§ 184 Abs. 3 AO: Nennung einer Gemeinde im Gewerbesteuermessbescheid

BFH vom 11.05.2023 – IV R 3/19

[Vorinstanz: FG München vom 14.09.2017 – 13 K 3144/15]

Nach § 184 Abs. 1 S. 1 AO sind Steuermessbeträge durch Steuermessbescheide festzusetzen.

Mit der Festsetzung der Steuermessbeträge wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden, § 184 Abs. 1 S. 2 AO.

Die Finanzbehörden teile den Inhalt des Steuermessbescheides den Gemeinden nach § 184 Abs. 3 S. 1 AO mit, denen die Steuerfestsetzung obliegt.

Verwaltungsakt ist hiernach der festgesetzte Steuermessbetrag sowie die Entscheidung über die persönliche und sachliche Steuerpflicht.

Nennt die Finanzverwaltung die Gemeinde, der sie den Inhalt des Bescheides nach § 184 Abs. 3 S. 1 AO mitteilt, im Messbescheid, hat das regelmäßig, BFH vom 19.11.2003 – I R 88/02, BStBl. 2004 II 751, keinen Regelungscharakter und ist daher nur zu Informationszwecken, BFH vom 25.11.2015 – I R 85/13, BStBl. 2016 II 479. Die Nennung einer Gemeinde ist daher nicht mit Einspruch oder Klage angreifbar. Einspruch oder Klage gegen die Nennung einer Gemeinde im Gewerbesteuermessbescheid sind daher unzulässig. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn Art und Weise der Nennung der Gemeinde über die schlichte Information hinausgeht und als Regelung zu verstehen ist, BVerwG vom 30.12.1997 – 8 B 161/97, Buchholz 401.0 § 184 AO Nr. 2; OVG Rheinland-Pfalz vom 25.11.2003 – 6 A 11239/03, NZVwR-RR 2004, 372; BFH vom 14.11.1984 – I R 151/80, BStBl. 1985 II 607; BayVGH vom 25.04.2005 – 4 CE 05.690.

Zur Klärung der Hebeberechtigung können die Beteiligten, also die (vermeintliche) hebeberechtigte Gemeinde und die steuerpflichtige Person, die Zuteilung des Steuermessbetrages nach § 190 AO beantragen. Gegen die Zuteilung steht den Beteiligten der Einspruch und später die Klage offen. Dieses Verfahren bietet hinreichenden Schutz für die steuerpflichtige Person wie auch für die hebeberechtigten Gemeinden, da diese als Beteiligte nach § 186 AO am Verfahren zu beteiligen sind, BayVGH vom 25.04.2005 – 4 CE 05.690.

Ist eine Zerlegung durchzuführen, enthält der Zerlegungsbescheid auch hinsichtlich der hebeberechtigten Gemeinden einen regelnden Inhalt. Die Bestimmung der Gemeinde im Zerlegungsbescheid ist Verwaltungsakt.

Ohne die Durchführung des Zuteilungsverfahrens kann die steuerpflichtige Person im Verwaltungsrechtsweg gegen die Gewerbesteuerbescheid geltend machen, dass der Bescheid von einer nicht hebeberechtigten Gemeinde erlassen wurde. Insoweit verwaltungsgerichtlich auch die Berechtigung des Steuergläubigers zu prüfen, BFH vom 09.01.2013 – IV B 64/11.

§ 8 Nr. 1 lit. a, d, e und f GewStG: Keine vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 AO mehr insoweit.

gleichlautende Ländererlasse vom 06.02.2023, BStBl. 2023 I 215

Mit Entscheidungen vom 12.01.2017 – IV R 55/11, BStBl. 2017 II 725 und vom 14.06.2018 – III R 35/15, BStBl. 2018 II 662 hatte der Bundesfinanzhof keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungstatbestände des § 8 Nr. 1 lit. a, d, e und f geäußert. Die gegen die Entscheidung vom 14.06.2018 – III R 35/15, BStBl. 2018 II 662 eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 05.09.2021 – 1 BvR 2150/18 durch das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit bestehen keine Gründe für eine vorläufige Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages hinsichtlich der genannten Hinzurechnungstatbestände.

Digitaler Gewerbesteuerbescheid

Häufig gestellte Fragen zum digitalen Gewerbesteuerbescheid, Elster.de

Nach einer Erhebung des DIHK werden in Deutschland ca. 600 verschiedene Formate für Gewerbesteuerbescheide verwendet. Ab 2023 sollen diese Formate nach dem Onlinezugangsgesetz, BGBl. 2017 I 3122 in einen digitalen Gewerbesteuerbescheid zusammengeführt werden.

Dazu sollen die kommunalen System an Elster und Elster-Transfer angeschlossen werden.

Zum Zwecke der Umsetzung wird die Möglichkeit geschaffen, bereits bei der Steuererklärung dem digitalen Bescheidversand nach § 122a AO auch bezogen auf den Gewerbesteuerbescheid zuzustimmen. Im Zerlegungsfall gilt die Zustimmung für alle Kommunen, die an der Zerlegung beteiligt sind.

Der Bescheid als solcher wird als PDF-Dokument und/oder als XML-Datensatz bereitgestellt werden.

In diesen Fällen gilt die Bekanntgabefiktion des § 122a Abs. 4 AO. Hiernach gilt der Bescheid als am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung der Daten als an die zum Abruf berechtigte Person als bekannt gegeben. Ist der Zugang dieser Nachricht nicht nachweisbar, ist der Tag des tatsächlichen Datenabrufes maßgeblich.

§ 173 Abs. 1 AO: Art und Umfang der Änderung eines Zerlegungsbescheides

FG Düsseldorf vom 11.05.2022 – 2 K 3400/18 G, GmbH-StB 2023, 21

Der Gewerbesteuermessbescheid ist Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerzerlegungsbescheid.

Die Änderung des Messbetragsbescheides eröffnet die Möglichkeit der Änderung des Zerlegungsbescheides nach § 175 Abs. 1 S. 1 AO in Verbindung mit § 185, § 184 Abs. 1 S. 3 AO.

Bei der Änderung des Zerlegungsbescheides ist die Hemmung der Verjährung nach § 171 Abs. 10 S. 1 AO zu beachten. Eine Änderung des Messbetragsbescheides eröffnet damit die Möglichkeit der Änderung des Zerlegungsbescheides. Es ist insoweit zu beachten, dass nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO eine Feststellung auch dann möglich ist, wenn für diese isoliert betrachtet die Verjährung bereits eingetreten ist, aber die Feststellung für eine Feststellung von Bedeutung ist, für die noch kein Verjährung eingetreten ist. Das setzt nach § 181 Abs. 5 S. 2 AO jedoch voraus, dass auf die Anwendung der Regelung im Feststellungsbescheid hingewiesen wird. Das Fehlen des Hinweises führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheides.

Allerdings berechtigt die Änderung des Messbetragsbescheides nicht zur Änderung des Zerlegungsmaßstabes.

Zulässig ist jedoch die Verteilung des Unterschiedsbetrages zwischen dem bisher festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages und dem neu festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages nach einem rechtmäßigen und vom dem bei der bisherigen Zerlegung angewandten Zerlegungsmaßstab vorzunehmen, BFH vom 20.04.1999 – VIII R 13/97, BStBl. 1999 II 542.

Die Änderung des Zerlegungsmaßstabes kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer allgemeinen Änderungsvorschrift in Bezug auf die Tatbestände der Gewerbesteuerzerlegung erfolgen. Im Übrigen besteht eine Bindung an die Gewerbesteuerzerlegung, BFH vom 24.03.1992 – VIII R 33/90, BStBl. 1992 II 809.

Kommt die Änderung des Zerlegungsmaßstabes nach § 173 Abs. 1 AO in Betracht, so ist der Tatbestand hinsichtlich um das Tatbestandsmerkmal des groben Verschuldens teleologisch zu reduzieren, da eine Änderung des Zerlegungsmaßstabe immer zu einer Erhöhung der Steuer auf einer und eine Ermäßigung der Steuer auf anderer Seite führt, BFH vom 24.03.1992 – VIII R 33/90, BStBl. 1992 II 869. Maßgeblich ist daher lediglich, ob eine Tatsache oder ein Beweismittel bekannt wird, dessen Berücksichtigung zu einer anderen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages führen würde.

§ 2 Abs. 1 S. 1, 3 GewStG: Begründung Betriebsstätte durch Beauftragung einer Dienstleistungsgesellschaft

BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, NWB TAAAJ-19594

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 21.11.2019 – 9 K 11108/17, EFG 2020, 669]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der stehenden Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Ein Gewerbebetrieb wird im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG.

Das Gewerbesteuerrecht enthält keine Definition einer Betriebsstätte, so dass auf den allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zurückgegriffen werden kann. Demnach bildet jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient eine Betriebsstätte.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage eine feste Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von gewisser Dauer ist und über die die steuerpflichtige Person nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Dabei ist von einer nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht auszugehen, wenn die steuerpflichtige Person eine Rechtsposition inne hat, die ihr nicht mehr ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend ist die tatsächliche Mitbenutzung, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84, und die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922.

Soweit die steuerpflichtigen Person rechtlich befugt ist Einrichtungen und Anlagen eines anderen Unternehmens zu nutzen und dies durch eigene Beschäftigte oder durch überlassene Beschäftigte, die der steuerpflichtigen Person gegenüber weisungsgebunden sind, oder durch Subunternehmen tatsächlich auch erfolgt, kann eine Betriebsstätte einer steuerpflichtigen Person auch innerhalb der Betriebsstätte einer anderen Person liegen, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.

Ist die steuerpflichtige Person nicht befugt die Einrichtungen und Anlage eines anderen Unternehmens zu nutzen, kann dennoch eine Betriebsstätte der steuerpflichtigen Person am Standort des anderen Unternehmens begründet werden. Das ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten sachlichen und personellen Organismus in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit operativ nachzugehen, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Eine solche eigene Tätigkeit kann angenommen werden, wenn eine Personenidentität der Leitungsorgane vorliegt, die eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht, BFH vom 08.06.2015 – I B 3/14, BSH/NV 2015, 1553.

Die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage muss des Weiteren der Tätigkeit des Unternehmens dienen. Die schlichte Überlassung der Sache selbst an eine andere Person im Rahmen der Vermietung und Verpachtung genügt dem nicht, BFH vom 10.02.1988 – VIII R 159/84, BStBl. 1988 II 653. Erforderlich ist vielmehr die Entfaltung einer eigenen Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.

§ 35 Abs. 2 S. 1 EStG: tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer – Unterbleiben der Gewerbesteuerfestsetzung

BFH vom 28.10.2021 – IV R 12/19, NWB OAAAI-02738

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer nach § 35 Abs. 1 S. 1 um das Vierfache (bis 2019 um das 3,8 fache) des für das Unternehmen festgestellten (bei Mitunternehmerschaften: anteiligen) Steuermessbetrages (Gewerbesteuer-Messbetrag) .

Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrages ist auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt, § 35 Abs. 1 S. 4 EStG.

Bei Mitunternehmerschaften sind der Betrag des Gewerbesteuer-Messbetrages, die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer und der auf die einzelne mitunternehmerschaftlich verbundene Person entfallende Anteil gesondert und einheitlich festzustellen, § 35 Abs. 2 S. 1 EStG. Zuständig für die Feststellung ist das für die Feststellung der Einkünfte zuständige Finanzamt, § 35 Abs. 3 S. 1 EStG.

Die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrages, die Feststellung des Anteils an dem festzusetzenden Gewerbesteuer-Messbetrages und die Festsetzung der Gewerbesteuer sind Grundlagenbescheid für die Ermittlung der Steuerermäßigung im Sinne des § 35 Abs. 1 EStG, § 35 Abs. 3 S. 2 EStG. Die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrages, die Festsetzung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrages aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft sind Grundlagenbescheide für die Ermittlung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrages im Sinne des § 35 Abs. 2 EStG, § 35 Abs. 3 S. 3 EStG.

Für die Aufteilung und die Feststellung der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer bei Mitunternehmerschaften gilt das vorstehende entsprechend, § 35 Abs. 4 EStG.

Bei allen vorgenannten Feststellungen handelt es sich um eigenständige Verwaltungsakte, selbst wenn diese zusammen mit anderen Verwaltungsakten in einem Sammelbescheid zusammengefasst wurden, BFH vom 22.09.2011 – IV R 8/09, BStBl. 2012 II 183.

Nach § 155 Abs. 2 AO kann der Folgebescheid auch dann ergehen, wenn der Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist. Das gilt nach § 181 Abs. 1 S. 1 AO auch im Feststellungsverfahren. In diesen Fällen liegen sog. Vorab-Folgebescheide vor. Im Rahmen dieser Bescheide werden die erwarteten Feststellungen der Grundlagenbescheide im Rahmen einer Schätzung nach § 162 Abs. 5 AO als Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid verarbeitet. Mithin erlaubt es das Verfahrensrecht eine erkennbar einstweilige Regelung zu treffen, die einem noch zu erlassenden Grundlagenbescheid vorgreift, BFH vom 25.11.2020 – II R 3/18, BFHE 272, 1.

Ergeht in der Folgezeit ein Grundlagenbescheid ist der Vorab-Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.

Kommt es in der Folgezeit jedoch nicht zum Erlass des Grundlagenbescheides, bleibt es beim bisherigen – geschätzten – Ansatz, BFH vom 03.12.2008 – X R 3/17, BFH/NV 2009, 711.

Unterbleibt der Erlass eines Grundlagenbescheides findet § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO keine Anwendung. In dem Unterlassen der Festsetzung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde liegt auch keine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO, die den Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO eröffnen könnte.

Auch der Eintritt der Festsetzungsverjährung betreffen den Grundlagenbescheid eröffnet den Anwendungsbereich der Änderungsvorschrift nicht. Das gilt auch für den Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Weder das Unterlassen der Gewerbesteuerfestsetzung noch der Eintritt der Festsetzungsverjährung ändern den maßgeblichen Sachverhalt rückwirkend. Die Verjährung führt lediglich dazu, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen, § 47 AO. Das der steuerbegründende Tatbestand verwirklicht wurde, bleibt indes unbeeinflusst. Auch die Unterlassung der Steuerfestsetzung beeinflusst die Verwirklichung des Steuertatbestandes nicht, BFH vom 08.11.2006 – II R 13/05, BFH/NV 2007, 641.

§ 35 EStG: Änderung der Anrechnung der tatsächlich gezahlten Steuer bei Eintritt der Festsetzungsverjährung der Gewerbesteuer vor Erlass eines Gewerbesteuerbescheides

BFH vom 28.10.2021 – IV R 12/19, NWB OAAAI-02738 [Vorinstanz: FG München vom 21.02.2019 – 15 K 1181/18, ]

Nach § 35 EStG erfolgt die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer. In der Höhe ist die Anrechnung auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer nach § 35 Abs. 2 S. 1 EStG begrenzt. Ergeht ein Gewerbesteuerbescheid, ist dieser nach § 35 Abs. 4, Abs. 3 S. 3 EStG Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO für die Anrechnung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung. Ein bereits ergangener Einkommensteuerbescheid könnte nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO in der Folge geändert werden.

Unterbleibt die Gewerbesteuerfestsetzung und tritt die Festsetzungsverjährung ein hat der Eintritt der Festsetzungsverjährung keinen Grundlagenbescheidcharakter. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung qualifiziert nicht als Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 163 AO. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtfertigt mithin keine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO.

Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt auch nicht zu einem rückwirkenden Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Denn das würde voraussetzen, dass ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob eine steuerliche Wirkung gegeben ist, ist anhand des materiellen Steuerrechts zu beantworten, BFH vom 19.07.1993 – GrS 2/92, BStBl. 1993 II 897. Weder das Unterlassen einer fristgerechten Festsetzung der Gewerbesteuer noch der Eintritt der Festsetzungsverjährung stellen ein rückwirkendes Ereignis dar. Das mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung eintretene Erlöschen des Steuerschuldverhältnisses wirkt nur für die Zukunft, BFH vom 08.11.2006 – II R 13/05, BFH/NV 2007, 641. Nicht entscheidungserheblich ist, ob ein Erlass nach § 227 AO im Erhebungsverfahren ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist, so aber BMF vom 03.11.2016 – IV C 6-S 2996a/08/10002, BStBl. 2016 I 1187.

§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG: Hinzurechnung von Stückzinsen bei Rückgabe eines Sachdarlehens

BFH vom 07.10.2021 – III R 15/18, BStBl. 2022 II 625

[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 21.02.2018 – 3 K 3018/15, EFG 2018, 1121]

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Der Hinzurechnung unterliegen die in § 8 GewStG genannten Beträge, wenn sie bei der Emittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Eine Hinzurechnung ist damit ausgeschlossen, wenn ein Geschäftsvorfall nicht zu Aufwand führt. Das ist dann der Fall, wenn ein Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang vorliegt. Wird eine festverzinsliche Anleihe während der Laufzeit erworben, sind zwei Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Zum einen ist dass das Stammrecht sowie die seit dem letzten Zinszahlungszeitpunkt aufgelaufenen Stückzinsen.

Schuldet die steuerpflichtige Person im Rahmen eines Sachdarlehens die Rückgabe eines festverzinslichen Wertpapieres, das sie während der Vertragslaufzeit veräußert hat und zum Ende der Laufzeit zurückerwirbt, hat sie vor der Rückgabe des Wertpapieres zwei Wirtschaftsgüter zu aktivieren. Die verauslagten Stückzinsen führen nicht zu Aufwand.

Aus diesem Grund scheidet eine Hinzurechnung der Differenz zwischen den erhaltenen Stückzinsen bei Veräußerung des festverzinslichen Wertpapieres und dem Rückerwerb des festverzinslichen Wertpapiers vor Fälligkeit des Sachdarlehens, also des wirtschaftlichen Zinsbetrages, aus diesem Grund aus.

Im Übrigen kommt eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG nur für Entgelte für Schulden in Betracht. Hierbei handelt es sich um die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital, BFH vom 09.08.2000 – I R 92/99, BStBl. 2001 II 609. Keine Hinzurechnung erfolgt, soweit Leistungen nicht für die Nutzung oder die Nutzungsmöglichkeit von Fremdkapital erbracht werden.

Damit scheiden Zahlungen an andere Personen als die darlehensgewährende Person im Rahmen der Hinzurechnung aus. Soweit im Rahmen eines Sachdarlehens die schuldende Person die überlassene Sache während der Vertragsdauer veräußert und für den Rückgabezeitpunkt zurückerwirbt und dabei Mehrkosten entstehen, handelt es sich nicht um Zinsen, die gegenüber der darlehensgebetenden Person zu entrichten sind. Es liegen keine Entgelte für Schulden vor.

Für eine abweichende wirtschaftliche Betrachtung besteht kein Spielraum.

Auch ist nicht ersichtlich, dass eine solche Vertragsgestaltung einen Anwendungsfall des § 42 AO bildet.

§ 28 GewStG: Allgemeine Erkenntnisse zum Betriebsstättenbegriff aufgrund der Entflechtung von Energieunternehmen

BFH vom 18.02.2021 – III R 8/19, DStR 2021, 8

[Vorinstanz FG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2018 – 5 K 5039/18, EFG 2020, 1327]

Zu einer Zerlegung kommt es nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG nur dann, wenn im Erhebungszeitraum in mehreren Gemeinden Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden. Das gilt nach § 28 Abs. 1 S. 2 GewStG auch dann, wenn sich die Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt (mehrgemeindliche Betriebsstätte).

Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte im zerlegungsrechtlichen Sinn setzt voraus, dass in dem Gebiet jeder betroffenen Gemeinde für sich betrachtet die Aktivität der steuerpflichtigen Person die Voraussetzung einer Betriebsstätte erfüllt, BFH vom 08.03.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735.

Da das Gewerbesteuerrecht den Begriff der Betriebsstätte selbst nicht definiert, ist auf die Begriffsdefinition des § 12 AO zurückzugreifen, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO ist eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von gewisser Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die die steuerpflichtige Person eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. 1997 II 12.

Unerheblich ist es, ob die Geschäftseinrichtungen oder Anlagen an der Erdoberfläche sichtbar sind, BFH vom 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. 1997 II 12. Damit können auch Erdleitungen Geschäftseinrichtungen oder Anlagen sein.

Eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht setzt voraus, dass der steuerpflichtigen Person eine Rechtsposition zusteht, die ihr nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend wäre jedoch, dass lediglich eine tatsächliche Mitbenutzung erfolgt bzw. möglich wäre, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Ebensowenig ausreichend wäre die Berechtigung zur Nutzung im Interesse einer anderen Person, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07; BStBl. 2008 II 922. Eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht liegt auch dann vor, wenn die steuerpflichtige Person berechtigt ist, die Einrichtung oder Anlage einer anderen Person nach den Bedürfnissen ihres Unternehmens zu nutzen.

Des Weiteren setzt der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO im Lichte des § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG voraus, dass die Einrichtung oder Anlage unmittelbar der Tätigkeit des Unternehmens dient, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782. Denn nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG wird vorausgesetzt, dass die Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten werden müssen. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung dort ausgeübt wird, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die steuerpflichtige Person selbst, die bei ihr beschäftigten Personen, fremdes weisungsabhängiges Personal oder Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung bzw. Anlage tätig werden, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Dem entgegen nicht ausreichend sind Eigentum oder Besitz an Immobilien, die lediglich Dritten überlassen werden, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78. Hieran ändern auch die mit der Überlassung verbundenen Verwaltungsarbeiten nichts. Das gilt selbst dann, wenn die nutzungsüberlassende Person sich das Recht zur Betretung des Grundstücks und zur Prüfung von Geschäftsvorfällen oder sogar die Kontrolle des Betriebsablaufes vorbehalten hat, BFH vom 18.09.2019 – III R 3/19, HFR 2020, 638; BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782. Etwas anderes kann sich jedoch dann ergeben, wenn die nutzungsüberlassende Person mit Nachhaltigkeit im oder am überlassenen Objekt tätig wird, BFH vom 13.06.2006 – I R 84/05, BStBl. 2007 II 94. Soweit Einrichtungen vollautomatisch arbeiten ist für die Annahmen einer Betriebsstätte ausreichend, dass die steuerpflichtige Person mit der Geschäftseinrichtung tätig wird, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84. Befinden sich die Anlagen in fremden Gebäuden, ist auch dann eine Betriebsstätte anzunehmen, wenn der steuerpflichtigen Person das Recht eingeräumt worden ist, das Gebäude zu den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zu betreten und die anfallenden Wartungsarbeiten an ihren Anlagen vorzunehmen, BFH vom 25.05.2000 – III R 20/97, BStBl. 2001 II 365 betreffend Satellitenempfangsanlagen. Nicht ausreichend ist jedoch die reine Überwachung und Steuerung der Anlage per Datenfernübertragung, BFH vom 30.06.2005 – III R 47/03, BStBl. 2006 II 78.

Auch (Rohr-)Leitungssysteme können diese Voraussetzungen erfüllen.

Ist eine steuerpflichtige Person an einer Mitunternehmerschaft beteiligt, werden weder ihr die Betriebsstätten der Tochtergesellschaft noch die diese begründenden Merkmale der mitunternehmerisch beteiligten Person dergestalt zugerechnet, dass die mitunternehmerisch beteiligte Person insoweit selbst eine Betriebsstätte unterhält. Ein analoge Anwendung von § 2 Abs. 4 ZerlG scheidet insoweit aus, da sich die Besteuerungssituationen im ertragsteuerlichen (Anwendungsbereich des ZerlG) und im gewerbesteuerlichen Sinne wegen § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG wesentlich unterscheiden.