Geschützt: § 2 Abs. 1 GewStG: Beginn der sachlichen Steuerpflicht einer Personengesellschaft

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Geschützt: § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG; § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 2. Var. EStG: Aufwärtsabfärbung

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§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG: Kaufmännische Führung einer Mitunternehmerschaft durch einen Berufsträger

BFH vom 04.02.2025 – VIII R 4/22, WAAAJ-88437

[Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 16.09.2021 – 4 K 1270/19, KöSDi 2022, 27716]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG. Nach § 15 Abs. 2 EStG setzt die Annahme eines originären Gewerbebetriebes voraus, dass die selbständige und nachhaltige Betätigung nicht als Ausübung eines freien Berufes oder einer anderen selbständigen Arbeit anzusehen ist. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG gehört zu den freiberuflichen Tätigkeiten auch die selbständige Berufstätigkeit der sog. Katalogberufe, zu denen auch der zahnärztliche Beruf gehören.

Nach § 1 Abs. 6 des Zahnheilkundegesetz (ZHG) ist die Ausübung der Zahnheilkunde unter der Berufsbezeichnung „Zahnarzt“ oder „Zahnärztin“ die Ausübung des zahnärztlichen Berufes. Die Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten.

Nach § 1 Abs. 5 und Abs. 6 ist die Delegation bestimmter Tätigkeiten auf Personen mit bestimmter Qualifikation zugelassen.

Nach § 18 Abs. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG finden die Regelungen auch auf Mitunternehmerschaften Anwendung, so dass eine Mitunternehmerschaft Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt, wenn sich die Tätigkeit der Mitunternehmerschaft in der Ausübung einer Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 EStG erschöpft.

Der BFH beschreibt die berufstypische zahnärztliche Tätigkeit als die auf zahnärztlich wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten als persönlichen Dienst am Patienten, BFH vom 12.06.2018 – VIII B 154/17, BFH/NV 2019, 945.

Unerheblich ist eine daneben ausgebübte Tätigkeit organisatorischer oder administrativer Art, die für den Praxisbetrieb erbracht wird. Das gilt selbst dann, wenn sie im Rahmen einer Personengesellschaft ausgeübt wird und ihr Umfang weit überwiegend ist und die übrige Tätigkeit nur noch geringfügigen Umfang hat.

Auch in diesem Fall erfüllt die entfaltete Tätigkeit das Berufsbild des Zahnarztes, denn die kaufmännische Führung und Organisation einer Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen Leistungen und damit auch Ausdruck der berufstypischen Leistungen und damit auch Ausdruck der berufstypischen Mit- und Zusammenarbeit sowie der persönlichen Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit.

Damit erzielt eine Mitunternehmerschaft nicht schon deswegen gewerbliche Einkünfte, weil ein Mitunternehmer kaufmännische und organisatorische Aufgaben in weit übergeordnetem Umfang übernimmt. Auf den Umfang der Ausübung berufspraktischer Arbeiten kommt es nicht an.

Im Entscheidungsfall war der steuerliche Mitunternehmer darüber hinaus in äußerst geringem Maße berufspraktisch tätig. Dennoch hat der zur Entscheidung berufene VIII. Senat des BFH nicht schlicht darauf verwiesen, dass es auf den Umfang der Tätigkeit nicht ankomme, sofern diese überhaupt entfaltet werde. Der VIII. Senat stellte vielmehr heraus, dass auch kaufmännische und organisatorische Arbeiten Teil der Berufsausübung seien. Die Zuweisung und Übernahme dieser Arbeiten im Rahmen eines arbeitsteiligen Verhaltens innerhalb einer Mitunternehmerschaft führe nicht dazu, dass nicht alle mitunternehmerisch verbundenen Personen die Voraussetzungen des § 18 EStG erfüllen, so dass die Mitunternehmerschaft keine Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielt.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG; § 15 Abs. 2 EStG: Vermietung von Containern

FG München vom 05.06.2024 – 9 K 1512/22, NWB WAAAJ-71449

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Da ist originär der Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 EStG.

Wird ein Totalgewinn erst unter Einbeziehung eines Gewinns aus der Veräußerung des Vermietungsgegenstand erzielt, liegen insgesamt gewerbliche Einkünfte vor, BFH vom 26.06.2007 – IV R 49/04, BStBl. 2009 II 289.

§ 3 Nr. 20 lit. e GewStG: Betreung von Suchtkranken

FG Köln vom 02.05.2024 – 15 K 1653/22

[Revision: X R 15/24]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Das ist originär der Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 EStG.

Nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG zählen die Tätigkeiten, die zu Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG führen. Diese Tätigkeiten sind in § 18 Abs. 1 EStG aufgelistet. Die Betreuung Suchtkranken fällt nicht hierunter. Sie gehören insbesondere nicht zum Tätigkeitsspektrum der Ausübung des Berufes eines Arztes, Heilpraktikers oder Krankengymnasten oder eines sonstigen, in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG aufgelisteten, Katalogberuf. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang welche berufliche Qualifikation die Person hat, die die Tätigkeiten verrichtet. Maßgeblich ist die Tätigkeit als solche.

Soweit im Entscheidungsfall nach der Anamnese und dem Erstgespräch die weitere Betreuung durch fachlich vorgebildete Arbeitskräfte erfolgt, entspricht die Ausgestaltung des betrieblichen Ablaufes zudem nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Hiernach muss die steuerpflichtige Person leitend und eigenverantwortlich tätig sein.

Eine gewerbesteuerbare Tätigkeit kann jedoch u.a. unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit sein.

Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 GewStG ist rechtsformunabhängig ausgestaltet. Sie ist auf alle Einrichtungen anzuwenden, die die in § 3 Nr. 20 GewStG aufgelisteten Tätigkeiten ausüben. Sie ist damit auch einer ambulanten Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 1 S. 1 SGB XI eröffnet. Denn diese dienen der Pflege und Versorgung bestimmter Personen im Sinne des § 3 Nr. 20 GewStG.

Weitere Voraussetzung des § 3 Nr. 20 lit. e GewStG ist es, dass Maßnahmen der Rehabilitation in der Einrichtungen vorgenommen werden. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die der Wiedereingliederung von Menschen in die Gesellschaft, insbesondere das Arbeitsleben, dient. Hierzu gehört nicht nur die medizinische Rehabilitation.

§ 3 Nr. 20 lit. d GewStG: ambulant betreutes Wohnen

FG Köln vom 27.02.2024 – 11 K 1719/15

[Nichtzulassungsbeschwerde: VIII B 25/24]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Das ist originär der Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 EStG.

Nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG zählen die Tätigkeiten, die zu Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG führen. § 18 Abs. 1 EStG listet die Tätigkeiten auf, die zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führen. Die Tätigkeiten im Zusammenhang mit ambulant betreuten Wohnens, im Entscheidungsfall solche auf dem Gebiet der Eingliederungshilfe nach § 71 Abs. 1 SGB XI und der Betreuung von behinderten Menschen sowie Suchtkranken, fallen nicht hierunter. Diese Tätigkeiten gehören nicht zum Tätigkeitsspektrum der Ausübung des Berufes eines Arztes, Heilpraktikers oder Krankengymnasten oder eines sonstigen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG aufgelisteten Katalogberufs. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, welche berufliche Qualifikation die Person hat, die die Tätigkeiten verrichtet. Maßgeblich ist die Tätigkeit als solche.

Soweit im Entscheidungsfall nach der Anamnese und dem Erstgespräch die weitere Betreuung durch fachlich vorgebildete Arbeitskräfte erfolgt, wird die Tätigkeit auch nicht leitend und eigenverantwortlich ausgeübt.

Die Tätigkeit ist damit gewerbesteuerbar. Sie ist jedoch von der Gewerbesteuer unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 GewStG befreit.

Da § 3 Nr. 20 GewStG nicht die Befreiung rechtsformunabhängig auf bestimmte Einrichtungen bezieht ist auch der ambulanten Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 1 S. 1 SGB XI der Befreiungstatbestand eröffnet, denn die der Pflege und Versorgung bestimmter Personen dienende Einrichtung ist Einrichtung im Sinne des § 3 Nr. 20 GewStG.

Des weiteren setzt § 3 Nr. 20 lit. d GewStG voraus, dass mindestens 40 % der Pflegekosten aus bestimmten Kostenträgern – hier der Sozialhilfe – getragen werden.

[Hinweis: Eine Anwendung des § 3 Nr. 20 lit. e GewStG war aufgrund der Ausdehnung des Tatbestandes auf ambulante Einrichtungen ab dem 31.07.2014 noch nicht möglich.]

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG

BFH vom 05.09.2023 – IV R 24/20, FR 2023, 1082

[Vorinstanz: FG Köln vom 26.06.2020 – 4 K 3437/11, EFG 2021, 857]

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Dabei enthält das Gewerbesteuerrecht heute keine Definition des Gewerbebetriebes mehr. Die früher in der GewStDV enthaltene Definition des Gewerbebetriebes wurde vielmehr in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher verweist § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG hinsichtlich des Gewerbebetriebes auf das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes.

Das Einkommensteuerrecht kennt in § 15 Abs. 2 EStG den originären Gewerbebetrieb sowie in § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG den Gewerbebetrieb aufgrund einer Aufwärtsabfärbung. Die Aufwärtsabfärbung liegt vor, wenn eine Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG bezieht. Die Regelung wurde aufgrund der Rechtsprechung des BFH vom 06.10.2014 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 in das Gesetz eingefügt. Der BFH hatte im Rahmen dieser Entscheidung herausgearbeitet, dass der im Streitjahr geltende § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1985 für Zwecke der Abfärbung voraussetzte, dass die Personengesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt. Hieran fehle es jedoch entgegen der früheren Rechtsprechung, BFH Vom 08.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. 1996 II 264, im Fall des Bezuges gewerblicher Einkünfte aus einer einer gewerblichen Beteiligung. Dieser unterschiedlichen Sicht dürften ein unterschiedliches Verständnis auf die Stellung der mitunternehmerisch verbundenen Perosen zu Grunde liegen, die entweder Kraft ihrer Mitunternehmerinitiativrecht tatsächlich selbst handeln und ausübend sind oder die als Bezieher der Einkünfte aus der Beteiligung gerade keine Tätigkeit ausüben. Die se Frage entscheidet sich auf Grundlage der Stellung der mitunternehmerisch verbundenen Person, die entweder als Teil der Mitunternehmerschaft von innen heraus agiert oder in einem Leistungsverhältnis zur Mitunternehmerschaft steht.

Gewerbliche Einkünfte in diesem Sinne sind Gewinnanteile des Gesellschafters aus einer Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist.

Mitunternehmer ist, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat, Mitunternehmerrisiko tärgt und Mitunternehmerinitiative entfaltet sowie die Absicht zur Gewinnerzielung hat, BFH vom 22.06.2017 – IV R 42/13, BFHE 259, 258.

Personengesellschaft im Sinne der Norm war nach der Entstehungsgeschichte des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1985 eine Gesellschaft, die betriebliche Einküften erzielt, vgl. hierzu BFH vom 06.11.2003 – IV ER-S 3/03, BStBl. 2005 II 376. Die Rechtsprechung später vermögensverwaltende Gesellschaften in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen, BFH vom 08.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. 1996 II 264. Dabei wurde auch eine GbR unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit erfasst, BFH vom 10.08.1994 – I R 133/93, BStBl. 1995 II 171.

Wer Gesellschafter einer Personengesellschaft ist, ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag. Die Eintragung der Gesellschafter ins Handelsregister ist lediglich deklaratorischer Natur, BFH vom 12.02.2004 – IV R 70/02, BStBl. 2004 II 423. Daher sprach der BFH einer GbR die Fähigkeit Mitunternehmerin zu sein zu, BFH vom 25.02.1991 – GrS 7/89, BStBl. 1991 II 691.

Voraussetzung der Aufwärtsabfärbung ist darüber hinaus, dass es sich um gewerbliche Einkünfte handelt, die seitens der Gesamthand bezogen werden. Soweit eine mitunternehmerisch verbundene Person Einkünfte aus einer Beteiligung erzielt, die dem Sonderbereich des Gesellschafters bei der Personengesellschaft zuzuordnen sind, führen diese nicht zur Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG.

Nach der Rechtsprechung des BFH vom 06.06.2019 – IV R 30 16, BStBl. 2020 II 649 findet die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Gewerbesteuer aufgrund verfassungskonformer Auslegung keine Anwendung. Die Finanzverwaltung wendet dieses Urteil jedoch über den Einzelfall hinaus nicht an, gleichlautende Ländererlasse vom 01.10.2020, BStBl. 2020 I 1032.

Das gilt auch in dem Fall, in dem eine vermögensverwaltende Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte aus einer mitunternehmerischen Beteiligung bezieht.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Seitwärtsabfärbung bei Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit einer ansonsten vermögensverwaltenden GbR – Aufgabe der Rechtsprechung des BFH vom 12.04.2018 – IV R 5/15, BStBl. 2020 II 118

BFH vom 30.06.2022 – IV R 42/19, BStBl. 2023 II 118

[Vorinstanz: FG München vom 26.06.2016 – 2 K 2245/16, NWB GAAAH-31983]

Der Gewerbesteuer unterliegt der inländische stehende Gewerbebetrieb, § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 GewStG ist der einkommensteuerrechtliche Gewerbebetrieb. Das kann sowohl der originäre Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG sowie der fiktive Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 3 EStG sein. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt die Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommen wird, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt (1. Var.) – sog. Seitwärtsabfärbung – oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG bezieht (2. Var.) – sog. Aufwärtsabfärbung -. Das gilt nach geänderter Gesetzeslage unabhängig davon, ob aus der Tätigkeit ein Gewinn oder Verlust erzielt wird oder die bezogenen Einkünfte positiv oder negativ sind. Die Regelung ist nach § 52 Abs. 23 S. 1 EStG mit Rückwirkung ins Gesetz aufgenommen worden.

Der Tatbestand der Seitwärtsabfärbung setzt also voraus, dass zumindest zwei voneinander trennbare Tätigkeiten vorliegen, BFH vom 28.09.2017 – IV R 50/15, BStBl. 2018 II 89.

Läge nämlich nur eine nicht trennbare Tätigkeit vor, wäre das Tatbestandsmerkmal „auch eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt“ nicht erfüllbar. Denn der Gesetzgeber bringt mit der Formulierung „auch“ ein Nebeneinander zum Ausdruck. Läge nur eine einheitliche nicht trennbare Tätigkeit vor, würde sich die Frage der Qualifikation der Einkünfte nach dem Schwerpunkt dieser Betätigung richten. Mithin läge insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit vor, wenn der gewerbliche Teil der Tätigkeit diese prägen würde. Umgekehrt läge insgesamt eine nicht gewerbliche Tätigkeit vor, wenn die gewerblichen Elemente einer Tätigkeit dieser nicht das Gepräge geben, BFH vom 27.08.2014 – VIII R 6/12, BStBl. 2015 II 1005; BFH vom 14.07.2016 – IV R 34/13, BStBl. 2017 II 175.

Liegen trennbare Leistungen vor und qualifiziert eine davon als gewerbliche Tätigkeit, löst das die Rechtsfolgen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 1. Var. EStG aus. Es kommt zur Seitwärtsabfärbung. Die Seitwärtsabfärbung – auch Infektion genannt – tritt nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 1. Var. EStG ohne Rücksicht auf Art und Umfang der gewerblichen Tätigkeit ein. Damit führt nach dem Wortlaut der Norm auch eine für sich betrachtet geringfügige Betätigung oder eine im Verhältnis zur Gesamttätigkeit vernachlässigbare Betätigung gewerblicher Art zur Umqualifizierung der Einkünfte der gesamten Personengesellschaft, so noch BFH vom 10.08.1994 – I R 133/93, BStBl. 1995 II 171. Die strikte Orientierung am Wortlaut der Norm wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit auf. Der BFH arbeitet in der Folgezeit heraus, dass gewerbliche Tätigkeiten, die im Verhältnis zur Gesamttätigkeit unbedeutend sind, die Rechtsfolge der Infektion nicht auslösen, BFH vom 11.08.1999 – XI R 12/98, BStBl. 2000 II 229; BFH vom 08.03.2004 – IV R 212/03, BFH/NV 2004, 954 betreffend einer Quote von 2,81 %. Zur Vermeidung der Begünstigung großer Personengesellschaften wurde diese (auf 3 % aufgerundete) relative Bagatellgrenze mit den Urteilen des BFH vom 27.08.2014 – VIII R 16/14, BStBl. 2015 II 996 und BFH vom 27.08.2014 – VIII R 6/12, BStBl. 2015 II 1002 um eine absolute Umsatzgrenze von EUR 24.500 ergänzt. Auch vor dem Hintergrund der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Bagatellgrenzen, die von der Finanzverwaltung für den Vollzug der Steuergesetze übernommen wurden, erkannte das Bundesverfassungsgericht die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 [S. 1] 1. Var. EStG als mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar an, BVerfG vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1.

Soweit die Rechtsprechung die relative und absolute Bagatellgrenze im Rahmen der Abfärbung auf Einkünfte aus § 18 EStG herausgearbeitet hat, steht das der Übertragung dieser Grundsätze auf die Infektion vermögensverwaltender Einkünfte nicht entgegen. Insbesondere ergeben sich aus den wirtschaftlichen Folgen der Abfärbung, die im Fall der Abfärbung auf vermögensverwaltende Einkünfte deutlich gewichtiger sein können als im Fall der Abfärbung auf betriebliche EInkünfte keine Gründe, die für erweiterte Bagatellgrenzen sprechen.

Dafür spricht insbesondere, dass die Auslagerung gewerblicher Einkünfte auf Schwestergesellschaften, die in der Rechtspraxis anerkannt wird, BFH vom 19.02.1998 – IV R 11/97, BStBl. 1998 II 603 und die vom Bundesverfassungericht im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Abfärbung als rechtfertigendes Element eingefordert wurde, BVerfG vom 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1. Die Anerkennung der Schwestergesellschaft setzt in diesem Zusammengang voraus, dass die Schwestergesellschaft nach außen in Erscheinung tritt und bspw. ein eigenes Bankkonto unterhält, eigene Rechnungsvordrucke verwendet, eine eigenständige Buchführung unterhält und eine getrennte Ergebnisermittlung vornimmt, BFH vom 15.12.1992 – VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684. Im Fall der Auslagerung gewerblicher Tätigkeiten aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft besteht das Risiko der Begründung einer Betriebsaufspaltung. Diese setzt jedoch voraus, dass das Betriebsunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, denn diese wird von § 15 Abs. 2 EStG bei jeder gewerblichen Tätigkeit vorausgesetzt. Arbeitet das Betriebsunternehmen nur kostendeckend oder gar mit Verlust sind die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung nicht gegeben. Zudem besteht bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften wegen § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO die Möglichkeit, dass Wirtschaftsgüter aus der Vermögensverwaltung in das Sonderbetriebsvermögen I bei dem Betriebsunternehmen gezogen werden.

In der jüngeren Rechtsprechung des BFH wurde die Abfärbung für den Fall des Verlustes bei ansonsten gegebener Gewinnerzielungsabsicht für gewerbesteuerliche Zwecke abgelehnt, BFH vom 12.04.2018 – IV R 5/15, BStBl. 2020 II 118. Dieser Rechtsprechung ist die Gesetzgeber durch die Anfügung eines Satzes 2 in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG entgegengetreten. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 1. Var. EStG findet die Abfärbung danach unabhängig davon Anwendung, ob aus der gewerblichen Tätigkeit ein Gewinn oder Verlust erzielt wird. Die Regelung wurde im Jahr 2019 mit Rückwirkung aufgenommen, § 52 Abs. 23 S. 1 EStG. Dem steht auch das aus dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz hergeleitete grundsätzliche Rückwirkungsverbot nicht entgegen, BVerfG vom 07.07.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1. Dieses findet Anwendung, wenn der Gesetzgeber eine bereits enstande Steuerschuld nachträglich zu Lasten der steuerpflichtigen Person abändert, BVerfGE 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, also ungünstigere Folgen an den gesetzlichen Tatbestand knüpfen, als diejenigen von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Ausnahmsweise ist eine rückwirkende Änderung zulässig, wenn sie eine redaktionelle Änderung des Gesetzes betrifft, BVerfG vom 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1. Darüber hinaus ist die rückwirkende Änderung einer gesetzlichen Regelung zulässig, wenn kein schützenswertes Vertrauen bestanden hat. Das ist bspw. dann der Fall, wenn die Rechtslage unklar und verworren war, BVerfG vom 15.10.2008 – 1 BvR 1138/06, BVerfGK 14, 338 oder weil eine Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei, BVerfG vom 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, 20. Ebenso verstößt es nicht gegen das Rückwirkungsverbot eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach, BVerfG vom 15.10.2008 – 1 BvR 1138/06, BVerfGK 14, 338. Allerdings kann sich nach einer Rechtsprechungsänderung ein Vertrauen in den Bestand der geänderten Rechtsprechung neu bilden, das einer rückwirkenden Änderung entgegensteht.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG (Aufwärtsabfärbung)

FG Münster vom 13.05.2022 – 15 K 26/20 E, F – NWB PAAAJ-18165 [IV R 18/22]

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Das Gewerbesteuerrecht enthält heute keine Definition des Gewerbebetriebes. Die früher in der GewStDV enthaltene Definition des Gewerbebetriebes wurde in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher kann für Zwecke der Gewerbesteuer auf den Gewerbebetriebsbegriff des § 15 Abs. 2 EStG zurück gegriffen werden. Neben dem originären Gewerbebetrieb nach § 15 Abs 2. EStG kennt das Einkommensteuerrecht in § 15 Abs. 3 EStG noch weitere fiktive Gewerbebetriebe. Auch insoweit knüpft das Gewerbesteuerrecht an das Einkommensteuerrecht an. Hierzu zählen die Abfärbungsvarianten, die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aufgeführt sind. Für den Fall der Seitwärtsabfärbung, also den Fall, dass innerhalb einer Personengesellschaft sowohl nicht gewerbliche wie auch originär gewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, hat die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass es nur dann zur Abfärbung kommt, wenn die gewerblichen Aktivitäten gewisse Bagatellgrenzen überschreitet. Bei der Aufwärtsabfärbung sieht der Bundesfinanzhof eine differenzierte Handhabung für angezeigt. Das Gericht wendet die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Einkommensteuer uneingeschränkt an und verneint in diesem Zusammenhang die Anwendung einer Bagatellgrenze, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BStBl. 2020 II 649.

Für Zwecke der Gewerbesteuer sieht der BFH jedoch die Notwendigkeit der Abfärbung als nicht gegeben, BFH vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BStBl. 2020 II 649.

[Hinweis: Unter dem Aktenzeichen VIII R 1/22 ist zur Zeit vorgetragen, dass der Einkünftequalifizierung im Feststellungsbescheid Bindungswirkung für die Gewerbesteuermessbetragsfeststellung zukommt.]

Nichtanwendungserlass zu BFH vom 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. 2022 II 123

BMF vom 14.01.2022 – IV C2 – S 2770/20/10001, BStBl. 2022 I 160

Nicht streitergeblich war die Aussage des BFH:

Der Wortlaut (auch des § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG setzt voraus, dass neben den Einkünften aus Gewerbebetrieb – i.S.v. voneinander abgrenzbaren Tätigkeiten – auch Einkünfte einer anderen Einkunftsart erzielt werden […]. Besteht – wie im Streitfall – die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich in dem Halten der Anteile an einer anderen Personengesellschaft und verfügt die Personengesellschaft über kein weiteres Vermögen, mittels dessen Einkünfte erzielt werden, ist § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG nicht
anwendbar.

Die Aufwärtsabfärbung ist daher nicht ausgeschlossen, wenn die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich im Halten von Anteile an anderen Personengesellschaften besteht und die Oberpersonengesellschaft kein weiteres Vermögen hat, das zur Einkünfteerzielung dient.