§ 28 Abs. 1 GewStG, § 12 S. 1 AO:

BFH vom 07.06.2023 – I R 47/20

Nach § 28 Abs. 1 GewStG ist der Gewerbeertrag zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind.

Der Begriff der Betriebsstätte ist im Zerlegungsrecht nicht gesondert definiert, so dass auf die allgemeine Definition des § 12 AO zurückgegriffen werden kann.

Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO ist eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die die steuerpflichtige Person nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 03.02.1993 – I R 80-81/91, BStBl. 1993 II 462.

Die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht setzt voraus, dass die steuerpflichtige Person eine ihr nicht ohne weiteres entziehbare Rechtsposition inne hat („selbständiger Nutzungsanspruch“). Die Nutzungsmacht muss nicht ausschließend sein, BFH vom 18.03.2009 – III R 2/06, BFH/NV 2009, 1457. Nicht ausreichend ist eine tatsächliche Mitbenutzung, die Berechtigung zur Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922. Dabei ist die Verfügungsmacht über Spinden und Schließfächer für die Aufbewahrung persönlicher Gegenstände der am Ort tätigen Personen nicht ausreichend. Ausreichend kann jedoch ein Schließfach für die Aufbewahrung von Werkzeugen der steuerpflichtigen Person am Ort der Tätigkeit sein, BFH vom 09.01.2019 – I B 138/17, BFH/NV 2019, 681.

Die Einrichtung oder Anlage muss der Tätigkeit der steuerpflichtigen Person unmittelbar dienen, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844. Dazu muss dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt werden und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der Tätigkeit ausdrücken, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922. Das Sichaufhalten und Tätigwerden mit eigenem Werkzeug in fremden Räumlichkeiten, um die Arbeiten zu verrichten, führt nicht dazu, dass die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit der steuerpflichtigen Person unmittelbar dient.

Geschützt: § 2 Abs. 1 S. 1, 3 GewStG: Begründung Betriebsstätte durch Beauftragung einer Dienstleistungsgesellschaft

Dieser Inhalt ist passwortgeschützt. Um ihn anzuschauen, geben Sie bitte Ihr Passwort unten ein:

§ 28 GewStG: Allgemeine Erkenntnisse zum Betriebsstättenbegriff aufgrund der Entflechtung von Energieunternehmen

BFH vom 18.02.2021 – III R 8/19, DStR 2021, 8

[Vorinstanz FG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2018 – 5 K 5039/18, EFG 2020, 1327]

Zu einer Zerlegung kommt es nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG nur dann, wenn im Erhebungszeitraum in mehreren Gemeinden Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden. Das gilt nach § 28 Abs. 1 S. 2 GewStG auch dann, wenn sich die Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt (mehrgemeindliche Betriebsstätte).

Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte im zerlegungsrechtlichen Sinn setzt voraus, dass in dem Gebiet jeder betroffenen Gemeinde für sich betrachtet die Aktivität der steuerpflichtigen Person die Voraussetzung einer Betriebsstätte erfüllt, BFH vom 08.03.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735.

Da das Gewerbesteuerrecht den Begriff der Betriebsstätte selbst nicht definiert, ist auf die Begriffsdefinition des § 12 AO zurückzugreifen, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO ist eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von gewisser Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die die steuerpflichtige Person eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. 1997 II 12.

Unerheblich ist es, ob die Geschäftseinrichtungen oder Anlagen an der Erdoberfläche sichtbar sind, BFH vom 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. 1997 II 12. Damit können auch Erdleitungen Geschäftseinrichtungen oder Anlagen sein.

Eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht setzt voraus, dass der steuerpflichtigen Person eine Rechtsposition zusteht, die ihr nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend wäre jedoch, dass lediglich eine tatsächliche Mitbenutzung erfolgt bzw. möglich wäre, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Ebensowenig ausreichend wäre die Berechtigung zur Nutzung im Interesse einer anderen Person, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07; BStBl. 2008 II 922. Eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht liegt auch dann vor, wenn die steuerpflichtige Person berechtigt ist, die Einrichtung oder Anlage einer anderen Person nach den Bedürfnissen ihres Unternehmens zu nutzen.

Des Weiteren setzt der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO im Lichte des § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG voraus, dass die Einrichtung oder Anlage unmittelbar der Tätigkeit des Unternehmens dient, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782. Denn nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG wird vorausgesetzt, dass die Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden müssen. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung dort ausgeübt wird, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die steuerpflichtige Person selbst, die bei ihr beschäftigten Personen, fremdes weisungsabhängiges Personal oder Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung bzw. Anlage tätig werden, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Dem entgegen nicht ausreichend sind Eigentum oder Besitz an Immobilien, die lediglich Dritten überlassen werden, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78. Hieran ändern auch die mit der Überlassung verbundenen Verwaltungsarbeiten nichts. Das gilt selbst dann, wenn die nutzungsüberlassende Person sich das Recht zur Betretung des Grundstücks und zur Prüfung von Geschäftsvorfällen oder sogar die Kontrolle des Betriebsablaufes vorbehalten hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782. Etwas anderes kann sich jedoch dann ergeben, wenn die nutzungsüberlassende Person mit Nachhaltigkeit im oder am überlassenen Objekt tätig wird, BFH vom 13.06.2006 – I R 84/05, BStBl. 2007 II 94. Soweit Einrichtungen vollautomatisch arbeiten ist für die Annahmen einer Betriebsstätte ausreichend, dass die steuerpflichtige Person mit der Geschäftseinrichtung tätig wird, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Befinden sich die Anlagen in fremden Gebäuden, ist auch dann eine Betriebsstätte anzunehmen, wenn der steuerpflichtigen Person das Recht eingeräumt worden ist, das Gebäude zu den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zu betreten und die anfallenden Wartungsarbeiten an ihren Anlagen vorzunehmen, BFH vom 25.05.2000 – III R 20/97, BStBl. 2001 II 365 betreffend Satellitenempfangsanlagen. Nicht ausreichend ist jedoch die reine Überwachung und Steuerung der Anlage per Datenfernübertragung, BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78.

Auch (Rohr-)Leitungssysteme können diese Voraussetzungen erfüllen.

Ist eine steuerpflichtige Person an einer Mitunternehmerschaft beteiligt, werden weder ihr die Betriebsstätten der Tochtergesellschaft noch die diese begründenden Merkmale der mitunternehmerisch beteiligten Person dergestalt zugerechnet, dass die mitunternehmerisch beteiligte Person insoweit selbst eine Betriebsstätte unterhält. Ein analoge Anwendung von § 2 Abs. 4 ZerlG scheidet insoweit aus, da sich die Besteuerungssituationen im ertragsteuerlichen (Anwendungsbereich des ZerlG) und im gewerbesteuerlichen Sinne wegen § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG wesentlich unterscheiden.

§ 28 Abs. 1 GewStG: Zum Begriff der Betriebsstätte im gewerbesteuerlichen Zerlegungsrecht

BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638 [Vorinstanz: FG München vom 27.11.2018 – 6 K 2407/15, EFG 2019, 379]

An der Zerlegung nehmen die Gemeinden teil, in denen im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten worden sind.

Betriebsstätte im zerlegungsrechtlichen Sinn ist diejenige nach § 12 AO, denn das Gewerbesteuerrecht enthält keine abweichende Definition der Betriebsstätte, BFH vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BStBl. 2004 II 602.

Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO ist eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat, BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Einrichtung oder Anlage dienen der Tätigkeit des Unternehmens, wenn dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233, und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922. Sie dienen der Tätigkeit des Unternehmens aber dann nicht, wenn sie „nur“ im Eigentum oder Besitz des Unternehmens stehen. Daher begründen auch Grundstücke, die Dritten überlassen werden, keine Betriebsstätte.

Eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat der Steuerpflichtige inne, wenn sie ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend ist die tatsächliche Mitbenutzung, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84, die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922.

Unter diesen Voraussetzungen kann eine Betriebsstätte auch in einer Betriebsstätte eines Dritten begründet werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Unternehmer rechtlich befugt ist die Einrichtung oder Anlage nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn er eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder ihm überlassene, seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer oder Subunternehmer tätig werden, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233. Nicht ausreichend sind jedoch Verwaltungsarbeiten im Rahmen einer Nutzungsüberlassung, selbst wenn dem Überlassende das Recht zum Betreten des Gebäudes und zur Prüfung von Geschäftsvorfällen oder sogar eine Kontrolle des gesamten Betriebsablaufes vorbehalten ist, BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn der Nutzungsüberlassende eine eigenbetriebliche Tätigkeit entfaltet, die eine gewisse Nachhaltigkeit aufweis und die über punktuell einzelfallbezogene Maßnahmen hinausgeht, BFH vom 13.06.2006 – I R 84/05, BStBl. 2007 II 94.

Unter diesen Voraussetzungen kann der Auftraggeber einer Management- oder Betriebsführungsgesellschaft auch ohne Verfügungsmacht über deren Räumlichkeiten dort eine Betriebsstätte begründen, wenn er aufgrund des zur Verfügung gestellten sachlichen und personellen Organismus in der Lage ist, ihre unternehmerische Tätigkeit operativ nachzugehen, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209.