FG Düsseldorf vom 18.08.2023 – 3 K 2043/19 G
Der Gewerbesteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 GewStG Unternehmen, die originäre gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG erzielen, Unternehmen, die nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung ihrer Tätigkeit (Infektion nicht gewerblicher Tätigkeiten durch gewerbliche Tätigkeit) insgesamt gewerbliche Einkünften erzielen sowie Unternehmen, die nach Abs. 3 Nr. 2 gewerblich Einkünfte aufgrund der rechtliche Ausgestaltung ihrer Tätigkeit (gewerbliche Prägung) fiktiv gewerbliche Einkünfte erzielen. Darüber hinaus unterliegen Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 GewStG der Gewerbesteuer.
Diese Regelungen zur Steuerpflicht haben überschießende Tendenz. Das Gesetz sieht daher in § 3 GewStG unterschiedliche Befreiungstatbestände vor. Ein Grund für die Befreiung von der Gewerbesteuer ist die Entlastung der Sozialversicherungsträger, BFH vom 22.10.2003 – I R 65/02, BStBl. 2004 II 300.
Nach § 3 Nr. 20 GewStG sind unter weiteren Voraussetzungen Krankenhäuser und Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime sowie Rehabilitationseinrichtungen von der Gewerbesteuer befreit. Die Befreiungsnorm erstreckte sich anfänglich (BGBl. 1976 I 3341) nur auf Krankenhäuser, Altenwohnheime und Altenpflegeheime. In der Folge wurde die Vorschrift auf Pflegeheime erstreckt (BGBl. 1979 I 1953). Später wurden auch Kurzzeitpflegeeinrichtungen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen in den Anwendungsbereich der Norm aufgenommen (BGBl. 1993 I 2310). Ambulante Rehabilitationseinrichtungen wurden erst mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2015 in den gesetzlichen Anwendungsbereich aufgenommen (BGBl. 2014 I 1266) und mit Einrichtungen zur stationären Pflege in § 3 Nr. 20 lit. e GewStG gleichgestellt.
Der Begriff der Einrichtung ist im Gewerbesteuerrecht nicht definiert. Er wird jedoch im Rahmen der gewerbesteuerlichen Befreiungstatbestände mehrfach verwendet. Da die Begrifflichkeit im Steuerrecht im Übrigen unbekannt ist, grenzt sie sich vom steuerlichen Gewerbebetrieb und andere steuerlichen Begriffen ab. Im konkreten Fall des § 3 Nr. 20 GewStG bezieht sich der Begriff auf sozialversicherungsrechtliche Regelungen. So kennt das Sozialversicherungsrecht bspw. in § 40 Abs. 1 und Abs. 2 SBG V Einrichtungen der gesetzlichen Krankenversicherung und auch Einrichtungen, die Leistung der medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 27 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII (gesetzliche Unfallversicherung) erbringen. Diese Einrichtungen unterliegen der Anerkennung durch den Unfallversicherungsträger, § 26 Abs. 5 S. 1 SGB VII, die nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Nur die so anerkannten Einrichtungen sind Rehabilitationseinrichtungen im Sinne des Befreiungstatbestandes.
Der Begriff der Einrichtung ist sozialversicherungsrechtlich im Übrigen weit auszuleben und knüpft nicht an eine bestimmte Rechtsform an. Die weite Auslegung erlaubt zudem, dass ein Teil einer rechtlichen Einheit Einrichtung in diesem Sinne ist. Das gilt auch im Rahmen des Gewerbesteuerrechts.
Darüber hinaus ist der Befreiungstatbestand tätigkeitsbezogen ausgestaltet, da nach § 3 Nr. 20 S. 2 GewStG die Befreiung nach S. 1 nur soweit anzuwenden ist, wie die Einrichtung Leistungen im Rahmen der verordneten ambulanten oder stationären Rehabilitation erbringt. Die erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP) verfügt über einen ausreichenden Bezug zur Rehabilitation, denn auch wenn es sich bei ihr um eine nachakute intensivierte Therapieform handelt, ist sie auf Rehabilitation gerichtet. Sie ist daher der dem Bereich der medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 27 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII zugeordnet.
Andere medizinische Leistungen außerhalb der Rehabilitation, wie zum Beispiel ärztlich verordnete Heilmittelleistungen nach § 32 SGB V oder Leistungen zur primären Prävention nach § 20 SGB V werden, auch wenn die Kosten vom Sozialversicherungsträger getragen werden, noch der Gesetzesbegründung, BT-DrS 18/1529, von der Zielrichtung der Steuerbefreiung nicht erfasst, BFH vom 22.06.2011 – I R 43/10, BStBl. 2011 II 892.
Da der Gesetzgeber mit der Regelung das Ziel verfolgt, die Sozialversicherungsträger von durch die Besteuerung mit Gewerbesteuer entstehenden Kosten zu entlasten, bedarf es der Befreiung jedoch nur, wenn die Gewerbesteuer auch zu einer gewissen Belastung führt. Diese ist nach Ansicht des Gesetzgebers gegeben, wenn in mindestens 40 Prozent der Fälle die Behandlungskosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Dabei ist jedoch nur auf die Rehabilitationsfälle abzustellen. Bei der Berechnung unberücksichtigt bleiben die Fälle der allgemeinen Physiotherapie, für die der Anwendungsbereich der Norm bereits nicht eröffnet ist. Im Übrigen ist das Ziel des Gesetzgebers auf die Entlastung der Träger der gesetzlichen Sozialversicherung und Beihilfe gerichtet und nicht auf die Träger privater Versicherungen.