§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG (Aufwärtsabfärbung)

FG Münster vom 13.05.2022 – 15 K 26/20 E, F – NWB PAAAJ-18165 [IV R 18/22]

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Das Gewerbesteuerrecht enthält heute keine Definition des Gewerbebetriebes. Die früher in der GewStDV enthaltene Definition des Gewerbebetriebes wurde in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher kann für Zwecke der Gewerbesteuer auf den Gewerbebetriebsbegriff des § 15 Abs. 2 EStG zurück gegriffen werden. Neben dem originären Gewerbebetrieb nach § 15 Abs 2. EStG kennt das Einkommensteuerrecht in § 15 Abs. 3 EStG noch weitere fiktive Gewerbebetriebe. Auch insoweit knüpft das Gewerbesteuerrecht an das Einkommensteuerrecht an. Hierzu zählen die Abfärbungsvarianten, die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aufgeführt sind. Für den Fall der Seitwärtsabfärbung, also den Fall, dass innerhalb einer Personengesellschaft sowohl nicht gewerbliche wie auch originär gewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, hat die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass es nur dann zur Abfärbung kommt, wenn die gewerblichen Aktivitäten gewisse Bagatellgrenzen überschreitet. Bei der Aufwärtsabfärbung sieht der Bundesfinanzhof eine differenzierte Handhabung für angezeigt. Das Gericht wendet die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Einkommensteuer uneingeschränkt an und verneint in diesem Zusammenhang die Anwendung einer Bagatellgrenze, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BStBl. 2020 II 649.

Für Zwecke der Gewerbesteuer sieht der BFH jedoch die Notwendigkeit der Abfärbung als nicht gegeben, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BStBl. 2020 II 649.

[Hinweis: Unter dem Aktenzeichen VIII R 1/22 ist zur Zeit vorgetragen, dass der Einkünftequalifizierung im Feststellungsbescheid Bindungswirkung für die Gewerbesteuermessbetragsfeststellung zukommt.]

§ 2 Abs. 1 S. 1, 3 GewStG: Begründung Betriebsstätte durch Beauftragung einer Dienstleistungsgesellschaft

BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, NWB TAAAJ-19594

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 21.11.2019 – 9 K 11108/17, EFG 2020, 669]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der stehenden Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Ein Gewerbebetrieb wird im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG.

Das Gewerbesteuerrecht enthält keine Definition einer Betriebsstätte, so dass auf den allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zurückgegriffen werden kann. Demnach bildet jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient eine Betriebsstätte.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage eine feste Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von gewisser Dauer ist und über die die steuerpflichtige Person nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Dabei ist von einer nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht auszugehen, wenn die steuerpflichtige Person eine Rechtsposition inne hat, die ihr nicht mehr ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend ist die tatsächliche Mitbenutzung, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84, und die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922.

Soweit die steuerpflichtigen Person rechtlich befugt ist Einrichtungen und Anlagen eines anderen Unternehmens zu nutzen und dies durch eigene Beschäftigte oder durch überlassene Beschäftigte, die der steuerpflichtigen Person gegenüber weisungsgebunden sind, oder durch Subunternehmen tatsächlich auch erfolgt, kann eine Betriebsstätte einer steuerpflichtigen Person auch innerhalb der Betriebsstätte einer anderen Person liegen, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.

Ist die steuerpflichtige Person nicht befugt die Einrichtungen und Anlage eines anderen Unternehmens zu nutzen, kann dennoch eine Betriebsstätte der steuerpflichtigen Person am Standort des anderen Unternehmens begründet werden. Das ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten sachlichen und personellen Organismus in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit operativ nachzugehen, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Eine solche eigene Tätigkeit kann angenommen werden, wenn eine Personenidentität der Leitungsorgane vorliegt, die eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht, BFH vom 08.06.2015 – I B 3/14, BSH/NV 2015, 1553.

Die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage muss des Weiteren der Tätigkeit des Unternehmens dienen. Die schlichte Überlassung der Sache selbst an eine andere Person im Rahmen der Vermietung und Verpachtung genügt dem nicht, BFH vom 10.02.1988 – VIII R 159/84, BStBl. 1988 II 653. Erforderlich ist vielmehr die Entfaltung einer eigenen Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.

Geschützt: § 8 Nr. 1 lit. e GewStG: Aufwendungen für Messestandsflächen

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§ 8 Nr. 1 lit. e GewStG: Hinzurechnung von auf die mietende / pachtende Person überwälzten Grundsteuern

BFH vom 02.02.2022 – III R 65/19, BStBl. 2022 II 454

[Vorinstanz: FG Köln vom 21.02.2019 – 10 K 2174/17, EFG 2019 S. 1219]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Der Hinzurechnung unterliegen nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG Mieten und Pachten für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen.

Die Begriffe der Miete und Pacht sind nach ständiger Rechtsprechung wirtschaftlich zu verstehen, BFH vom 27.11.1975 – IV R 192/71, BStBl. 1976 II 220. Sie erfassen daher nicht nur die laufenden Zahlungen der mietenden bzw. pachtenden Person, sondern auch die von der mietenden bzw. pachtenden Person zusätzlich getragenen Aufwendungen zu den Miet- oder Pachtzinsen, die aufgrund der für den jeweiligen Vertragstyps gültigen zivilrechtlichen Vorschrift nicht von der mietenden bzw. pachtenden Person zu tragen wären. Das sind solche Kosten, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem von der vermietenden bzw. verpachtenden Person zu tragen wären, die aber nach dem im konkreten Fall abgeschlossenen Vertrag von der mietenden bzw. pachtenden Person übernommen worden sind.

Dem liegt das Verständnis zu Grunde, dass sich die Übernahmen von Kosten außerhalb des gesetzlichen Kostentragungsysstems mindernd auf die Höhe der Miete bzw. Pacht auswirkt, BFH vom 18.08.2015 – I R 43/14, BFH/NV 2016, 232.

Nach dem Lastenverteilungssystem des Zivilrechts hat die vermietende Person die auf der Mietsache ruhenden Lasten, zu denen auch die Grundsteuer gehört, zu tragen. Schuldner der Grundsteuer ist nach § 10 Abs. 1 GrStG diejenige Person, der das Grundstück bei der Feststellung des Einheitswertes zuzurechnen ist. Das ist regelmäßig die Person, der auch das Eigenum am Grundstück zusteht. Wird die Grundsteuer auf die mietende bzw. pachtende Person überwälzt, gehört auch die Grundsteuer zu der nach § 535 Abs. 2 BGB zu tragenden Miete. Sie unterliegt damit der Hinzurechnung, so bereits FG Rheinland-Pfalz vom 09.08.2013 – 1 K 2461/11, DStRE 2017, 41.

Im Ergebnis wird die mietende und pachtende Person damit höher besteuert als die Person, der das Grundstück zu eigen ist. Denn im Eigentumsfall sind die Grundsteuern als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig. Im Fall der Miete oder Pacht scheidet der Betriebsausgabenabzug für Zwecke der Gewerbebesteuerung in Höhe der Hinzurechnung aus. Diese Mehrbelastung führt jedoch zu keiner anderen Beurteilung, so schon BFH vom 14.06.2018 – III R 35/15, BStBl. 2018 II 662 und BFH vom 18.12.2019 – III R 33/17, BFH/NV 2020, 781.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Originär gewerbliche Tätigkeit; Überschreitung der Grenzen der schlichten Vermögensverwaltung

FG Berlin-Brandenburg vom 18.01.2022 – 8 K 8008/21, NWB IAAAI-57928

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist auf Antrag zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.

Der Begriff der Verwaltung und Nutzung entspricht dem ertragsteuerlichen Begriff der Vermögensverwaltung. Denn Zweck der Vorschrift ist die Herbeiführung einer rechtsformneutralen Besteuerung. Ohne die erweiterte Grundbesitzkürzung unterlägen immobilienverwaltende Unternehmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer. Die private Investition in einen Immobilienbestand unterläge dem entgegen jedoch nicht der Gewerbesteuer.

[Hinweis: Vgl. Fuest/Hey/Spengel: Vorschläge für eine Reform der Immobilienbesteuerung, Ifo Schnelldienst 12/2021, S. 31 zur Richtigkeit der These von der Vermeidung der Doppelbesteuerung]

Keine Vermögensverwaltung im ertragsteuerlichen Sinne liegt vor, wenn im Einzelfall gewerblicher Grundstückshandel vorliegt. Dieser zeichnet sich durch die Nachhaltigkeit der Tätigkeit aus, die durch Wiederholungsabsicht gekennzeichnet ist. Das ist zuerst einmal der Fall, wenn ein einzelnes Objekt in der Absicht der gewinnbringenden Weiterveräußerung erworben oder bebaut wird, BFH vom 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. 2002 II 291. Zudem hat die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren als gewichtiges Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände kann die Gewerblichkeit ausgeschlossen sein. Bei einer Veräußerung von mehr als fünf Objekten innerhalb von drei Jahren ließe sich die Wiederholungsabsicht auch nicht widerlegen. Es sei dann unerheblich, ob Gründe wie die langfristige Finanzierung oder der Erwerb mit langjähriger Halteperspektive gegen eine Wiederholungsabsicht sprechen würden.

Nach Ansicht des Gerichts ist bei der Prüfung der Wiederholungsabsicht nicht auf die steuerpflichtige Person, sondern auf den Willen der geschäftsführenden Personen abzustellen. Dieser Wille der geschäftsführenden Personen ist – anders als die Haftung aber auch die Gewinnchancen – nicht abzuschirmen. Denn die Investitionsentscheidung trifft in diesem Fall nicht der Geschäftsführer der steuerpflichtigen Person, sondern die Geschäftsführung der Obergesellschaft. Die Objektgesellschaft führt nur noch den Willen der Obergesellschaft aus.

Ist eine Person also innerhalb einer Immobiliengruppe bei mehreren Objektgesellschaften geschäftsführend tätig (Personenidentität), spricht das Vorliegen der Wiederholungsabsicht bei einer Objektgesellschaft auch für eine Wiederholungsabsicht bei anderen Gesellschaften bei denen die Person geschäftsführend tätig ist.

Neben der Frage, ob der Anwendungsbereich der erweiterten Grundbesitzkürzung schon gar nicht eröffnet ist, weil die steuerpflichtige Person eine originär gewerbliche Tätigkeit in Form des gewerblichen Grundbesitzes ausübt, kann die erweiterte Grundbesitzkürzung auch deswegen ausgeschlossen sein, weil sich die konkrete Tätigkeit der steuerpflichtigen Person als Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsprinzip zeigt, BFH vom 05.03.2008 – I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359.

Die erweiterte Grundbesitzkürzung setzt nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG voraus, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Dabei ist unter verwalten und nutzen eine vermögensverwaltende Tätigkeit im ertragsteuerlichen Sinn zu verstehen. Eine solche wird jedenfalls dann nicht ausgeübt, wenn die steuerpflichtige Person eine Tätigkeit ausübt, die nicht mehr vermögensverwaltend ist. Von einer privaten Vermögensverwaltung ist dabei nicht mehr auszugehen, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.

§ 8 Nr. 1 lit. a: Zinszahlungen an außenstehende Aktionäre nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG auf gezahlte Barabfindungen

FG Münster vom 15.12.2021 – 13 K 1136/18 G, EFG 2022, 416

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften und für gewerbesteuerliche Zwecke modifizierten Gewinn, der um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und um Kürzungen nach § 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert ist.

§ 8 Nr. 1 GewStG werden bestimmte Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Zinsen für den Zeitraum von der Wirksamkeit eines Ergebnisabführungsvertrages bis zur Ausübung des Optionsrechtes durch außenstehende Aktionäre unterliegen dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 9 EStG, das nach § 7 S. 1 GewStG auch für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrages anwendbar ist. Eine Hinzurechnung dieser Zinsen scheidet mithin aus. Insoweit geht das Gericht von einem weiten Verständnis des Begriffs Ausgleichszahlung in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 9 EStG aus. Es stützt sich dabei auf die zivilrechtliche Rechtslage, die eine Anrechnung des erhaltenen Ausgleichs nach § 304 AktG auf die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG vorsieht, BGH vom 16.09.2002 – II ZR 284/01, BGHZ 152, 29.

Nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG erfolgt die Hinzurechnung für die Entgelte für Schulden.

Soweit Zinsen auf den Zeitraum nach der Ausübung des Optionsrechtes bis zur Zahlung der Abfindungserhöhungsbeträge entfallen, sind diese vom Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 9 EStG nicht erfasst. Sie mindern als Betriebsausgaben den Gewinn und sind einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG zugänglich. Denn insoweit liegt nach den o.g. Grundsätzen keine Ausgleichszahlung im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 9 EStG vor. Mit der Rückgabe der Aktien entfällt der Anspruch nach § 304 AktG, BGH vom 02.03.2003 – II ZR 85/02, DStR 2003, 2166. Ab diesem Zeitpunkt liegt eine Fremdkapitalüberlassung und mithin liegen Fremdkapitalzinsen vor.

Voraussetzung für die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG ist des Weiteren, dass Schulden vorliegen. Schulden im Sinne der Regelung sind Belastungen des Vermögens, die als betrieblich veranlasste Verpflichtungen einem Dritten gegenüber rechtliche entstanden und wirtschaftlich verursacht sind, BFH vom 11.10.2018 – III R 37/17, BStBl. 2019 II 275. Diese Voraussetzungen sind auch im Falle von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten erfüllt, soweit diese entgeltsähnlichen Aufwand abbilden, BFH vom 11.04.1984 – I R 56/80, BStBl. 1984 II 598. [Anmerkung: Das noch für den Fall der Rekultivierungsrückstellung angeführte Argumente, dass diese den laufenden Geschäftsbetrieb betreffen würden und mithin die Voraussetzungen der Dauerschulden im Sinne der früheren Fassung des § 8 Nr. 1 GewStG nicht erfüllt sind, BFH vom 08.09.1976 – I R 186/74, BStBl. 1977 II 9, ist auf die heutige Gesetzesfassung nicht übertragbar.]

§ 8 Nr. 1 lit. f GewStG: Hinzurechnungspflicht der Entgelte für die Überlassung von Adressdaten

FG Niedersachsen vom 09.12.2021 – 10 K 10124/18, JAAAI-05631

Nach § 8 Nr. 1 lit. f GewStG unterliegt ein Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten der Hinzurechnung.

Rechte im Sinne der Regelung sind Immaterialgüterrechte, also subjektive Rechte an unkörperlichen Gütern mit selbständigem Vermögenswert, die eine Nutzungsbefugnis enthalten und an denen eine geschützte Rechtsposition, ein Abwehrrecht – besteht, BFH vom 31.01.2012 – I R 105/10, BFH/NV 2012, 996.

Eine geschützte Rechtsposition ist nicht nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zwischen den Vertragsparteien, sondern ein absolutes Abwehrrecht. Besteht diese Abwehrrecht nicht, liegt eine ungeschützte Rechtsposition vor. Damit ist der Begriff des Rechts im § 8 Nr. 1 lit. f GewStG enger als derjenige des immateriellen Wirtschaftsgutes im Sinne des § 5 Abs. 2 EStG.

Aufwendungen betreffend einer ungeschützten Rechtsposition unterliegen aufgrund des ausdrücklichen Wortlautes der Norm nicht der Hinzurechnung, BFH vom 12.01.2017 – IV R 55/11, BStBl. 2017 II 725.

Ob eine geschützte Rechtsposition entsprechender Abwehrbefugnis vorliegt, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Insoweit kommt dem Urheberrecht besondere Bedeutung zu.

Nach § 4 Abs. 1 UrhG sind Sammelwerke entsprechend geschützt. Datenbankwerke sind nach § 4 Abs. 2 S. 1 UrhG Unterfälle der Sammelwerke.

Voraussetzung für den Schutz ist jedoch, dass Auswahl und Anordnung der Elemente der Sammlung auf eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG zurückgeht. Auswahl ist der Vorgang des Sammelns und Aufnehmens, des Sichtens, Bewertens und Zusammenstellens von Elementen zu einem bestimmten Thema im Hinblick auf bestimmte Auswahlkriterien. Unter Anordnung versteht das Urheberrecht die Einteilung, Präsentation und Zugänglichmachung der ausgewählten Elemente nach einem oder mehreren Ordnungssystemen. An der persönlichen geistigen Schöpfung fehlt es jedoch, wenn alle erreichbaren Datensätze unsystematisch in der Weise erfasst werden, dass zuerst einmal sämtliche Daten erfasst werden.

Soweit eine Datenbank nach § 87a UrhG geschützt ist, handelt es sich um den Schutz der Datenbank in ihrer Gesamtheit. Nicht geschützt ist jedoch der Inhalt der Datenbank. Dem entsprechend unterliegt die Überlassung des Inhaltes zur Nutzung nicht der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. f GewStG.

§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG: (keine) Hinzurechnung von Bauzeitzinsen bei unterjährigem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen

FG Köln vom 25.11.2021 – 13 K 703/17, NWB WAAAI-04539

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften und für gewerbesteuerliche Zwecke modifizierten Gewinns, der um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und um Kürzungen nach § 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert ist.

Der Hinzurechnung unterliegen bestimmte Beträge, die bei der Ermittlung des Gewinns abgezogen wurden. Nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG unterliegen Entgelte für Schulden der Hinzurechnung.

Wurden Entgelte für Schulden nach § 255 Abs. 3 S. 2 HGB als Herstellungskosten von Vermögensgegenständen behandelt, fehlt es an einer Minderung des Gewinns, wie es § 8 Nr. 1 GewStG einleitend voraussetzt.

Nach der Rechtsprechung des BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFH/NV 2021, 122 reicht es aus, wenn die entsprechenden Kosten als Herstellungskosten aktiviert worden wären, hätte sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden.

[Hinweis: Gegenstand der zitierten Entscheidung waren Mieten und Pachten.

Da Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB die Fertigungseinzel- und der angemessene Teil der Fertigungsgemeinkosten sind wären die fertigungsbezogenen Mieten und Pachten von Anfang an als Herstellungskosten zu behandeln gewesen. Eine ausstehende Umgliederung hätte es nach diesem Verständnis nicht geben können.

Dem folgend ist der BFH in der zitierten Entscheidung auch der Ansicht der Finanzverwaltung in den gleichlautenden Ländererlassen vom 02.07.2012 nicht gefolgt, da diese eine Hinzurechnung nur dann ausschließen, wenn am Bilanzstichtag eine Aktivierung erfolgt.

Anders verhält es sich mit Zinsen. Diese gehören abweichend von § 255 Abs. 2 HGB nach § 255 Abs. 3 S. 1 HGB nicht zu den Herstellungskosten.

Allerdings dürfen (Wahlrecht) Zinsen nach § 255 Abs. 3 S. 2 HGB angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (Bauzeitzinsen).

Da der die Regelung des § 255 HGB im Unterabschnitt Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss des HGB platziert ist, handelt es sich um ein Wahlrecht, dessen Ausübung auf einen Bilanzstichtag zu erfolgen hat. Eine unterjährige Ausübung des Wahlrechtes ist nicht vorgesehen. Eine Aktivierung von Bauzeitzinsen für unterjährig ausgeschiedenen Vermögensgegenstände sieht das Handelsrecht also nicht vor. Das gilt selbst dann, wenn im vorangegangenen Jahresabschluss bereits das Wahlrecht zu Gunsten der Aktivierung ausgeübt wurde.]

§ 8 Nr. 1 lit. e GewStG: Hinzurechnung der Entgelte für die Überlassung von Standflächen für mobile Verkaufsstände

Sächsisches FG vom 16.11.2021 – 1 K 854/21, NWB PAAAI -61072

Im Rahmen der Gewerbeertragsermittlung sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, der Ausgangspunkt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbebesteuerung ist, nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG die Beträge der Mieten und Pachten für die Überlassung unbeweglicher Wirtschaftsgüter wieder hinzuzurechnen, die zuvor den Gewinn gemindert haben.

Der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG unterliegen Miet- und Pachtzinsen. Ob Miet- oder Pachtzinsen vorliegen richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, also nach §§ 535 BGB bzw. §§ 581 BGB.

Bei Verträgen, die sowohl miet- oder pachtrechtliche Hauptpflichten auf der einen und sonstige Hauptpflichten auf der anderen Seite enthalten, sind diese gesondert voneinander zu beurteilen, vorausgesetzt sie sind trennbar. Bei untrennbar miteinander verbundenen Leistungen bestimmt sich der Typus des Vertrages nach dem Schwerpunkt der Leistung. Ein Mietvertrag über ein unbewegliches Wirtschaftsgut liegt damit vor, wenn der Schwerpunkt der Leistung in der Flächenüberlassung liegt, so auch BFH vom 24.01.2008 – V R 12/05, BStBl. 2009 II 60 zur umsatzsteuerlichen Beurteilung.

Bei der Überlassung von Standplätzen anlässlich von Märkten, bei Festivals und ähnlichen Veranstaltungen für die Aufstellung von mobilen Verkaufswagen ist das der Fall.

[Hinweis: Besteht der Schwerpunkt der Leistung tatsächlich in der Überlassung einer Fläche oder vielmehr in der Zusammenführung von Marktteilnehmern auf einer bestimmten Fläche?]

Die gemietete Fläche muss ferner dem Anlagevermögen zuzuordnen sein. Nach § 247 Abs. 2 HGB ist das der Fall, wenn Wirtschaftsgüter auf Dauer dem Betrieb dienen. Das ist der Fall, wenn sie dauernd zum Gebrauch im Betrieb und nicht zum Verbrauch oder Verkauf bestimmt sind.

In diesem Zusammenhang wird das Eigentum der steuerpflichtigen Person voraussetzungslos fingiert. Denn die Hinzurechnung dient der Ermittlung des objektivierten Gewerbeertrags. Diesem liegt der Gedanke der Finanzierungsneutralität zu Grunde. Unerheblich ist daher, ob überhaupt die Möglichkeit des Eigentumserwerbs besteht. Insoweit ist es ebenfalls unerheblich, ob das Halten oder die spätere Veräußerung der Immobilie rentabel ist, BFH vom 08.12.2016 – IV R 24/14, BFHE 256, 526.

Ob Anlagevermögen vorliegt, beurteilt sich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes im Betrieb, die vom subjektivem Willen der steuerpflichtigen Person abhängig und sich anhand objektiver Merkmale nachvollziehen lassen muss (Art des Wirtschaftsgutes, Art und Dauer der Verwendung im Betrieb sowie der Bilanzierung). Im Ergebnis muss das Wirtschaftsgut seiner Art nach Anlagevermögen sein. Das ist der Fall, wenn das Wirtschaftsgut dazu gewidmet ist, auf Dauer im Gewerbebetrieb genutzt zu werden. Die Verwendung als Produktionsmittel spricht für eine Zuordnung zum Anlagevermögen. Andererseits würde die Verwendung als zu veräußerndes Produkt die Zuordnung zum Umlaufvermögen nahe legen, BFH vom 12.11.2020 – III R 38/17, BFHE 272,65. In diesem Zusammenhang ist der Geschäftsgegenstand des Unternehmens zu berücksichtigen. Ebenfalls sind die betrieblichen Verhältnisse des Unternehmens zu berücksichtigen.

Nicht ausschlaggebend ist im konkreteten Fall der Stellplätze auf Märkten, ob ein Unternehmen des Reisegewerbes vorliegt. Denn auch dieses könnte auf eigenen Flächen betrieben werden.

Der Zuordnung des Wirtschaftsgutes zum Anlagevermögen steht nicht entgegen, dass dieses nur für kurze Zeit angemietet wird. Maßgeblich ist nicht die tatsächliche Zeitdauer des Verbleibs des Wirtschaftsgutes im Betriebsvermögens, sondern ob derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch im Betrieb benötigt werden, BFH vom 12.11.2020 – III R 38/17, BFHE 272, 65. Das ist nicht der Fall, wenn sie nur im Zusammenhang mit einem konkreten Produkt und daher nur flüchtig benötigt werden und daher nicht zum auf Dauer dem Betrieb gewidmeten Betriebskapital gehören, BFH vom 12.11.2020 – III R 38/17, BFHE 272, 65.

Dem Anlagevermögen nicht zugeordnet werden können Nebenleistungen, über die im Rahmen der Nebenkostenabrechnung abgerechnet wird.