Praktisches Gewerbesteuerrecht 2025

Hybride Tagung am Montag, den 30. Juni 2025 im Zeitraum von 9:00 Uhr bis 17:45 Uhr in Solingen und als Livestream

Referenten:

Richter am Bundesfinanzhof Dr. Christian Graw

Regierungsdirektor Thomas Schöneborn, LL.M., Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Aachen

RA/FAStR/StB Stefan Liedtke, LL.M., Crowe BPG

Aktuelles aus Gesetzgebung und Verwaltung

Der Koalitionsvertrag und seine Auswirkungen auf die Gewerbesteuer

A. Gewerbesteuerpflicht

  • Beginn der sachlichen Steuerpflicht einer Personengesellschaft

BFH vom 20.02.2025 – IV R 23/22

  • Aufwärtsabfärbung, § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG

BFH vom 05.09.2023 – IV R 24/20

BFH vom 04.02.2024 – VIII R 1/22

  • Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

BFH vom 21.11.2024 – IV R 26/22

B. Hinzurechnungen

  • Finanzierungsaufwendungen, § 8 Nr. 1 lit. a GewStG

BFH vom 19.11.2024 – VIII R 26/21 – Ausgleichszahlungen bei Zins-Swaps

FG Münster vom 30.11.2023 – 10 K 2062/20 G (III R 6/24) – Konzernfinanzierungsgesellschaften

  • Mieten / Pachten, § 8 Nr. 1 lit. d / e GewStG

BFH vom 17.10.2024 – III R 33/22

BFH vom 16.09.2024 – III R 36/22

FG Baden-Württemberg vom 07.10.2024 – 10 K 953/22 (III R 39/24)

  • Rechteüberlassung, § 8 Nr. 1 lit. f GewStG

FG Berlin-Brandenburg vom 14.12.2022 – 11 K 11252/17 (NZB: IV B 7/23; nach Zulassung: IV R 26/23)

C. Kürzungen

  • einfache Grundbesitzkürzung, § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG
  • erweiterte Grundbesitzkürzung, § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG

BFH vom 17.10.2024 – III R 1/23 – Veräußerung des gesamten Grundbesitzes im laufenden Erhebungszeitraum

BFH vom 11.01.2024 – IV R 24/21 – Vermietung eines Hotelgrundstücks

BFH vom 13.06.2024 – III R 26/21 – Verschaffung von Dienstleistungen

BFH vom 11.07.2024 – III R 41/22 – Weitervermietungsmodell

BFH vom 22.02.2024 – III R 13/23 – umgekehrte Betriebsaufspaltung

BFH vom 30.10.2024 – IV R 19/22 – Betriebsverpachtung

D. Verluste

  • Sanierungsgewinne, § 7b GewStG

BFH vom 10.10.2024 – IV R 1/22 / BFH vom 10.10.2024 – IV R 2/22

  • Verfahrensrecht

BFH vom 11.01.2024 – IV R 25/21 – Bindungswirkung der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes

BFH vom 25.04.2024 – XI R 18/22 – Berücksichtigung verlusterhöhender Tatsachen bei Nullfeststellung

BFH vom 23.02.2024 – IX B 118/22 – Feststellungsverjährung bei Verlustfeststellungsbescheiden

  • Unternehmeridentität

BFH vom 01.02.2024 – IV R 26/21 – einbringungsbedingter Übergang des Gewerbeverlustes

  • Unternehmensidentität

BFH vom 25.04.2024 – III R 30/21 – Gewerbeverlust nach Anwachsung

  • Kapitalgesellschaften

E. Zuteilung und Zerlegung

  • Bestimmung des Steuergläubigers

BFH vom 03.12.2024 – IV R 5/22

  • sachliche und örtliche Zuständigkeit

BFH vom 07.11.2024 – III R 27/23 / BFH vom 07.11.2024 – III R 28/23

  • Zerlegungsrecht

BFH vom 15.05.2024 – IV R 21/21 – mehrgemeindliche Betriebsstätten – Bindungswirkung der Einigung nach § 33 Abs. 2 GewStG

BFH vom 15.05.2024 – IV R 22/21 – nachträglich bekannt gewordene Tatsachen

Geschützt: § 8 Nr. 1 lit. a GewStG, § 19 Abs. 1 GewStDV: Ausnahme von der Hinzurechnung von Entgelten für Schulden nach dem sog. Bankenprivileg

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§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG, § 19 GewStDV: Kein Erfordernis des Überwiegens der Erträge aus Geldforderungen gegenüber den Erträgen aus anderen Geschäften

BFH vom 30.11.2023 – III R 55/20, BStBl. 2024 II S. 378

[Vorinstanz: Hessisches FG vom 26.08.2020 – 8 K 622/19, EFG 2020, 1856]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Zu den Hinzurechnungen gehört nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG auch die Hinzurechnung der Entgelte für Schulden.

Aufgrund der Ermächtigung des § 35c Abs. 1 Nr. 2 lit. e GewStG wurde eine Bereichsausnahme von § 8 Nr. 1 lit. a GewStG in § 19 Abs. 1 S. 1 GewStDV geschaffen, die in den letzten Jahren durch den Verordnungsgeber weiterentwickelt wurde. Bis einschließlich des Erhebungszeitraums 2020 stellte die Regelung allein auf diejenigen Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG ab. Die Bereichsausnahme des § 35c Abs. 1 S. 2 lit. e GewStG ist Unternehmen eröffnet, die bezogen auf Bankgeschäfte gewerbsmäßig handeln und solche Geschäfte in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern.

Voraussetzung für die Anwendung der Bereichsausnahme ist, dass die Aktivposten aus Bankgeschäften und dem Erwerb von Geldforderungen die Aktivposten aus anderen Geschäften überwiegen. Insoweit ist auf die Durchschnittswerte aller Monatsausweise des Wirtschaftsjahres des Kreditinstituts nach § 25 KWG oder entsprechender Statistiken abzustellen.

Diese Regelung ersetzt seit dem Steuerreformgesetz 1990 die bis dato geltende Regelung, die auf einen Vergleich des Rohgewinnertrages aus Bankgeschäften mit den anderen Geschäften, BFH vom 21.05.1997 – I R 62/96, BFH/NV 1998, 210. Die Änderung des Gesetzes verfolgte die Zweck der Vereinfachung, BT-DrS 11/2157, 176.

Die Regelung findet – bis einschließlich des Erhebungszeitraums 2020 – auf Konzernfinanzierungsgesellschaften Anwendung, BFH vom 06.12.2016 – I R 79/15, BStBl. 2019 II 173.

§ 19 GewStDV: Zur Berücksichtigung bedingter Forderungen als Aktivposten aus Bankgeschäften

FG Berlin-Brandenburg vom 28.06.2022 – 4 K 4039/20, NWB EAAAJ-22174

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag im Sinne des § 6 GewStG. Gewerbeertrag ist nach § 7 S. 1 GewStG der nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften ermittelte [und modifizierte] Gewinn des Erhebungszeitraumes, vermehrt und vermindert um die Hinzurechnungen und Kürzungen.

Zu den Hinzurechnungen gehört nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG auch die Hinzurechnung der Entgelte für Schulden. Aufgrund der Ermächtigung des § 35c Abs. 1 Nr. 2 lit. e GewStG wurde eine Bereichsausnahme von § 8 Nr. 1 lit. a GewStG in § 19 Abs. 1 S. 1 GewStDV geschaffen, die in den letzten Jahren durch den Verordnungsgeber weiterentwickelt wurde.

Insbesondere ist ab dem Erhebungszeitraum 2021 zu beachten, dass Kreditinstitute im Sinne der Vorschrift nur noch diejenigen im Sinne des § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 KWG sind. Bis einschließlich des Erhebungszeitraums 2020 stellte die Regelung allein auf im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG ab.

Die Bereichsausnahme des § 35c Abs. 1 S. 2 lit. e GewStG ist Unternehmen eröffnet, die im Wesentlichen am Geld- und Kreditverkehr teilnehmen und damit auf das eigentliche Bankgeschäft ausgerichtete Unternehmen sind, BFH vom 06.12.2016 – I R 79/15, BStBl. 2019 II 173. Das Gesetz sieht keine Unschädlichkeitsgrenzen für andere Tätigkeiten vor. Nach Ansicht des FG Hessen vom 26.08.2020 – 8 K 622/19, EFG 2020, 1856 ist die Voraussetzung jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der Schwerpunkt der Gewinn- und Verlustrechnung in anderen Bereich liegt. [Hinweis: Diese Entscheidung wurde mit Urteil des BFH vom 30.11.2023 – III R 55/20 aufgehoben.]

Bei Holdinggesellschaften bestanden sodann Zweifel, ob diese Unternehmen ein Kreditinstitut im Sinne der Ermächtigung sein können.

Der Verordnungsgeber knüpfte bei der Bestimmung des Begriffs des Kreditinstitutes an die Regelungen des KWG an. Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen im kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Im Rahmen der Anwendung des § 19 GewStDV ist es unerheblich ob die Erlaubnis nach § 32 KWG vorliegt, BFH vom 16.10.2002 – I R 23/02, BFH/NV 2003, 653, oder diese zumindest beantragt wurde, BFH vom 06.12.2016 – I R 79/15, BStBl. 2019 II 17. Auch ist der im Handelsregister aufgeführte Unternehmensgegenstand ohne Auswirkung auf die Qualifizierung des Unternehmens, FG Hamburg vom 28.08.2015 – 6 K 285/13, EFG 2016, 133. Mithin können auch Konzernfinanzierungsunternehmen und Holdingunternehmen Kreditinstitute nach § 1 Abs. 1 KWG sein, BFH vom 06.12.2016 – I R 79/15, BStBl. 2019 II 173.

Nach § 19 Abs. 2 GewStDV ist vorausgesetzt, dass die Bankgeschäfte gegenüber den anderen Geschäften überwiegen. Das ist der Fall, wenn der Durchschnitt aller Monatsausweise des Wirtschaftsjahres des Kreditinstitutes nach § 25 KWG oder entsprechender Statistiken der Aktivposten aus Bankgeschäften und dem Erwerb von Geldforderungen die Aktivposten aus anderen Geschäften überwiegen. Bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, welche Auswirkung die Bedingtheit oder Unbedingtheit der Rückzahlbarkeit der Darlehensforderung auf die Einordnung der Forderung zu den Aktivposten aus Bankgeschäften im Sinne des § 19 Abs. 2 S. 1 GewStG hat. Die Annahme eines Einlagegeschäftes sperrt nicht die Bedingtheit. Das gilt aus systematischen Gründen auch für § 19 Abs. 1 GewStG. Gelddarlehensforderungen zählen nicht zu den Aktivposten aus Bankgeschäften im Sinne des § 19 Abs. 2 GewStG, wenn es an einer unbedingten Rückzahlbarkeit fehlt. Abweichend von der Ansicht der BaFin sind das allerdings nicht Forderungen gegen Gesellschaften, die aufgrund gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten nicht durchsetzbar sind. Denn diese Art von Treuepflichten kennt die Rechtspraxis nicht. Auch ergibt sich aus dem sog. Konzernrückhalt keine nur bedingt rückzahlbare Forderung. Nicht zu den Bankgeschäften zählen Forderungen, die mit einer originären Bedingung versehen sind, für die der qualifizierte Rangrücktritt erklärt ist oder bei denen eine Teilnahme am Verlust vorgesehen ist.

Zu den Bankgeschäften gehören nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG die Annahme fremder Gelder und anderer Einlagen, deren Rückzahlung unbedingt ist (Einlagegeschäft) und nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG die Gewährung von Darlehen (Kreditgeschäft). Zum Einlagegeschäft gehört auch die Darlehensaufnahme bei einem anderen Kreditinstitut. Bei dem anderen Kreditinstitut liegt in diesem Fall ein Kreditgeschäft vor. Auch die Mittelaufnahmen von einem nicht persönlich haftenden Gesellschafter gehört zum Einlagegeschäft. Im Fall des Einlagegeschäftes ist es unerheblich, ob ein Zins gewährt wird. Der Begriff des Kreditgeschäftes ist ohne Einschränkung formuliert. Daher können Kreditgeschäfte auch mit Konzerngesellschaften getätigt werden. Dabei ist die Herkunft der ausgereichten Mittel unbeachtlich. Soweit sich aus der Rechtsprechung des BFH vom 16.12.2002 – I R 23/02, BFH/NV 2003, 653 und BFH vom 06.12.2016 – I R 79/15, BStBl. 2019 II 173 etwas anderes ergeben sollte, steht das im Widerspruch zu § 19 Abs. 1 GewStDV, der gerade davon ausgeht, dass das Kreditgeschäft nicht (voll) fremdfinanziert ist. Auch würde sich ein solches Verständnis nicht aus § 1 Abs. 1 S. 2 KWG herleiten lassen.

Die Bankgeschäfte werden nach Ansicht der BaFin gewerbsmäßig ausgeübt, wenn die Tätigkeit auf Dauer angelegt und mit Gewinnerzielungsabsicht insoweit betrieben wird. Dem hat sich die finanzgerichtliche Rechtsprechung angeschlossen, BFH vom 06.12.2016 – I R 79/15, BStBl. 2019 II 173; FG Hamburg vom 28.08.2015 – 6 K 285/13, EFG 2016, 133. Die Gewinnerzielungsabsicht kann aus der Verwendung marktüblicher Zinssätze abgeleitet werden, FG Hamburg vom 28.08.2015 – 6 K 285/13, EFG 2016, 133.

Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Betrieb ist nach Ansicht der BaFin gegeben, wenn das Einlagengeschäft und das Kreditgeschäft ein Volumen von zusammen EUR 12.500 haben. Dabei ist das Kreditgeschäft mit 2,5 % der Darlehensvaluta zu berücksichtigen. Für den Fall, dass nur ein Einlagegeschäft getätig wird, ist es ausreichend, dass mehr als fünf Personen Einlagen in Höhe von zusammen mehr als EUR 12.500 geleistet haben.

Rechtsfolge der Bereichsausnahme nach § 19 Abs. 1 GewStDV ist, dass nur die Entgelte für Schulden nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG hinzuzurechnen sind, die dem Betrag der Schulden entsprechen, um den der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke, Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattungen, Schiffe und Anteilen an Kreditinstituten und sonstigen Unternehmen sowie Forderungen aus Vermögenseinlagen als stiller Gesellschafter und aus Genussrechten das Eigenkapital übersteigen.

Verfahrensrecht:

Die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes ist nach § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG mit Wirkung ab dem 13.12.2010 inhaltlich an die Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages gebunden. Die Feststellung des Verlustes kann daher nur mit Erfolg angegriffen werden, wenn der festgestellte Gewerbesteuermessbetrag unzutreffend in die Feststellung des Verlustes eingeflossen ist. Im Übrigen ist die Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages anzugreifen.