Nichtanwendungserlass zu BFH vom 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. 2022 II 123

BMF vom 14.01.2022 – IV C2 – S 2770/20/10001, BStBl. 2022 I 160

Nicht streitergeblich war die Aussage des BFH:

Der Wortlaut (auch des § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG setzt voraus, dass neben den Einkünften aus Gewerbebetrieb – i.S.v. voneinander abgrenzbaren Tätigkeiten – auch Einkünfte einer anderen Einkunftsart erzielt werden […]. Besteht – wie im Streitfall – die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich in dem Halten der Anteile an einer anderen Personengesellschaft und verfügt die Personengesellschaft über kein weiteres Vermögen, mittels dessen Einkünfte erzielt werden, ist § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG nicht
anwendbar.

Die Aufwärtsabfärbung ist daher nicht ausgeschlossen, wenn die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich im Halten von Anteile an anderen Personengesellschaften besteht und die Oberpersonengesellschaft kein weiteres Vermögen hat, das zur Einkünfteerzielung dient.

§ 18 Abs. 4 EStG: Einkünfte aus selbständiger Arbeit einer Mitunternehmerschaft unter Berücksichtigung arbeitsteiliger Organisation

FG Rheinland-Pfalz vom 16.09.2021 – 4 K 1270/19, NWB ZAAAI-04081

Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen vor, wenn die Tätigkeit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Tätigkeit nicht zu Einkünften aus § 18 EStG führt. Einkünfte aus § 18 EStG erzielt eine Personengesellschaft nur dann, wenn alle mitunternehmerisch verbundenen Personen die Voraussetzungen des § 18 EStG in ihrer Person erfüllen. Dazu gehört neben den Merkmalen der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos auch die Ausübung einer in § 18 EStG genannten Tätigkeiten. Eine Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG übt nur die Person aus, die an der konkreten Leistungserbringung mitwirkt und sie die Leistung leitend und eigenverantwortlich erbringt.

Mitunternehmerinitiative entfaltet eine Person, wenn ihr zumindest die Informations- und Kontrollrechte eines Kommanditisten zustehen.

Mitunternehmerrisiko trägt eine Person, wenn Sie am Gewinn und Verlust beteiligt ist und ihr ein Anteil am Liquidationserlös zusteht.

Die Ausübung einer Leistung setzt voraus, dass die einzelnen Person selbst die Leistungen aus selbständiger Arbeit erbringt und soweit sie sich fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, leitend und eigenverantwortlich tätig ist, der Leistung also den Stempel der eigenen Persönlichkeit aufdrückt. Zwar ist von einer leitenden Tätigkeit noch zu sprechen, wenn sich die mitunternehmerisch verbundenen Person auf die Organisation des Fachbereiches zurückzieht und diesen durch Anweisungen und Kontrollen dominiert. Es mangelt in diesen Fällen jedoch an der eigenverantwortlichen Leistungserbringung, die eben voraussetzt, dass die mitunternehmerisch verbundene Person die fachliche Verantwortung für die konkret Leistung trägt. Das setzt allerdings Ausübung wesentlicher Leistungshandlung in eigener Person voraus, BFH vom 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. 2011 II 506. Übt eine mitunternehmerisch verbundene Person die Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG hiernach nicht aus, scheidet die Annahme einer mitunternehmschaftlichen Erzielung von Einkünften im Sinne des § 18 Abs. 4 EStG aus. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die mitunternehmerisch verbundene Person selbst keine Leistungen im Sinne des § 18 EStG erbringt und statt dessen Verwaltungsaufgaben oder Repräsentationsaufgaben übernimmt.

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: Abfärbung bei mitunternehmerschaftlichen Beteiligung einer Mitunternehmerschaft, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt

FG Hamburg vom 25.02.2021 – 3 K 139/20, NWB MAAAH-78693 [NZB Verw.]

Objekt der Gewerbesteuer ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der Gewerbebetrieb. Eine Definition des Gewerbebetriebes enthält das Gewerbesteuerrecht nicht (mehr). Die frühere Definition der GewStDV wurde in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher knüpft das Gewerbesteuerrecht hinsichtlich der Definition des Gewerbebetriebes an das Einkommensteuerrecht an, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG. Hiernach ist aber nicht nur der in § 15 Abs. 2 EStG definierte Betrieb ein Gewerbebetrieb. Die Regelung des § 15 Abs. 3 EStG fingiert zudem in Nr. 1 den Gewerbebetrieb kraft Abfärbung sowie in Nr. 2 den Gewerbebetrieb kraft Prägung. Gewerbebetrieb kraft Abfärbung kann zum einen bei einer Mitunternehmerschaft vorliegen, die neben einer anderen auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt (Seitwärtsabfärbung). Zum anderen liegt ein Gewerbebetrieb kraft Abfärbung auch dann vor, wenn sich eine nicht gewerblich tätige Mitunternehmerschaft an einer anderen Mitunternehmerschaft beteiligt, die selbst gewerbliche Einkünfte erzielt (Aufwärtsabfärbung). Diese Regelungen dienen zum einen der Vereinfachung der Besteuerung und zum anderen dem Schutz des Steueraufkommens.

Aufgrund der gravierenden Rechtsfolge, die sich aus der Fiktion gewerblicher Einkünfte ergibt, hat die Rechtsprechung zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 1 Var. EStG herausgearbeitet, dass eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes voraussetzt, ohne dass bis zu 3 % der Einnahmen der Mitunternehmerschaft aus gewerblicher Tätigkeit (relative Grenze) stammen können, dass die Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG ausgelöst wird. Zur Vermeidung übermäßger Vorteile für große Personengesellschaften dürfen die Einnahmen EUR 24.500 jedoch nicht übersteigen (absolute Grenze).

Hinsichtlich der Regelungen zur Aufwärtsabfärbung erkennt die Rechtsprechung des BFH diese für Zwecke der Einkommensteuer als verfassungskonform an, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994. Daher sind im Feststellungsverfahren insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb festzustellen.

Für Zwecke der Gewerbesteuer ist jedoch zu beachten, dass die Mitunternehmerschaft, die die Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG auslöst, selbst nach § 5 Abs. 1 GewStG Steuerschnuldnerin ist. Zudem ist zu beachten, dass Verluste dieser Mitunternehmerschaft für Zwecke der Gewerbebesteuerung auf Ebene der mitunternehmerisch beteiligten Person nach § 8 Nr. 8 GewStG wieder hinzugerechnet werden und Gewinne nach § 9 Nr. 2 GewStG gekürzt werden, was im Ergebnis eine doppelte Berücksichtigung des Gewerbeertrages der Mitunternehmerschaft vermeidet. § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG kann also auf Ebene der Gewerbesteuer nicht die Funktion des Schutzes des Gewerbesteueraufkommens haben. Zudem führt eine Aufwärtsabfärbung nicht zu einer Vereinfachung der Besteuerung.

Daher hatte der BFH bereits für den Fall der Aufwärtsabfärbung bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft für Zwecke der Gewerbesteuer entschieden, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG verfassungskonform einzuschränken sei und es nicht zu einer Aufwärtsabfärbung kommt, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung handelt es sich jedoch nur um ein orbiter dictum, gleichlautende Ländererlasse vom 01.10.2020, BStBl. 2020 I 1032.

Dem tritt nun das FG Hamburg für den Fall einer Mitunternehmerschaft mit Einkünften aus selbständiger Arbeit und einer mitunternehmerischen Beteiligung, aus der sie gewerbliche Einkünfte bezieht, entgegen und führt zum einen aus, dass die Entscheidung des BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFH/NV 2019, 994 materiell-rechtlich zutreffend ist. Zudem nimmt das Finanzgericht Hamburg in einem sog. obiter dictum Stellung zur verfahrensrechtlichen Einordnung der Ausführungen des IV. Senates und stellt heraus, dass es sich entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht um ein obiter dictum, sondern um tragende Entscheidungsgründe handelt. Denn diese Erwägungen können im Entscheidungsfall des Bundesfinanzhofes nicht hinweggedacht werden, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele.

In der Folge dieser Erwägungen kommt das Finanzgericht Hamburg daher zu der Erkenntnis, dass es auch im Fall der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit durch eine Mitunternehmerschaft für Zwecke der Gewerbesteuer aufgrund einer verfasungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG nicht zu einer Aufwärtsabfärbung kommt.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 S. 1 EStG – sachliche Steuerpflicht – Pokerspieler

BFH vom 25.02.2021 – III R 67/18, BFH/NV 2021/1070

[Vorinstanz FG Münster vom 12.10.2018 – 14 K 799/11 E, G, EFG 2018, 2019].

Die Tätigkeit eines Berufspokerspielers kann ertragsteuerlich zu Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG führen. Denn der Erfolg beim Pokerspiel beruht auf Glück und Geschick, BFH vom 16.09.2015 – X R 43/12, BStBl. 2016 II 48, und zeigt sich daher als Betätigung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.

Darin unterscheidet sich das Pokerspiel von reinen Glücksspielen, wie Rennwetten, RFH vom 30.06.1927 – VI A 261/27, RFHE 21, 244, Lotteriespielen, RFH vom 14.03.1928 – VI A 783, 27, RStBl. 1928, 181 und auch von Black Jack, BFH vom 07.11.2018 – X R 34/16, BFH/NV 2019, 686.

Für die Beurteilung der Gewerblichkeit der Spielaktivität ist es unerheblich, ob die spielende Person Gewinne aus ausgelobten Platzierungsprämien oder aus dem Verlust der mitspielenden Personen generiert. Es ist mithin unerheblich, ob die spielende Person an Turnieren teilnimmt oder ein Casino besucht.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im zweiten Rechtszug die Frage zu klären ist, ob und in welchem Umfang der Berufspokerspiele über eine Betriebsstätte im Inland verfügt hat.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG: einheitlicher Gewerbebetrieb – hier: zwei Tankstellen in räumlicher Nähe

FG Düsseldorf vom 23.06.2020 – 10 K 197/17 K

Die Frage, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb oder mehrere Gewerbebetriebe vorliegen ist im Gewerbesteuerrecht an verschiedenen Stellen von grundlegender Bedeutung. So kennt das Gewerbesteuerrecht als Objektsteuerrecht keine Verlustverrechnung zwischen verschiedenen Steuerobjektes. Auf der anderen Seite gewährt § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewSt jedem Gewerbebetrieb einen Freibetrag von EUR 24.500, der von einer natürlichen Person oder Personengesellschaft betrieben wird.

Ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb oder mehrere Gewerbebetriebe vorliegen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen. Sachlich selbständig sind Bereiche, die weder finanziell, noch organisatorisch oder finanziell zusammenhängen. Umgekehrt bilden die Betätigungen eine Einheit, wenn sie sachlich zusammenhängen, RFH vom 21.12.1938 – VI 730/38, RStBl. 1939, 372. Allein die Gleichartigkeit der Betriebe begründet jedoch noch keinen einheitlichen Betrieb. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass ein Gleichartigkeit der Betätigung durchaus für einen einheitlichen Betrieb spricht, BFH vom 30.06.1961 – IV 426/60, BFH vom 14.09.1965 – I 64/63, BStBl. 1965 III 656.

Ein organisatorischer Zusammenhang ist gegeben, wenn die Unternehmensbereiche in einem Geschäftslokal untergebracht sind, unter Einsatz derselben Arbeitskräfte ausgeübt oder die Waren oder Betriebsmittel gemeinsam eingekauft und bezahlt werden, BFH vom 18.12.1996 – XI R 63/96, BStBl. 1997 II 573.

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Betätigungen gleichartig sind oder sich – bei ungleichartiger Betätigung – gegenseitig stützen und ergänzen, BFH vom 18.12.1996 – XI R 63/96, BStBl. 1997 II 573. Zudem kann auch die Identität oder die Verschiedenheit des Kunden- und Lieferantenkreis sowie die Zusammesetzung des Aktivvermögens und dessen Finanzierung Ausdruck des wirtschaftlichen Zusammenhangs sein, BFH vom 12.01.1978 – IV R 26/73, BStBl. 1978 II 348.

Ein finanzieller Zusammenhang fehlt, wenn getrennt Aufzeichnungen geführt, eigene Bankkonten unterhalten, getrennte Kassenabrechnungen vorgenommen und für jeden Betrieb gesonderte Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen erstellt werden.

Das FG Düsseldorf kommt in seiner Entscheidung zu der Überzeugung, dass alleine die Führung separater Bankkonten und damit eine finanzielle Trennung nicht zur Begründung verschiedener Gewerbebetriebe führen kann, wenn ein wirtschaftlicher und organisatorischer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bereichen weiterhin gegeben ist.

§ 14 GewStG: abgekürzter Erhebungszeitraum – Anknüpfung an die sachliche Steuerpflicht

BFH vom 19.12.2019 – IV R 8/17, BStBl. 2020 II 401

[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 18.05.2017 – 1 K 3691/15, EFG 2017, 1183]

Der Steuermessbetrag ist nach § 14 S. 1 GewStG für den Erhebungszeitraum festzustellen. Erhebungszeitraum ist nach § 14 S. 2 GewStG das Kalenderjahr. Besteht die sachliche Gewerebsteuerpflicht nicht während des gesamten Kalenderjahres, tritt an die Stelle des Kalenderjahres der Zeitraum der sachlichen Steuerpflicht, § 14 S. 3 GewStG (abgekürzter Erhebungszeitraum).

Die sachliche Steuerpflicht knüpft an den Steuergegenstand gemäß § 2 GewStG an. Steuergegenstand ist der stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG. Gewerbebetrieb sind das originär gewerbliche Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG sowie die fiktiven Gewerbebetriebe im Sinne des § 15 Abs. 3 EStG, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG.

Das gewerbliche Unternehmen umfasst nicht nur die Gesamtheit der sachlichen Grundlagen des Betriebes und die mit ihnen ausgeübte Tätigkeit, sondern auch deren Beziehung zu dem oder den Unternehmen des Betriebes, BFH vom 03.04.2008 – IV R 54/04, BStBl. 2008 II 742. Hieraus folgt, dass die Steuerpflicht nach § 14 S. 3 GewStG nicht an die persönliche Steuerpflicht, sondern ausschließlich an die sachliche Steuerpflicht (=Steuerschuldnerschaft) anknüpft, BFH vom 25.04.2018 – IV R 8/16, BStBl. 2018 II 484. Diese ist zugleich Ausdruck der Steuerschuldnerschaft.

Der Fortbestand der Unternehmensidentität ist unter wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung zu prüfen, BFH vom 13.04.2017 – IV R 49/15, BFHE 257, 441.

Prüfungskriterien sind insbesondere

  • die Art der Betätigung,
  • der Kunden- und Lieferantenkreis,
  • die Arbeitnehmerschaft,
  • die Geschäftsleitung,
  • die Betriebsstätte und
  • die Zusammensetzung des Anlagevermögens.

Das gilt auch für Mitunternehmerschaften, bei denen die einzelnen Mitunternehmer Träger des Verlustabzuges sind. Denn die Gesamtheit der Mitunternehmer üben die gewerbliche Tätigkeit aus.

Die sachliche Steuerpflicht findet ein Ende, wenn der Betrieb eingestellt wird, BFH vom 04.05.2017 – IV R 2/14, BStBl. 2017 II 1138. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmensgegenstand eines operativ tätigen Unternehmens zum Vermietungs- und Verpachtungsunternehmen wechselt. In diesem Fall endet die sachliche Steuerpflicht des operativen Unternehmens und ein beginnt eine neue sachliche Steuerpflicht des fortbestehenden Unternehmens.

In der Vergangenheit hatte der Senat entschieden, dass eine Betriebsaufgabe regelmäßig zu verneinen sei wenn wesentliche Betriebsgrundlagen, insbesondere Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven in einem neuen, weitergeführten Betrieb überführt werden, so noch BFH vom 03.04.2014 – IV R 12/10, BStBl. 2014 II 1000. Das hatte zur Folge, dass bei Überführung wesentlicher Betriebsgrundlage in die neue Tätigkeit, die sachlich Steuerpflicht der bisherigen Tätigkeit sich in der neu ausgeübten Tätigkeit fortsetzte. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest. Nach neuerem Verständnis ist die Überführung von wesentlichen Betriebsgrundlagen – vor allem wenn sich die Wesentlichkeit aus den in ihnen ruhenden stillen Reserven ergibt – nicht mehr allein tragend um eine Betriebsfortführung und damit eine fortbestehende sachliche Steuerpflicht anzunehmen. Maßgeblich ist nach neuerer Rechtsprechung der Vergleich der bisherigen mit der neuen Tätigkeit unter Berücksichtigung der zur Unternehmensidentität im Sinne des § 10a GewStG entwickelten Kriterien, BFH vom 13.04.2017 – IV R 49/15, BFHE 257, 441.

Ob die Voraussetzungen der Einstellung des bisherigen Betriebes und der Neubegründung eines Betriebes gegeben sind, bestimmt sich danach, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsanschauung ein einheitlich fortbestehender Betrieb gegeben ist, BFH vom 13.04.2017 – IV R 49/15, BFHE 257, 441.

Daher scheidet ein Fortbestand der Unternehmensidentität aus, wenn die unternehmerische Betätigung von einer operativen Tätigkeit zu einer reinen Verpachtungstätigkeit wechselt. Das gilt nach Ansicht des Senates auch dann, wenn in Folge des Wechsels von der operativen Tätigkeit zur Verpachtungstätigkeit eine Betriebsaufspaltung entsteht und das Verpachtungsunternehmen aus diesem Grund weiterhin originär gewerbliche Einkünfte bezieht und wegen der Merkmalszurechnung ggfs. sogar die identische Tätigkeit fortführt. Dem liegt zu Grunde, dass zuvor die operative Tätigkeit eingestellt wurde, BFH vom 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl. 2020 II 147.

Liegen die Voraussetzungen für die Fortführung des bisherigen Betriebes nicht vor, besteht auch die Unternehmensidentität nicht fort.

Mit dem Wegfall der Unternehmensidentität scheidet auch die Verrechnung eines Verlustvortrages mit einem positiven Gewerbeertrag des neuen Betriebes aus. Umgekehrt wäre eine Verlust, den der neue Betrieb erwirtschaftet, für den neuen Gewerbebetrieb auf den 31.12. des Verlustentstehungsjahres nach § 10a S. 6 GewStG gesondert festzustellen.

Die sachliche Steuerpflicht endet nach § 2 Abs. 5 GewStG, wenn der bisherige Unternehmen sein Unternehmen im Ganzen auf einen anderen Unternehmer überträgt. Das Gesetz fingiert insoweit eine Einstellung des Gewerbebetriebes durch den bisherigen Unternehmen.

Bei Mitunternehmerschaften führt ein partieller Wechsel im Bestand der Mitunternehmer nicht zu einem Unternehmerwechsel im Sinne des § 2 Abs. 5 GewStG, BFH vom 26.06.1996 – VIII R 41/95, BStBl. 1997 II 179. Ein solcher Fall liegt auch dann vor, wenn sämtliche Kommanditanteile zeitgleich auf einen oder mehrere Erwerber übertragen werden, ohne dass die Person des Komplementärs ausscheidet. Denn die Komplementärin ist stets Mitunternehmerin einer Personengesellschaft, das Risiko der Haftungsinanspruchnahme für Verluste zu tragen hat, BFH vom 03.02.2010 – IV R 26/07, BStBl. 2010 II 751.

Das Ende der sachlichen Steuerpflicht führt nach § 14 S. 3 GewStG zu einem Ende des Erhebungszeitraums.

Zu einem Unternehmerwechsel kommt es nur, wenn sämtliche Mitunternehmer, also auch die Komplementärin, aus der das Unternehmen fortführenden Personengesellschaft zeitgleich ausscheiden, BFH vom 26.06.1996 – VIII R 41/95, BStBl. 1997 II 179.

Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG gilt nicht für Zwecke der Gewerbesteuer

BFH Urteil vom 06.06.2019 – IV R 30/16
[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg Urteil vom 22.4.2016 – 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246]

Ist eine Personengesellschaft nicht selbst originär gewerblich tätig, können die durch sie erzielten Einkünfte dennoch zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen.

Das ist bspw. im Fall der Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2 Var. EStG der Fall. Gemeint ist hiermit der Fall, dass eine Personengesellschaft an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist, die selbst – gleich aus welchem Grund – gewerbliche Einkünfte erzielt.

Der IV. Senat des BFH kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Gewerbebesteuerung nicht zur Anwendung gelangt. Folglich unterliegt eine nicht orginiär gewerblich tätige Personengesellschaft auch dann nicht der Gewerbesteuer nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG, wenn sie an einer Personengesellschaft beteiligt ist und von dieser gewerbliche Einkünfte bezieht.

Der IV. Senat erachtet es für notwendig § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG für Zwecke der Gewerbesteuer verfassungskonform einzuschränken, um eine ungerechtfertigte Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen zu vermeiden.

Denn § 15 Abs. 3 EStG findet auf Einzelunternehmen keine Anwendung. Damit scheidet eine Infektion in diesem Fall aus. Da anders als im Fall der Seitwärtsinfektion weder Bagatellgrenzen für den Fall der Aufwärtsinfektion noch Möglichkeiten zur Ausweichgestaltung gegeben sind, sind Personengesellschaften damit strukturell gegenüber Einzelunternehmen benachteiligt.

Diese Benachteigigung ist auch historisch nicht gerechtfertigt, da der Gesetzegeber mit der Einführung der 2. Var. in Nr. 1 lediglich den Rechtszustand wieder herstellen wollte, der sich bis zur Entscheidung des BFH vom 06.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 aus den Entscheidungen des BFH vom 08.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. 1996 II 264 und BFH vom 18.04.2000 – VIII R 68/98, BStBl. 2001 II 359 ergeben hatte und der Gegenstand der Verwaltungspraxis nach R 15.8 Abs. 5 S. 4 EStR 2005 war.

Letztlich lässt sich die Schlechterstellung von Personengesellschaften auch nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens oder einer gebotenen Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens rechtfertigen. Damit unterscheidet sich die 2. Var. erheblich von der 1. Var.

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: keine Anwendung der Aufwärtsabfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG

BFH Urt. v. 06.06.2019 – IV R 30/16

[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22.04.2016 – 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246]

Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG wirkt nur einkommensteuerrechtlich. Gewerbliche Einkünfte, die sich durch Umqualifikation im Wege der Aufwärtsabfärbung ergeben sind nicht gewerbesteuerbar.

2. Leitsatz der Entscheidung:

§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

Der BFH begründet seine Entscheidung wie folgt:

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG wurde als Reaktion auf die Entscheidung des BFH vom 06.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 in das Gesetz eingefügt, um die bisherige Verwaltungsauffassung, wie sie sich aus R 15.8 Abs. 5 S. 4 EStR 2005 ergibt, auf gesetzliche Füße zu stellen. Hiernach führte eine im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehaltene Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft dazu, dass die Einkünfte der Personengesellschaft insgesamt als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren waren.

Die Aufwärtsabfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG führt jedoch wegen der Einheit der Personengesellschaft zu einer Schlechterstellung dieser gegenüber einem Einzelunternehmer, der Einkünfte aus unterschiedlichen Einkunftsarten erzielen kann. Diese Schlechterstellung könne vor allem nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens begründet werden, da die infizierenden Einkünfte der Unterpersonengesellschaft selbst bereits der Gewerbesteuer unterliegen und insoweit keine Besteuerungslücke vorliegt. Folgerichtig werden diese Beteiligungseinkünfte bei der Oberpersonengesellschaft nach § 8 Nr. 8 GewStG und § 9 Nr. 2 GewStG durch Hinzurechnung von Verlusten und Kürzung von Gewinnen neutralisiert.

Zur Vermeidung einer Schlechterstellung der Personengesellschaft gegenüber einem Einzelunternehmen verbiete sich auch die Annahme, dass der Bezug von gewerblichen Einkünften aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Unterpersonengesellschaft als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist.

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG: keine Aufwärtsabfärbung bei der Gewerbesteuer

BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16

[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22.04.2016 – 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246]

An der Klägerin, einer KG, waren ausschließlich natürliche Personen direkt beteiligt. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Ein Gesellschafter übertrug sodann Beteiligungen an Flugzeugleasing-Fonds in der Rechtsform von GmbH & CO. KGs auf die KG. Das zuständige Betriebsstättenfinanzamt dieser Fonds-KG beurteilte die Einkünfte dieser Fonds-KGs als gewerblich und erlies entsprechende Feststellungsbescheide aus denen der Klägerin Verluste aus Gewerbebetrieb zugerechnet wurden.

Bezieht eine Obergesellschaft, die selbst nicht gewerbliche tätig ist und auch nicht gewerblich geprägt ist, daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Rahmen einer Beteiligung an einer Untergesellschaft führt das nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG zur Infektion der Einkünfte der Obergesellschaft. Die Obergesellschaft erzielt damit einkommensteuerlich insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Anders als im Rahmen der Infektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG (Seitswärtsinfektion) besteht nach Ansicht des BFH keine Notwendigkeit zur Berücksichtigung einer Bagatellgrenze bei der Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG.

Für Zwecke der Gewerbesteuer ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG – Aufwärtsinfektion – jedoch im wegen verfassungskonformer Auslegung nicht anzuwenden.

So ist die Aufwärtsabfärbung zum Schutze des Gewerbesteueraufkommens nicht geboten, da auf Ebene der Unterpersonengesellschaft eine Gewerbesteuerpflicht besteht. Im Übrigen erfolgt eine Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG von Gewinnen aus Anteilen an Personengesellschaften und nach § 8 Nr. 8 GewStG eine Hinzurechnung von Verlusten aus Beteiligungen an Personengesellschaften auf Ebene der Obergesellschaft zur Neutralisierung des Ergebnisses der Untergesellschaft. Auch lassen sich die Einkünfte leicht voneinander abgrenzen.

Ähnlich argumentierte der BFH in der Entscheidung vom 29.03.2006 – X R 59/00, BStBl. 2006 II 661 bereits im Fall im Fall der Betriebsaufspaltung, wenn das Betriebsunternehmen die Voraussetzungen der Gewerbesteuerbefreiung verwirklicht. In diesem Fall gilt die Befreiung wegen der Merkmalszurechnung auch für das Besitzunternehmen.

Da bisher noch keine Veröffentlichung der Entscheidung um Bundessteuerblatt erfolgt ist, bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung der Entscheidung folgt. Mit dem Verweis auf die Entscheidung zur Gewerbesteuerbefreiung des Besitzunternehmens im Rahmen der Betriebsaufspaltung, die durch die Finanzverwaltung veröffentlich wurde, hat der BFH zum Ausdruck gebracht, dass er erwartet, dass sich die Finanzverwaltung der Entscheidung anschließen wird.