§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Originär gewerbliche Tätigkeit; Überschreitung der Grenzen der schlichten Vermögensverwaltung

FG Berlin-Brandenburg vom 18.01.2022 – 8 K 8008/21, NWB IAAAI-57928

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist auf Antrag zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.

Der Begriff der Verwaltung und Nutzung entspricht dem ertragsteuerlichen Begriff der Vermögensverwaltung. Denn Zweck der Vorschrift ist die Herbeiführung einer rechtsformneutralen Besteuerung. Ohne die erweiterte Grundbesitzkürzung unterlägen immobilienverwaltende Unternehmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer. Die private Investition in einen Immobilienbestand unterläge dem entgegen jedoch nicht der Gewerbesteuer.

[Hinweis: Vgl. Fuest/Hey/Spengel: Vorschläge für eine Reform der Immobilienbesteuerung, Ifo Schnelldienst 12/2021, S. 31 zur Richtigkeit der These von der Vermeidung der Doppelbesteuerung]

Keine Vermögensverwaltung im ertragsteuerlichen Sinne liegt vor, wenn im Einzelfall gewerblicher Grundstückshandel vorliegt. Dieser zeichnet sich durch die Nachhaltigkeit der Tätigkeit aus, die durch Wiederholungsabsicht gekennzeichnet ist. Das ist zuerst einmal der Fall, wenn ein einzelnes Objekt in der Absicht der gewinnbringenden Weiterveräußerung erworben oder bebaut wird, BFH vom 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. 2002 II 291. Zudem hat die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren als gewichtiges Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände kann die Gewerblichkeit ausgeschlossen sein. Bei einer Veräußerung von mehr als fünf Objekten innerhalb von drei Jahren ließe sich die Wiederholungsabsicht auch nicht widerlegen. Es sei dann unerheblich, ob Gründe wie die langfristige Finanzierung oder der Erwerb mit langjähriger Halteperspektive gegen eine Wiederholungsabsicht sprechen würden.

Nach Ansicht des Gerichts ist bei der Prüfung der Wiederholungsabsicht nicht auf die steuerpflichtige Person, sondern auf den Willen der geschäftsführenden Personen abzustellen. Dieser Wille der geschäftsführenden Personen ist – anders als die Haftung aber auch die Gewinnchancen – nicht abzuschirmen. Denn die Investitionsentscheidung trifft in diesem Fall nicht der Geschäftsführer der steuerpflichtigen Person, sondern die Geschäftsführung der Obergesellschaft. Die Objektgesellschaft führt nur noch den Willen der Obergesellschaft aus.

Ist eine Person also innerhalb einer Immobiliengruppe bei mehreren Objektgesellschaften geschäftsführend tätig (Personenidentität), spricht das Vorliegen der Wiederholungsabsicht bei einer Objektgesellschaft auch für eine Wiederholungsabsicht bei anderen Gesellschaften bei denen die Person geschäftsführend tätig ist.

Neben der Frage, ob der Anwendungsbereich der erweiterten Grundbesitzkürzung schon gar nicht eröffnet ist, weil die steuerpflichtige Person eine originär gewerbliche Tätigkeit in Form des gewerblichen Grundbesitzes ausübt, kann die erweiterte Grundbesitzkürzung auch deswegen ausgeschlossen sein, weil sich die konkrete Tätigkeit der steuerpflichtigen Person als Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsprinzip zeigt, BFH vom 05.03.2008 – I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359.

Die erweiterte Grundbesitzkürzung setzt nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG voraus, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Dabei ist unter verwalten und nutzen eine vermögensverwaltende Tätigkeit im ertragsteuerlichen Sinn zu verstehen. Eine solche wird jedenfalls dann nicht ausgeübt, wenn die steuerpflichtige Person eine Tätigkeit ausübt, die nicht mehr vermögensverwaltend ist. Von einer privaten Vermögensverwaltung ist dabei nicht mehr auszugehen, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Erstjahr

BFH vom 27.10.2021 – III R 7/19, BFH/NV 2022, 242

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 10.12.2018 – 8 K 8131/17, EFG 2019, 1221]

Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft gilt nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb und löst damit eine Gewerbesteuerpflicht der Gesellschaft aus.

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinn, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung).

Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Grundbesitzkürzung ist, dass das Unternehmen ausschließlich – auch in zeitlicher Hinsicht – eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Unschädlich ist, wenn neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes weitere aufgezählte Tätigkeiten verrichtet werden. Schädlich ist hingegen, wenn vor oder nach der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine der aufgezählten unschädlichen Tätigkeiten ausgeübt wird. Für den Fall der Tätigkeit nach Veräußerung des letzten Grundstücks ist das höchstrichterlich bereits durch BFH vom 20.01.1982 – I R 201/78, BStBl. 1982 II 477 entschieden worden. Im Entscheidungsfall endete der Erhebungszeitraum nach § 14 S. 3 GewStG mit der Veräußerung der letzten Immobilie nicht. Damit fehlte es an der zeitlichen Ausschließlichkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Nichts anderes gilt für den Fall der Aufnahme der Tätigkeit. Beginnt der Erhebungszeitraum nach § 14 S. 3 GewStG für eine Kapitalgesellschaft bereits mit deren Eintragung im Handelsregister, da ihre Tätigkeitnach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, fehlt es auch insoweit an einer zeitlich ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im Erstjahr.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Zur erweiterten Kürzung im Fall der Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens vor Beginn der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes

BFH vom 27.10.2021 – III R 7/19, NWB NAAAI-01616

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 10.12.2018 – 8 K 8131/17, EFG 2019, 1221]

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist auf Antrag zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz und daneben eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt.

Die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens ist also nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes erfolgt, nicht aber, wenn sie vor Beginn oder nach Ende einer solchen erfolgt.

Zudem ist die Ausschließlichkeit in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Sicht zu verstehen. In zeitlicher Hinsicht bedeutet das, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes während des gesamten Erhebungszeitraum vorliegen muss. Das folgt aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Jahressteuer, BFH vom 29.03.1973 – I R 199/72, BStBl. 1973 II 563.

Hinweis: Bei originär gewerblicher Tätigkeit beginnt der Erhebungszeitraum nach § 14 S. 3 GewStG erst mit der Aufnahme der werbenden Tätigkeit. In den Fällen des § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG beginnt die sachliche Steuerpflicht und damit der Erhebungszeitraum mit der Eintragung der Gesellschaft Handelsregister.

Anders als im Rahmen der einfachen Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG kommt es nicht darauf an, dass der Grundbesitz schon zu Beginn des Kalenderjahres zum Betriebsvermögen gehört hat, so aber FG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2018 – 8 K 8131/17, EFG 2019, 1221.

Damit ist die erweiterte Kürzung nicht zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person als Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG der Besteuerung unterliegt und bereits vor Erwerb der ersten Immobilie eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt und sei es nur in Form der verzinslichen Anlage der Stammeinlage.

§ 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG: Überführung oder Übertragung durch Formwechsel

BFH vom 27.10.2021 – I R 39/19, BStBl. 2022 II 623

[Vorinstanz: FG Köln vom 11.07.2019 – 13 K 2469/17, DStRE 2019, 1337]

Die erweiterte Grundbesitzkürzung, also die Kürzung des Gewerbeertrages um den Betrag, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt, ist nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG ausgeschlossen, soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebes überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung enstandenen stillen Reserven entfallen.

Die Begriffe Überführung und Übertragung in § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG sind dem entsprechend normspezifisch auszulegen. Damit ist im Fall der Besitzzeitanrechnung auf den Zugang zum Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft abzustellen.

Die Überführung bzw. Übertragung des Betriebsvermögens zu einem Wert unterhalb des Teilwertes kann auch im Fall des Formwechsels vorliegen. Zwar fürhrt der Formwechsel zivilrechtlich nicht zu einem Rechtsträgerwechsel. Steuerrechtlich ist jedoch bereits zu § 25 UmwStG 1995 höchstrichterlich entschieden worden, dass ein Formwechsel ein tauschähnlicher entgeltlicher Rechtsträgerwechsel ist, BFH vom 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. 2006 II 568. Das gilt auch für Zwecke der Anwendung des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG.

Im Rahmen des Formwechsel findet § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 nach § 25 S. 1 UmwStG 2006 wegen der Verweisung des entsprechend anwendbaren § 23 Abs. 1 UmwStG 2006 Anwendung.

Kommt es jedoch zur Besitzzeitanrechnung nach § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006, ist die anzurechnenden Besitzzeit im Rahmen der Prüfung der Frist von drei Jahren zu berücksichtigen.

§ 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG: Betriebsaufspaltung – Beherrschungsidentität – Treuhand

BFH vom 20.05.2021 – IV R 31/19, FR 2022, 1074

Der Gewerbesteuer unterliegt der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser bemisst sich nach § 7 S. 1 GewStG nach dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften bestimmten Gewinn, der entsprechend dem Charakter des Gewerbesteuerrechts zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und Kürzungen nach § 9 GewStG zu mehren und zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil des Gewerbeertrages zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt.

Voraussetzung für die Anwendung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist entsprechend dem Zweck der Vorschrift, Gesellschaften, die strukturell Einkünfte aus Vermögensverwaltung erzielen, die jedoch aufgrund der gewählten Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögensverwaltenden Gesellschaft gleich zu stellen und von der Gewerbesteuer zu entlasten.

Diese Entlastung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit der steuerpflichtigen Person die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Das ist u.a. dann der Fall, wenn einem grundbesitzenden Unternehmen im Rahmen der Merkmalszurechnung der Betriebsaufspaltung die Merkmale der gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen sind.

Eine Betriebsaufspaltung setzt die sachliche und personelle Verflechtung voraus. In diesem Fall ist der Zweck der Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet.

Die sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn funktional wesentliche Grundlagen durch das Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen überlassen werden.

Die personelle Verflechtung liegt vor, wenn die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser ist gegeben, wenn die Person oder die Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Das Betriebsunternehmen kann daher die Nutzungsüberlassung nicht gegen den Willen des Besitzunternehmens beenden oder die inhaltliche Ausgestaltung der Besitzüberlassung verändern.

Diese Voraussetzung ist auch bei einer lediglich mittelbaren Beteiligung einer oder mehrerer Personen über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft an einem Betriebsunternehmen gegeben, BFH vom 14.08.1974 – I R 136/70, BStBl. 1975 II 112. Voraussetzung ist allein das Vorhandensein der ausreichenden Mehrheit der Stimmrechte, die eine Einflussnahme auch über zwischengeschaltete Gesellschaft möglich macht.

Neben der Beteiligung am Betriebsunternehmen bedarf es auch der Beteiligung an dem Besitzunternehmen. Wird dieses in der Rechtsform einen Personengesellschaft betrieben, ist auch dort die Mehrheit der Stimmrechte für eine Annahme einer Beherrschung von Bedeutung. Dabei sind Stimmrechte aus Anteilen, die die Person oder die Personengruppe treuhänderisch für andere hält und die vertraglichen Treuepflichten unterliegen, nicht einzubeziehen, BFH vom 17.03.1987 – VIII R 136/84, BStBl. 1987 II 858.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG – erweiterte Kürzung in der Fassung des FoStoG

Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 22.04.2021 grundlegende Neuregelungen zur erweiterten Kürzung beschlossen.

1. Lieferung von Strom und Betrieb von Ladestationen

Erweiterung des Kataloges unschädlicher Nebentätigkeiten um Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeugen und Elektrofahrrädern.

2. Einführung einer allgemeinen Bagatellgrenze

3. Anwendungszeitraum ab dem Erhebungszeitraum 2021

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG – erweiterte Grundbesitzkürzung: unschädliche Nebentätigkeiten – hier Wohnungsbauten betreuen – restriktive Auslegung

BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624

[Vorinstanz: FG Niedersachen vom 19.09.2018 – 10 K 174/16, EFG 2019, 63]

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist auf Antrag zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.

Das Gesetz erlaubt in engen Bahnen die Ausübung von Nebentätigkeiten, indem § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG lautet „oder daneben“. Eine solche erlaubte Nebentätigkeit ist die Betreuung von Wohnungsbauten.

Im Streitfall verwaltet und nutzte die steuerpflichtige Person eine Vielzahl von Wohnungen, gewerblichen oder sonstig genutzten Einheiten sowie Garagen und Stellplätzen, die allesamt in ihrem Eigentum standen. Beginnend mit dem Streitjahr übernahm die steuerpflichtige Person auch die Betreuung von Immobilien, die nicht in ihrem Eigentum standen für Dritte. Ein Teil der Objekte, deren Betreuung übernommen wurde, wurde zu dieser Zeit für gewerbliche Zwecke genutzt. Der Flächenanteil der gewerblich genutzten Einheiten, die nicht im Eigentum der steuerpflichtigen Person standen, war, bezogen auf die insgesamt übernommen Flächen, verschwindend gering. Bezogen auf die einzelnen Objekte betrug der Flächenanteil zwischen 2 % und 20 %.

Das Finanzamt lehnte die Gewährung der erweiterten Kürzung unter Hinweis darauf, dass nur die Betreuung von Wohnungsbauten unschädliche Nebentätigkeit sei, ab. Dem folgte auch das FG Niedersachsen in seinem Urteil vom 19.09.2018 – 10 K 174/16, EFG 2019, 63.

Diese Rechtsauffassung bestätigte nun der BFH in seiner Entscheidung vom 15.04.2021.

In der Sache stellte der BFH klar, dass der Begriff der Betreuung von Wohnungsbauten sich nicht auf die Errichtung solcher, sondern auf die Betreuung bereits fertig gestellter Gebäude bezieht, so bereits BFH vom 17.09.2003 – I B 8/02, BStBl. 2004 II 243.

Hinsichtlich der eigentlichen Streitfrage, ob auch gemischt genutzte Gebäude Gegenstand der unschädlichen Nebentätigkeit sein können, führt der BFH aus, dass eine solche Auslegung mit dem Begriff der Wohnungsbauten nicht vereinbar ist (Wortlautgrenze). Des Weiteren spreche auch der Umstand, dass § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG explizit den Fall gemischt genutzter Grundstücke aufgreife dafür, dass dem Gesetzgeber bei der Gesetzesformulierung die Existenz gemischt genutzter Grundstücke bekannt und bewusst gegen eine extensive Auslegung der Norm (systematische Auslegung). Dieser Befund wird auch durch die historische Auslegung bestätigt. Denn mit Gesetz vom 18.07.1958, BGBl. 1958 I 473 wurde zur Förderung der Errichtung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen die Errichtung und Veräußerung entsprechender Objekte als unschädliche Nebentätigkeit ins Gesetz aufgenommen und mit Gesetz vom 13.07.1961, BGBl. 1961 I 981 um die hier streitgegenständliche Betreuung von Wohnungsbauten erweiterte. Dabei war der Fokus des Gesetzgebers auf die Schaffung von Wohnraum gerichtet. Die Schaffung von nicht zu Wohnzwecken genutzten Flächen stand nicht im Fokus des Gesetzgebers. Auch fand der BFH keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Schaffung nicht zu Wohnzwecken genutzten Flächen als Nebentätigkeit der Nebentätigkeit zu tolerieren bereit war. Dieser Befund verstärkt sich noch dahingehend, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG explizit von Teileigentumsflächen, als Flächen, die nicht Wohnzwecken dienen, spricht. Zudem verweist die Gesetzesbegründung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG ausdrücklich darauf, dass nach S. 2 nicht zu Wohnzwecken genutzte Flächen nicht erfasst sind. Damit sei der Weg zu einer analogen Anwendung der Regelung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG versperrt.

Damit tritt der BFH vielfachen anders lautenden Stimmen in der Literatur entgegen.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Zeitraumbezogene Ausschließlichkeit – Verkauf des letzten Grundstücks

FG Berlin-Brandenburg vom 05.11.2019 – 6 K 6276/17, EFG 2020, 791

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt voraus, dass ausschließlich eigener Grundbesitz verwaltet und genutzt wird.

Dabei hat der Tatbestand eine qualitative, eine quantitative und eine zeitliche Komponente.

Aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer folgt hinsichtlich der zeitlichen Komponente, dass die Haupttätigkeit durchgängig währen des gesamten Erhebungszeitraum in der schlichten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bestehen muss.

Die erweiterte Grundbesitzkürzung kann daher nicht gewährt werden, wenn das letzte Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert wird und damit nicht mehr ausschließlich [eigener] Grundbesitz verwaltet und genutzt wird, BFH vom 26.02.2014 – I R 6/13, BFH/NV 2014, 1400.

[Hinweis: Die Auffassung von Jesse, FR 2004, 1085, 1093, dass die erweiterte Kürzung keinen Zeitraumbezug aufweist überzeugt das Gericht ebenso wenig wie die Auffassung von Schlegel, NWB 2012, 4223, 4225, der die nachlaufende Verwaltung von Kapitalvermögen genügen lassen will, sofern das Vermögen aus der Vermietungstätigkeit stammt. Dabei stützt sich das Gericht auf die Rechtsprechung des BFH vom 29.03.1973 – I R 199/72, BStBl. 1973 II 563, aus der sich bereits ein Zeitraumbezug der erweiterten Kürzung ergibt. Zudem spricht der Wortlaut der Norm gegen die Unschädlichkeit der nachlaufenden Kapitalvermögensverwaltung, da diese nicht „neben“ der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes erfolgt.]

Zur Frage welcher Zeitpunkt für die Bestimmung des Zeitraums der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes bei Hinzuerwerb und Veräußerung von Immobilien maßgeblich sind, führt das Gericht aus, dass hierzu der Übergang von Nutzen und Lasten maßgeblich ist. Bestimmt also der Kaufvertrag, dass Nutzen und Lasten erst zum nächsten 1. des Monats übergehen, fällt der Veräußerungsgewinn erst im Folgemonat und ggfs. im Folgejahr an. Auf der anderen Seite kann durch den Übergang von Nutzen und Lasten zum Zeitpunkt des Ablaufes des Jahres sichergestellt werden, dass der Veräußerungsgewinn noch in das Jahr fällt in dem die Voraussetzungen der erweiterten Grundbesitzkürzung noch vorgelegen haben.

Maßgeblich sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse und nicht das Bestreben alsbald wieder eine Immobilie zu erwerben. Allein ein Bestreben begründet keine Verwaltung und Nutzung, BFH vom 26.02.2014 – I R 6/13, BFH/NV 2014, 1400.

Anders liegt der Fall möglicherweise, wenn der schuldrechtliche Erwerb des zweiten Grundstücks vor der Veräußerung des ersten Grundstücks erfolgt und allein der Übergang von Nutzen und Lasten zu einer grundbesitzlosen Zeit führt, FG München vom 29.02.2016 – 7 K 1109/14, EFG 2016, 932.

Letztlich führt der Zeitraumbezug auch nicht zu einer Benachteiligung kleinerer Immobiliengesellschaften, da es anerkannt ist, dass durch die Entprägung einer Immobiliengesellschaft die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Gesellschaft und damit auch der Erhebungszeitraum endet, so dass zum einen die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes in zeitlicher Hinsicht erfolgt und zum anderen der Veräußerungsgewinn nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegt, FG Berlin-Brandenburg vom 13.08.2019 – 8 K 8310/15.