§ 8 Nr. 1 lit. d GewStG: Hinzurechnung der Herstellungskosten bei unterjährig ausgeschiedenen Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens

BFH vom 20.05.2021 – IV R 31/18

[Vorinstanz: FG Münster vom 19.07.2018 – 4 K 493/17 G]

Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG setzt voraus, dass die Beträge bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 7 GewStG abgesetzt worden sind.

Eine Gewinnminderung dieser Art ist nicht anzunehmen, soweit Mietzinsen in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern einbezogen worden sind.

Die Gewinnminderung, die sich aus der Abschreibung eines Wirtschaftsgutes ergibt, stellt keine Gewinnminderung im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG dar, so schon BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFHE 269, 342 in Folge der früheren Rechtsprechung zur Nichthinzurechnung der kalkulatorisch in der Abschreibung enthaltenden Finanzierungsaufwendungen.

Das gilt sowohl für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wie auch für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, so bereits BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFHE 269, 342.

Das gilt selbst dann, wenn keine Aktivierung des Wirtschaftsgutes erfolgt, BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFHE 269, 342.

Maßgeblich ist allein die Qualifikation der Kosten und nicht deren Speicherung in der Bilanz.

[Anm.: Nach der Rechtsprechung des Großen Senates sind für Zwecke der Besteuerung die Definitionen der Anschaffungs- und Herstellungskosten aus § 255 HGB heranzuziehen. Herstellungskosten sind hiernach die Fertigungseinzelkosten, die Materialeinzelkosten sowie der angemessene Teil der Materialgemeinkosten sowie weiterer Gemeinkosten. Es liegen bereits anfänglich insoweit Herstellungskosten vor.]

Da zwischen den Parteien unstreitig war, dass die Mieten für die Nutzung von Gegenständen geleistet wurden, die dem Anlagevermögen zuzuordnen wären, stünden sie im Eigentum des Mieters, bedurfte es keiner weiteren Präzisierung des Begriff des Anlagevermögens im Sinne des § 8 Nr. 1 lit. d GewStG. Vorliegend wurden die angemieteten Gegenstände als Produktionsmittel eingesetzt.

§ 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG: Betriebsaufspaltung – Beherrschungsidentität – Treuhand

BFH vom 20.05.2021 – IV R 31/19, FR 2022, 1074

Der Gewerbesteuer unterliegt der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser bemisst sich nach § 7 S. 1 GewStG nach dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften bestimmten Gewinn, der entsprechend dem Charakter des Gewerbesteuerrechts zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und Kürzungen nach § 9 GewStG zu mehren und zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil des Gewerbeertrages zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt.

Voraussetzung für die Anwendung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist entsprechend dem Zweck der Vorschrift, Gesellschaften, die strukturell Einkünfte aus Vermögensverwaltung erzielen, die jedoch aufgrund der gewählten Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögensverwaltenden Gesellschaft gleich zu stellen und von der Gewerbesteuer zu entlasten.

Diese Entlastung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit der steuerpflichtigen Person die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Das ist u.a. dann der Fall, wenn einem grundbesitzenden Unternehmen im Rahmen der Merkmalszurechnung der Betriebsaufspaltung die Merkmale der gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen sind.

Eine Betriebsaufspaltung setzt die sachliche und personelle Verflechtung voraus. In diesem Fall ist der Zweck der Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet.

Die sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn funktional wesentliche Grundlagen durch das Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen überlassen werden.

Die personelle Verflechtung liegt vor, wenn die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser ist gegeben, wenn die Person oder die Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Das Betriebsunternehmen kann daher die Nutzungsüberlassung nicht gegen den Willen des Besitzunternehmens beenden oder die inhaltliche Ausgestaltung der Besitzüberlassung verändern.

Diese Voraussetzung ist auch bei einer lediglich mittelbaren Beteiligung einer oder mehrerer Personen über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft an einem Betriebsunternehmen gegeben, BFH vom 14.08.1974 – I R 136/70, BStBl. 1975 II 112. Voraussetzung ist allein das Vorhandensein der ausreichenden Mehrheit der Stimmrechte, die eine Einflussnahme auch über zwischengeschaltete Gesellschaft möglich macht.

Neben der Beteiligung am Betriebsunternehmen bedarf es auch der Beteiligung an dem Besitzunternehmen. Wird dieses in der Rechtsform einen Personengesellschaft betrieben, ist auch dort die Mehrheit der Stimmrechte für eine Annahme einer Beherrschung von Bedeutung. Dabei sind Stimmrechte aus Anteilen, die die Person oder die Personengruppe treuhänderisch für andere hält und die vertraglichen Treuepflichten unterliegen, nicht einzubeziehen, BFH vom 17.03.1987 – VIII R 136/84, BStBl. 1987 II 858.

§ 29 Abs. 1 S. 2 GewSt i.d.F. des FoStoG

Einführung der Zerlegung nach dem Verhältnis der installierten Leistung für Betriebe die ausschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom und anderer Energieträger aus Windenergie und solarer Strahlungsenergie betreiben.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG – erweiterte Kürzung in der Fassung des FoStoG

Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 22.04.2021 grundlegende Neuregelungen zur erweiterten Kürzung beschlossen.

1. Lieferung von Strom und Betrieb von Ladestationen

Erweiterung des Kataloges unschädlicher Nebentätigkeiten um Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeugen und Elektrofahrrädern.

2. Einführung einer allgemeinen Bagatellgrenze

3. Anwendungszeitraum ab dem Erhebungszeitraum 2021

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG – erweiterte Grundbesitzkürzung: unschädliche Nebentätigkeiten – hier Wohnungsbauten betreuen – restriktive Auslegung

BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624

[Vorinstanz: FG Niedersachen vom 19.09.2018 – 10 K 174/16, EFG 2019, 63]

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist auf Antrag zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.

Das Gesetz erlaubt in engen Bahnen die Ausübung von Nebentätigkeiten, indem § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG lautet „oder daneben“. Eine solche erlaubte Nebentätigkeit ist die Betreuung von Wohnungsbauten.

Im Streitfall verwaltet und nutzte die steuerpflichtige Person eine Vielzahl von Wohnungen, gewerblichen oder sonstig genutzten Einheiten sowie Garagen und Stellplätzen, die allesamt in ihrem Eigentum standen. Beginnend mit dem Streitjahr übernahm die steuerpflichtige Person auch die Betreuung von Immobilien, die nicht in ihrem Eigentum standen für Dritte. Ein Teil der Objekte, deren Betreuung übernommen wurde, wurde zu dieser Zeit für gewerbliche Zwecke genutzt. Der Flächenanteil der gewerblich genutzten Einheiten, die nicht im Eigentum der steuerpflichtigen Person standen, war, bezogen auf die insgesamt übernommen Flächen, verschwindend gering. Bezogen auf die einzelnen Objekte betrug der Flächenanteil zwischen 2 % und 20 %.

Das Finanzamt lehnte die Gewährung der erweiterten Kürzung unter Hinweis darauf, dass nur die Betreuung von Wohnungsbauten unschädliche Nebentätigkeit sei, ab. Dem folgte auch das FG Niedersachsen in seinem Urteil vom 19.09.2018 – 10 K 174/16, EFG 2019, 63.

Diese Rechtsauffassung bestätigte nun der BFH in seiner Entscheidung vom 15.04.2021.

In der Sache stellte der BFH klar, dass der Begriff der Betreuung von Wohnungsbauten sich nicht auf die Errichtung solcher, sondern auf die Betreuung bereits fertig gestellter Gebäude bezieht, so bereits BFH vom 17.09.2003 – I B 8/02, BStBl. 2004 II 243.

Hinsichtlich der eigentlichen Streitfrage, ob auch gemischt genutzte Gebäude Gegenstand der unschädlichen Nebentätigkeit sein können, führt der BFH aus, dass eine solche Auslegung mit dem Begriff der Wohnungsbauten nicht vereinbar ist (Wortlautgrenze). Des Weiteren spreche auch der Umstand, dass § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG explizit den Fall gemischt genutzter Grundstücke aufgreife dafür, dass dem Gesetzgeber bei der Gesetzesformulierung die Existenz gemischt genutzter Grundstücke bekannt und bewusst gegen eine extensive Auslegung der Norm (systematische Auslegung). Dieser Befund wird auch durch die historische Auslegung bestätigt. Denn mit Gesetz vom 18.07.1958, BGBl. 1958 I 473 wurde zur Förderung der Errichtung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen die Errichtung und Veräußerung entsprechender Objekte als unschädliche Nebentätigkeit ins Gesetz aufgenommen und mit Gesetz vom 13.07.1961, BGBl. 1961 I 981 um die hier streitgegenständliche Betreuung von Wohnungsbauten erweiterte. Dabei war der Fokus des Gesetzgebers auf die Schaffung von Wohnraum gerichtet. Die Schaffung von nicht zu Wohnzwecken genutzten Flächen stand nicht im Fokus des Gesetzgebers. Auch fand der BFH keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Schaffung nicht zu Wohnzwecken genutzten Flächen als Nebentätigkeit der Nebentätigkeit zu tolerieren bereit war. Dieser Befund verstärkt sich noch dahingehend, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG explizit von Teileigentumsflächen, als Flächen, die nicht Wohnzwecken dienen, spricht. Zudem verweist die Gesetzesbegründung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG ausdrücklich darauf, dass nach S. 2 nicht zu Wohnzwecken genutzte Flächen nicht erfasst sind. Damit sei der Weg zu einer analogen Anwendung der Regelung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG versperrt.

Damit tritt der BFH vielfachen anders lautenden Stimmen in der Literatur entgegen.

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: Abfärbung bei mitunternehmerschaftlichen Beteiligung einer Mitunternehmerschaft, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt

FG Hamburg vom 25.02.2021 – 3 K 139/20, NWB MAAAH-78693 [NZB Verw.]

Objekt der Gewerbesteuer ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der Gewerbebetrieb. Eine Definition des Gewerbebetriebes enthält das Gewerbesteuerrecht nicht (mehr). Die frühere Definition der GewStDV wurde in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher knüpft das Gewerbesteuerrecht hinsichtlich der Definition des Gewerbebetriebes an das Einkommensteuerrecht an, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG. Hiernach ist aber nicht nur der in § 15 Abs. 2 EStG definierte Betrieb ein Gewerbebetrieb. Die Regelung des § 15 Abs. 3 EStG fingiert zudem in Nr. 1 den Gewerbebetrieb kraft Abfärbung sowie in Nr. 2 den Gewerbebetrieb kraft Prägung. Gewerbebetrieb kraft Abfärbung kann zum einen bei einer Mitunternehmerschaft vorliegen, die neben einer anderen auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt (Seitwärtsabfärbung). Zum anderen liegt ein Gewerbebetrieb kraft Abfärbung auch dann vor, wenn sich eine nicht gewerblich tätige Mitunternehmerschaft an einer anderen Mitunternehmerschaft beteiligt, die selbst gewerbliche Einkünfte erzielt (Aufwärtsabfärbung). Diese Regelungen dienen zum einen der Vereinfachung der Besteuerung und zum anderen dem Schutz des Steueraufkommens.

Aufgrund der gravierenden Rechtsfolge, die sich aus der Fiktion gewerblicher Einkünfte ergibt, hat die Rechtsprechung zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 1 Var. EStG herausgearbeitet, dass eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes voraussetzt, ohne dass bis zu 3 % der Einnahmen der Mitunternehmerschaft aus gewerblicher Tätigkeit (relative Grenze) stammen können, dass die Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG ausgelöst wird. Zur Vermeidung übermäßger Vorteile für große Personengesellschaften dürfen die Einnahmen EUR 24.500 jedoch nicht übersteigen (absolute Grenze).

Hinsichtlich der Regelungen zur Aufwärtsabfärbung erkennt die Rechtsprechung des BFH diese für Zwecke der Einkommensteuer als verfassungskonform an, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994. Daher sind im Feststellungsverfahren insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb festzustellen.

Für Zwecke der Gewerbesteuer ist jedoch zu beachten, dass die Mitunternehmerschaft, die die Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG auslöst, selbst nach § 5 Abs. 1 GewStG Steuerschnuldnerin ist. Zudem ist zu beachten, dass Verluste dieser Mitunternehmerschaft für Zwecke der Gewerbebesteuerung auf Ebene der mitunternehmerisch beteiligten Person nach § 8 Nr. 8 GewStG wieder hinzugerechnet werden und Gewinne nach § 9 Nr. 2 GewStG gekürzt werden, was im Ergebnis eine doppelte Berücksichtigung des Gewerbeertrages der Mitunternehmerschaft vermeidet. § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG kann also auf Ebene der Gewerbesteuer nicht die Funktion des Schutzes des Gewerbesteueraufkommens haben. Zudem führt eine Aufwärtsabfärbung nicht zu einer Vereinfachung der Besteuerung.

Daher hatte der BFH bereits für den Fall der Aufwärtsabfärbung bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft für Zwecke der Gewerbesteuer entschieden, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG verfassungskonform einzuschränken sei und es nicht zu einer Aufwärtsabfärbung kommt, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung handelt es sich jedoch nur um ein orbiter dictum, gleichlautende Ländererlasse vom 01.10.2020, BStBl. 2020 I 1032.

Dem tritt nun das FG Hamburg für den Fall einer Mitunternehmerschaft mit Einkünften aus selbständiger Arbeit und einer mitunternehmerischen Beteiligung, aus der sie gewerbliche Einkünfte bezieht, entgegen und führt zum einen aus, dass die Entscheidung des BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994 materiell-rechtlich zutreffend ist. Zudem nimmt das Finanzgericht Hamburg in einem sog. obiter dictum Stellung zur verfahrensrechtlichen Einordnung der Ausführungen des IV. Senates und stellt heraus, dass es sich entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht um ein obiter dictum, sondern um tragende Entscheidungsgründe handelt. Denn diese Erwägungen können im Entscheidungsfall des Bundesfinanzhofes nicht hinweggedacht werden, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele.

In der Folge dieser Erwägungen kommt das Finanzgericht Hamburg daher zu der Erkenntnis, dass es auch im Fall der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit durch eine Mitunternehmerschaft für Zwecke der Gewerbesteuer aufgrund einer verfasungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG nicht zu einer Aufwärtsabfärbung kommt.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 S. 1 EStG – sachliche Steuerpflicht – Pokerspieler

BFH vom 25.02.2021 – III R 67/18, BFH/NV 2021/1070

[Vorinstanz FG Münster vom 12.10.2018 – 14 K 799/11 E, G, EFG 2018, 2019].

Die Tätigkeit eines Berufspokerspielers kann ertragsteuerlich zu Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG führen. Denn der Erfolg beim Pokerspiel beruht auf Glück und Geschick, BFH vom 16.09.2015 – X R 43/12, BStBl. 2016 II 48, und zeigt sich daher als Betätigung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.

Darin unterscheidet sich das Pokerspiel von reinen Glücksspielen, wie Rennwetten, RFH vom 30.06.1927 – VI A 261/27, RFHE 21, 244, Lotteriespielen, RFH vom 14.03.1928 – VI A 783, 27, RStBl. 1928, 181 und auch von Black Jack, BFH vom 07.11.2018 – X R 34/16, BFH/NV 2019, 686.

Für die Beurteilung der Gewerblichkeit der Spielaktivität ist es unerheblich, ob die spielende Person Gewinne aus ausgelobten Platzierungsprämien oder aus dem Verlust der mitspielenden Personen generiert. Es ist mithin unerheblich, ob die spielende Person an Turnieren teilnimmt oder ein Casino besucht.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im zweiten Rechtszug die Frage zu klären ist, ob und in welchem Umfang der Berufspokerspiele über eine Betriebsstätte im Inland verfügt hat.

§ 28 Abs. 1 S. 2 GewStG, § 30 GewStG: mehrgemeindliche Betriebsstätte bei Versorgungsunternehmen

BFH vom 18.02.2021 – III R 8/19, BStBl. 2021 II 627

Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, ist der Steuermessbetrag auf die einzelnen Gemeinden zu zerlegen, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Das gilt auch in den Fällen, in denen sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt, § 28 Abs. 1 S. 2 GewStG.

Erstreckt sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden, ist der Steuermessbetrag auf die Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt, § 30 GewStG.

Voraussetzung für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 2, § 30 GewStG ist es, dass der auf auf jede beteiligte Gemeinde entfallende Anteil an der mehrgemeindlichen Betriebsstätte die Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllt, BFH vom 08.03.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735.

Das gewerbesteuerliche Zerlegungsrecht kennt keinen eigenständigen Betriebstättenbegriff. Daher ist auch für Zwecke der gewerbesteuerlichen Zerlegung auf den Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zurückzugreifen, vgl. BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.

Das Vorliegen einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO setzt voraus, dass Geschäftseinrichtungen oder Anlagen mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche vorhanden sind, die von gewisser Dauer ist, über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.

Nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat die steuerpflichtige Person, wenn sie eine Rechtsposition innehat, die ihr nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend ist die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, die tatsächliche Mitbenutzung sowie die bloße Berechtigung zur Nutzung im Interesse eines anderen, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.

Die Einrichtung oder Anlage muss darüber hinaus der Tätigkeit der steuerpflichtigen Person unmittelbar dienen, wenn es im Gesetz lautet „zur Ausübung des Gewerbes“, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.Das ist der Fall, wenn an dem Ort der Einrichtung oder Anlage eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit örtlicher Bindung ausgeübt wird, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638, und sich in der Bindung eine gewisse Verwurzelung des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922. Diese Voraussetzung ist im Allgemeinen nur erfüllt, wenn der Unternehmer selbst, seine Arbeitnehmer, fremdes weisungsabhängiges Personal oder Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung tätig werden, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Das kann auch in der Betriebsstätte eines Dritten erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass die steuerpflichtige Person rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlage nach den Bedürfnisse des eigenen Unternehmens zu nutzen und eigene oder überlassene Arbeitnehmer dort tätig werden, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638.

Diese Voraussetzungen liegen bei der schlichten Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz indes nicht vor, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638. Daran ändern auch die mit der Überlassung des Grundstücks oder Gebäudes verbundenen Verwaltungsarbeiten nichts, selbst wenn sich die überlassende Person umfangreiche Betretungs- und Kontrollrechte vorbehalten hätte, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die nutzungsüberlassende Person eine eigenbetriebliche Tätigkeit entfalten würde, die eine gewisse Nachhaltigkeit aufweist und die über punktuell einzelfallbezogene Maßnahmen hinausgeht, BFH vom 13.06.2006 – I R 84/05, BStBl. 2007 II 94. Wird die eigenbetriebliche Tätigkeit durch vollautomatisch arbeitende Einrichtungen ausgeführt, kann ausnahmsweise eine Betriebsstätte vorliegen, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Voraussetzung darüf ist, dass der steuerpflichtigen Person das Recht eingeräumt wird, das Gebäude zu den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zu berteten und die anfallenden Wartungsarbeiten an ihren Anlagen vorzunehmen, BFH vom 25.05.2000 – III R 20/97, BStBl. 2001 II 365. Nicht ausreichend ist in diesen Fällen die reine Fernüberwachung der Anlage mittels Datenfernübertragung, BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78.

Der Entscheidungsfall betraf das sog. Unbundling, also die Trennung der Netzinfrastruktur vom eigentlichen Betrieb eines Versorgungsunternehmens zur Stärkung des Wettbewerbs. Diese Trennung vollzieht sich dergestalt, dass das frühere Einheitsunternehmen die Netzinfrastruktur an ein anderes Unternehmen verpachtet und zugleich einen Vertrag über die Nutzung der Transportkapazität des Netzes mit dem pachtenden Unternehmen abschließt. Infolge der Verpachtung verliert das Versorgungsunternehmen die notwendig Verfügungsmacht über die Infrastruktur, so dass aus dem Vorhandensein der Netzinfrastruktur keine mehrgemeintliche Betriebsstätte heraus mehr besteht. Das wäre jedoch anders zu beurteilen, wenn sich das Versorgungsunternehmen vorbehalten hätte das Netz dauerhaft mit seiner Weisungsbefugnis unterliegendem Personal zu betreiben. Eine solche Vereinbarung dürfte allerdings mitden gesetzlichen Vorgaben zur Trennung von Versorgung und Transport nicht in Einklang stehen.

§ 28 GewStG: Allgemeine Erkenntnisse zum Betriebsstättenbegriff aufgrund der Entflechtung von Energieunternehmen

BFH vom 18.02.2021 – III R 8/19, DStR 2021, 8

[Vorinstanz FG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2018 – 5 K 5039/18, EFG 2020, 1327]

Zu einer Zerlegung kommt es nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG nur dann, wenn im Erhebungszeitraum in mehreren Gemeinden Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden. Das gilt nach § 28 Abs. 1 S. 2 GewStG auch dann, wenn sich die Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt (mehrgemeindliche Betriebsstätte).

Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte im zerlegungsrechtlichen Sinn setzt voraus, dass in dem Gebiet jeder betroffenen Gemeinde für sich betrachtet die Aktivität der steuerpflichtigen Person die Voraussetzung einer Betriebsstätte erfüllt, BFH vom 08.03.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735.

Da das Gewerbesteuerrecht den Begriff der Betriebsstätte selbst nicht definiert, ist auf die Begriffsdefinition des § 12 AO zurückzugreifen, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO ist eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von gewisser Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die die steuerpflichtige Person eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. 1997 II 12.

Unerheblich ist es, ob die Geschäftseinrichtungen oder Anlagen an der Erdoberfläche sichtbar sind, BFH vom 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. 1997 II 12. Damit können auch Erdleitungen Geschäftseinrichtungen oder Anlagen sein.

Eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht setzt voraus, dass der steuerpflichtigen Person eine Rechtsposition zusteht, die ihr nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend wäre jedoch, dass lediglich eine tatsächliche Mitbenutzung erfolgt bzw. möglich wäre, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Ebensowenig ausreichend wäre die Berechtigung zur Nutzung im Interesse einer anderen Person, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07; BStBl. 2008 II 922. Eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht liegt auch dann vor, wenn die steuerpflichtige Person berechtigt ist, die Einrichtung oder Anlage einer anderen Person nach den Bedürfnissen ihres Unternehmens zu nutzen.

Des Weiteren setzt der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO im Lichte des § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG voraus, dass die Einrichtung oder Anlage unmittelbar der Tätigkeit des Unternehmens dient, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782. Denn nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG wird vorausgesetzt, dass die Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden müssen. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung dort ausgeübt wird, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die steuerpflichtige Person selbst, die bei ihr beschäftigten Personen, fremdes weisungsabhängiges Personal oder Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung bzw. Anlage tätig werden, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Dem entgegen nicht ausreichend sind Eigentum oder Besitz an Immobilien, die lediglich Dritten überlassen werden, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78. Hieran ändern auch die mit der Überlassung verbundenen Verwaltungsarbeiten nichts. Das gilt selbst dann, wenn die nutzungsüberlassende Person sich das Recht zur Betretung des Grundstücks und zur Prüfung von Geschäftsvorfällen oder sogar die Kontrolle des Betriebsablaufes vorbehalten hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782. Etwas anderes kann sich jedoch dann ergeben, wenn die nutzungsüberlassende Person mit Nachhaltigkeit im oder am überlassenen Objekt tätig wird, BFH vom 13.06.2006 – I R 84/05, BStBl. 2007 II 94. Soweit Einrichtungen vollautomatisch arbeiten ist für die Annahmen einer Betriebsstätte ausreichend, dass die steuerpflichtige Person mit der Geschäftseinrichtung tätig wird, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Befinden sich die Anlagen in fremden Gebäuden, ist auch dann eine Betriebsstätte anzunehmen, wenn der steuerpflichtigen Person das Recht eingeräumt worden ist, das Gebäude zu den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zu betreten und die anfallenden Wartungsarbeiten an ihren Anlagen vorzunehmen, BFH vom 25.05.2000 – III R 20/97, BStBl. 2001 II 365 betreffend Satellitenempfangsanlagen. Nicht ausreichend ist jedoch die reine Überwachung und Steuerung der Anlage per Datenfernübertragung, BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78.

Auch (Rohr-)Leitungssysteme können diese Voraussetzungen erfüllen.

Ist eine steuerpflichtige Person an einer Mitunternehmerschaft beteiligt, werden weder ihr die Betriebsstätten der Tochtergesellschaft noch die diese begründenden Merkmale der mitunternehmerisch beteiligten Person dergestalt zugerechnet, dass die mitunternehmerisch beteiligte Person insoweit selbst eine Betriebsstätte unterhält. Ein analoge Anwendung von § 2 Abs. 4 ZerlG scheidet insoweit aus, da sich die Besteuerungssituationen im ertragsteuerlichen (Anwendungsbereich des ZerlG) und im gewerbesteuerlichen Sinne wegen § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG wesentlich unterscheiden.

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 / Nr. 2; § 33 GewStG: Anwendung der Regelzerlegung in Erhebungszeiträumen vor Anwendung der besonderen Zerlegungsmaßstände des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG

BFH vom 14.12.2020 – IV B 27/20, BFH/NV 2021, 538 [Vorinstanz: FG Hamburg vom 19.02.2020 – 2 K 166/19]

Der Gewerbeertrag ist in Fällen, in denen im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten werden, auf die einzelnen Gemeinden zu zerlegen, § 28 Abs. 1 GewStG.

Den Zerlegungsmaßstab definiert § 29 Abs. 1 GewStG. [Hinweis: Regelzerlegungsmaßstab ist das Verhältnis der Arbeitslöhne, § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG. Neben dem Regelzerlegungsmaßstab kennt das Gesetz in § 29 Abs. 1 Nr. 2 einen besonderen Zerlegungsmaßstab in verschiedener Ausprägung, der auf Betriebe aus dem Bereich der erneuerbaren Energien Anwendung findet. Diese Regelung wurde durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. 2008 I 2794, in das Gesetz eingefügt nachdem die Rechtsprechung erkannt hatte, dass die vorherige Verwaltungspraxis zur Zerlegung bei bestimmter Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien keine gesetzliche Grundlage hatte, BFH vom 04.04.2007 – I R 23/06, BStBl. 2007 II 836. Um die Ausweisung von Standortflächen für die betroffenen Kommunen attraktiver zu machen, wurden die Regelungen in der Folgezeit mehrfach überarbeitet. Der zeitliche Anwendungsbereich der streitgegenständliche gesetzlichen Grundlage ist ausgelaufen.]

Die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG in der Fassung des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013, BGBl. 2013 I 1809 ist für die Erhebungszeitraum 2012 noch nicht anwendbar, § 36 Abs. 9d GewStG in der Fassung des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes, FG Hamburg vom 19.02.2020 – 2 K 166/19.

Auch liegen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 GewStG in den Fällen, die in späteren Erhebungszeiträumen von § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG erfasst sind, nicht vor, FG Hamburg vom 19.02.2020 – 2 K 166/19. Das Tatbestandsmerkmal des offenbar unbilligen Ergebnis ist nur unter den Voraussetzungen, die der Bundesfinanzhof in der Entscheidung vom 04.04.2007 – I R 23/06, BStBl. 2007 II 836 herausgearbeitet hat erfüllt.