§ 2 Abs. 1 S. 1, 3 GewStG: Begründung Betriebsstätte durch Beauftragung einer Dienstleistungsgesellschaft

BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, NWB TAAAJ-19594

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 21.11.2019 – 9 K 11108/17, EFG 2020, 669]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der stehenden Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Ein Gewerbebetrieb wird im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG.

Das Gewerbesteuerrecht enthält keine Definition einer Betriebsstätte, so dass auf den allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zurückgegriffen werden kann. Demnach bildet jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient eine Betriebsstätte.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage eine feste Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von gewisser Dauer ist und über die die steuerpflichtige Person nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Dabei ist von einer nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht auszugehen, wenn die steuerpflichtige Person eine Rechtsposition inne hat, die ihr nicht mehr ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend ist die tatsächliche Mitbenutzung, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84, und die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922.

Soweit die steuerpflichtigen Person rechtlich befugt ist Einrichtungen und Anlagen eines anderen Unternehmens zu nutzen und dies durch eigene Beschäftigte oder durch überlassene Beschäftigte, die der steuerpflichtigen Person gegenüber weisungsgebunden sind, oder durch Subunternehmen tatsächlich auch erfolgt, kann eine Betriebsstätte einer steuerpflichtigen Person auch innerhalb der Betriebsstätte einer anderen Person liegen, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.

Ist die steuerpflichtige Person nicht befugt die Einrichtungen und Anlage eines anderen Unternehmens zu nutzen, kann dennoch eine Betriebsstätte der steuerpflichtigen Person am Standort des anderen Unternehmens begründet werden. Das ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten sachlichen und personellen Organismus in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit operativ nachzugehen, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Eine solche eigene Tätigkeit kann angenommen werden, wenn eine Personenidentität der Leitungsorgane vorliegt, die eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht, BFH vom 08.06.2015 – I B 3/14, BSH/NV 2015, 1553.

Die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage muss des Weiteren der Tätigkeit des Unternehmens dienen. Die schlichte Überlassung der Sache selbst an eine andere Person im Rahmen der Vermietung und Verpachtung genügt dem nicht, BFH vom 10.02.1988 – VIII R 159/84, BStBl. 1988 II 653. Erforderlich ist vielmehr die Entfaltung einer eigenen Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.