§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG / § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG: Auswirkungen der Tätigkeit einer ausländischen Patentanwaltskanzlei auf die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit einer inländischen Patentanwaltskanzlei

FG Münster vom 27.10.2023 – 14 K 1624/21 G

Die Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG setzt die Erzielung von a) Einkünften aus originärer gewerblicher Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG oder b) aufgrund einer Fiktion nach § 15 Abs. 3 EStG voraus.

Keine originär gewerblichen Einkünfte nach § 15 Abs. 2 EStG liegen a) vor, wenn die steuerpflichtige Person Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG bezieht. Dazu gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG die Einkünfte aus der selbständigen Ausübung der Tätigkeit einer der im Gesetz genannten freien Berufe.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG erzielt eine Person, die einem freien Beruf angehört, auch dann noch Einkünfte aus selbständiger Arbeit, wenn sie sich bei der Ausübung der Berufstätigkeit der Mithilfe einer fachlich vorgebildeten Arbeitskraft bedient, wenn sie aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist.

Bei der Beantwortung der Frage, ob die steuerpflichtige Person leitend und eigenverantwortlich tätig ist, sind nur die Tätigkeiten zu berücksichtigen, die sie gegenüber der auftraggebenden Person zu erbringen verpflichtet ist und erbringt. Unberücksichtigt bleiben Leistungen einer dritten Person, die diese aufgrund eigener Leistungsverpflichtung gegenüber der auftraggebenden Person erbringt. Erteilt die auftraggebende Person einer (patent-)anwaltlich selbständig tätigen Personen eine Vollmacht (durch Unterzeichnung einer Vollmachtsurkunde), begründet das ein eigentständiges Leistungsverhältnis, das der zuvor bereits beauftragten steuerpflichtigen Person nicht zuzurechnen ist. Insoweit ist es unschädlich, dass die steuerpflichtige Person die Bevollmächtigung als Bote überbringt.

Nur soweit die steuerpflichtige Person eine Leistung einer dritten Person bezieht und diese Leistung in die Leistungserbringung gegenüber der auftraggebenden Person einfließt, sind die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zu prüfen. Diese Situation lag im Fall eines Übersetzungsbüros (BFH vom 21.02.2017 – VIII R 45/13, BStBl. 2018 II 4), dem der Auftrag erteilt wurde einen Ausgangstext in eine Vielzahl von Zielsprachen zu übersetzen. Das Übersetzungsbüro vergab in der Folge Unteraufträge betreffend verschiedener Sprachen, die durch die mitunternehmerisch verbundenen Personen nicht beherrscht wurden.

Soweit die dritte Person die Rechnung über die von ihr erbrachte Leistung nicht an die auftraggebende Person, sondern an die steuerpflichtige Person sandte und diese den Zahlungsverkehr abwickelte, handelt es sich bei den Zahlungen um durchlaufende Posten. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch beeinflusst, dass die steuerpflichtige Person für die Abwicklung einen Aufschlag erhebt mit dem die eigenen Kosten der Zahlungsabwicklung ausgeglichen werden.

Im Entscheidungsfall kam es b) damit nicht zur Seitwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG, da die steuerpflichtige Mitunternehmerschaft keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG ausübte.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG; § 3 Nr. 32 GewStG: gewerbesteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen

LfSt Niedersachsen vom 07.11.2022, S 2240-ST 222 / ST 221-2473/2022 [Aufhebung der Verfügung vom 31.07.2019 – S 2240 – 160 – ST 221 / St 222]

A. Begriffsbestimmung:

Photovoltaikanlagen wandeln mittels Solarzellen einen Teil der Sonnenstrahlung unmittelbar in elektrischen Strom um.

Die Leistungsfähigkeit einer Photovoltaikanlage wird in Kilowatt peak (kWp) beschrieben. Im Mittel lässt sich sich Deutschland pro kWp eine Leistung von 800 bis 1.000 Kilowattstunden erzeugen. Pro kWp wird dabei eine Fläche von 7 qm bis 10 qm Modulfläche benötigt. Hausdachanlagen haben daher bis zu 10 kWp ausgestattet. Gewerbliche Anlagen haben in der Regel bis zu einem Megawatt peak. Höhere Leistungen erzielen Freiflächenanlagen.

B. Ertragsteuerliche Behandlung:

1. Gewinnerzielungsabsicht

Die Erzeugung von Strom mittels Photovoltaikanlage ist eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG, soweit eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Diese ist für nach dem 01.04.2012 in Betrieb genommene Anlagen gesondert zu prüfen. Nach Ansicht des Landesamtes für Steuern Niedersachsen liegt die Gewinnerzielungsabsicht bei Hausdachanlagen bis zu 10 kWp in der Regel nicht vor, BMF vom 29.10.2021, BStBl. 2021 I 2202. [Hinweis auf § 3 Nr. 72 EStG i.d.F. des JStG 2022 vom 16.12.2022, BGBl. 2022 I 2294, wonach Einnahmen oder Entnahmen aus dem Betrieb von bestimmten Photovoltaikanlagen steuerbefreit sind, wenn sie nach dem 31.12.2021 erzielt werden.]

2. Betriebseinheit

Betreibt eine natürliche Person neben einer Photovoltaikanlage eine weiter gewerbliche Tätigkeit, können beide Tätigkeiten Teil einer einzelunternehmerischen Tätigkeit sein. Es können jedoch auch zwei getrennt voneinander zu behandelnde Tätigkeiten vorliegen, Abschn. 2.4 GewStR 2009. Ob eine einheitliche Betätigung vorliegt, bestimmt sich nach dem Gesamtbild der sachlichen Verhältnisses unter Berücksichtigung der organisatorischen, wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, BFH vom 18.12.1996 – XI R 63/96, BStBl. 1997 II 573.

Für einen einheitlichen Gewerbebetrieb spricht eine gleichartige Betätigung vorliegt, die Möglichkeit, dass sich die einzelnen Tätigkeiten ergänzen sowie die räumliche Nähe der Betriebe. Ebenso sprechen in organisatorischer Hinsicht eine einheitliche Verwaltung, Organisation, Kunden- und/oder Lieferantenkreise oder Finanzierung ein einheitliches Rechnungswesen, Personal und Anlagevermögen, BFH vom 15.09.2010 – X R 22/08, BFH/NV 2011, 238. Ein einheitlicher Gewerbebetrieb kann daher vorliegen, wenn die Photovotaikanlage auf dem Nachbargebäude errichtet wurde, BFH vom 15.09.2010 – X R 21/08, BFH/NV 2011, 235. Das gilt insbesondere dann, wenn die steuerpflichtige Person bei der Errichtung der Anlage auf individuelles Fachwissen zurückgreifen konnte und die Anlage selbst zu Marketingzwecken genutzt werden konnte (Entscheidungsfall: Installateurbetrieb). Dem entgegen fehlt die sachliche Verbindung im Fall des Betriebs einer Photovoltaikanlage und eines Einzelhandelsgeschäftes, wenn der selbst produzierte Strom nicht im Rahmen des Einzelhandelsgeschäftes verbraucht wird, BFH vom 24.10.2012 – X R 36/10, BFH/NV 2013, 252.

Bei mitunternehmerisch organisierten Personengesellschaften führt der Betrieb einer Photovoltaikanlage zwingend zur Infektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, da mit der Änderung des Gesetzes vom 19.12.2019, BStBl. 2020 I 17 klargestellt wurde, dass der Eintritt der Rechtsfolge der Infektion nicht davon abhängt, ob die infizierende gewerbliche Tätigkeit mit Gewinn oder Verlust ausgeübt wird. Nicht zur Anwendung kommt die Infektion allerdings dann nicht, wenn die gewerbliche Tätigkeit einen Nettoumsatz von EUR 24.500 nicht überschreitet und nicht mehr als 3 % des Gesamtumsatzes im Wirtschaftsjahr ausmacht, BFH vom 18.08.2005 – IV R 59/04, BStBl. 2005 II 830.

Die Rechtsfolge der Infektion kann durch die Gründung einer Schwesterpersonengesellschaft vermieden werden. Dabei kann deren Gesellschaftsvertrag auch mündlich geschlossen werden. Allerdings obliegt es den steuerpflichtigen Personen die Darlegungs- und Beweislast. Ein Indiz für für das bestehen einer zweiten Gesellschaft kann in der unterschiedlichen Bezeichnung der Personengesellschaft im Rahmen der verschiedenen Tätigkeiten liegen.

Werden die Dachflächen für die Installation der Photovoltaikanlagen von der Schwestergesellschaft überlassen, kann eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vorliegen. Nach Ansicht des Landesamtes für Steuern Niedersachsen bezieht die Besitzgesellschaft die Einnahmen aus der Vermietung der Standortflächen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die dann zur Infektion bei der Besitzgesellschaft führen. [Hinweis: Der Besitzgesellschaft ist in diesem Fall die gewerbliche Tätigkeit der Betriebsgesellschaft im Wege der Merkmalszurechnung zuzurechnen. In der Folge kommt es dann zur Seitwärtsinfektion auf Ebene der Besitzgesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG.] Das Landesamt für Steuern nimmt weiterhin an, dass es im Fall der unentgeltlichen Überlassung nicht zur Infektion komme. [Hinweis: Denn auch die Infektion setzt die Gewinnerzielungsabsicht voraus.] Ebenso soll eine Infektion bei teilentgeltlicher Nutzungsüberlassung nur bei Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kommen. Letztere ist unter Anwendung des BMF-Schreibens vom 28.04.1998, BStBl. 1998 I 583 zu prüfen.

C. Gewerbesteuerliche Behandlung:

Hieran ändert auch die mit Gesetz vom 12.12.2019, BStBl. 2019 I 2451 eingefügte und erstmals für den Erhebungszeitraum 2019 anzuwendenden Regelung des § 3 Nr. 32 GewStG nichts, der nur regelt, dass der stehende Gewerbebetrieb einer anlagebetreibenden Person im Sinne des § 3 Nr. 2 EEG von der Gewerbesteuer befreit ist, wenn sich die Tätigkeit ausschließlich in der Erzeugung und Vermarktung von Strom aus einer auf oder in einem Gebäude angebrachten Solaranlage bis zu einer installierten Leistung von bis zu 10 kWp beschränkt. Denn die Befreiung ändert nichts an der Gewerblichkeit der Betätigung als solcher. Allerdings entfällt mit der Gewerbesteuerfreiheit die Verpflichtung zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung, § 14a GewStG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 GewStDV. [Hinweis auf § 3 Nr. 72 EStG i.d.F. des JStG 2022 vom 16.12.2022, BGBl. 2022 I 2294, wonach Einnahmen oder Entnahmen aus dem Betrieb von bestimmten Photovoltaikanlagen steuerbefreit sind, wenn sie nach dem 31.12.2021 erzielt werden. Konktret sind Anlagen an oder in Einfamilienhäusern und nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäude mit einer Leistung von bis zu 30 kWp sowie an oder in sonstigen Gebäuden mit einer Leistung von bis zu 15 kWp je Wohn- oder Gewerbeeinheit von der Regelung erfasst. Insgesamt darf die Leistung je steuerpflichtiger Person oder je Mitunternehmerschaft 100 kWp nicht überschreiten. § 3 Nr. 72 S. 3 schließt die Anwendung der Infektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aus.]

Abweichend vom Ertragsteuerrecht führt die bloße Aufnahme von Vorbereitungshandlungen noch nicht zur sachlichen Gewerbesteuerpflicht. Vorlaufende Verluste (vorweggenommene Betriebsausgaben) aus Vorzeiträumen sind daher nicht zu berücksichtigen und werden auch nicht nach § 10a S. 6 GewStG festgestellt. [Hinweis: Dem liegt zu Grunde, dass der Gewerbesteuer nur die werbende Phase des Gewerbebetriebes unterliegt, BFH vom 22.11.1994 – VIII R 44/92, BStBl. 1995 II 900.] Die sachliche Gewerbesteuerpflicht eines Photovoltaikanlagenbetriebes beginnt in dem Zeitpunkt, in dem die regelmäßige Stromeinspeisung ins Netz beginnt.

Zur Vermeidung von unbilligen Härten ist jedoch nach § 163 AO von der Einbeziehung des Auflösungsbetrages nach § 7g EStG abzusehen, wenn sich die Bildung dieses Betrages nicht auf die Gewerbesteuer ausgewirkt hat, gleichlautende Ländererlasse vom 26.01.2011 – 2011 I 152.

Geschützt: § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Seitwärtsabfärbung bei Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit einer ansonsten vermögensverwaltenden GbR – Aufgabe der Rechtsprechung des BFH vom 12.04.2018 – IV R 5/15, BStBl. 2020 II 118

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