatsache oder ein Beweismittel bekannt wird, dessen Berücksichtigung zu einer anderen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages führen würde.
Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, ist der Steuermessbetrag auf die einzelnen Gemeinden zu zerlegen, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG.
Das gilt auch in den Fällen, in denen sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt, § 28 Abs. 1 S. 2 GewStG.
Erstreckt sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden, ist der Steuermessbetrag auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, § 30 GewStG.
Voraussetzung für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 2, § 30 GewStG ist es, dass der auf auf jede beteiligte Gemeinde entfallende Anteil an der mehrgemeindlichen Betriebsstätte die Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllt, BFH vom 08.03.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735.
Das gewerbesteuerliche Zerlegungsrecht kennt keinen eigenständigen Betriebstättenbegriff. Daher ist auch für Zwecke der gewerbesteuerlichen Zerlegung auf den Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zurückzugreifen, vgl. BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.
Das Vorliegen einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO setzt voraus, dass Geschäftseinrichtungen oder Anlagen mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche vorhanden sind, die von gewisser Dauer ist, über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.
Nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat die steuerpflichtige Person, wenn sie eine Rechtsposition innehat, die ihr nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend ist die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, die tatsächliche Mitbenutzung sowie die bloße Berechtigung zur Nutzung im Interesse eines anderen, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.
Die Einrichtung oder Anlage muss darüber hinaus der Tätigkeit der steuerpflichtigen Person unmittelbar dienen, wenn es im Gesetz lautet „zur Ausübung des Gewerbes“, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.Das ist der Fall, wenn an dem Ort der Einrichtung oder Anlage eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit örtlicher Bindung ausgeübt wird, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638, und sich in der Bindung eine gewisse Verwurzelung des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922. Diese Voraussetzung ist im Allgemeinen nur erfüllt, wenn der Unternehmer selbst, seine Arbeitnehmer, fremdes weisungsabhängiges Personal oder Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung tätig werden, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Das kann auch in der Betriebsstätte eines Dritten erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass die steuerpflichtige Person rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlage nach den Bedürfnisse des eigenen Unternehmens zu nutzen und eigene oder überlassene Arbeitnehmer dort tätig werden, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.
Diese Voraussetzungen liegen bei der schlichten Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz indes nicht vor, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638. Daran ändern auch die mit der Überlassung des Grundstücks oder Gebäudes verbundenen Verwaltungsarbeiten nichts, selbst wenn sich die überlassende Person umfangreiche Betretungs- und Kontrollrechte vorbehalten hätte, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die nutzungsüberlassende Person eine eigenbetriebliche Tätigkeit entfalten würde, die eine gewisse Nachhaltigkeit aufweist und die über punktuell einzelfallbezogene Maßnahmen hinausgeht, BFH vom 13.06.2006 – I R 84/05, BStBl. 2007 II 94. Wird die eigenbetriebliche Tätigkeit durch vollautomatisch arbeitende Einrichtungen ausgeführt, kann ausnahmsweise eine Betriebsstätte vorliegen, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Voraussetzung darüf ist, dass der steuerpflichtigen Person das Recht eingeräumt wird, das Gebäude zu den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zu berteten und die anfallenden Wartungsarbeiten an ihren Anlagen vorzunehmen, BFH vom 25.05.2000 – III R 20/97, BStBl. 2001 II 365. Nicht ausreichend ist in diesen Fällen die reine Fernüberwachung der Anlage mittels Datenfernübertragung, BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78.
Der Entscheidungsfall betraf das sog. Unbundling, also die Trennung der Netzinfrastruktur vom eigentlichen Betrieb eines Versorgungsunternehmens zur Stärkung des Wettbewerbs. Diese Trennung vollzieht sich dergestalt, dass das frühere Einheitsunternehmen die Netzinfrastruktur an ein anderes Unternehmen verpachtet und zugleich einen Vertrag über die Nutzung der Transportkapazität des Netzes mit dem pachtenden Unternehmen abschließt. Infolge der Verpachtung verliert das Versorgungsunternehmen die notwendig Verfügungsmacht über die Infrastruktur, so dass aus dem Vorhandensein der Netzinfrastruktur keine mehrgemeintliche Betriebsstätte heraus mehr besteht. Das wäre jedoch anders zu beurteilen, wenn sich das Versorgungsunternehmen vorbehalten hätte das Netz dauerhaft mit seiner Weisungsbefugnis unterliegendem Personal zu betreiben. Eine solche Vereinbarung dürfte allerdings mitden gesetzlichen Vorgaben zur Trennung von Versorgung und Transport nicht in Einklang stehen.