§ 35 Abs. 2 S. 1 EStG: tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer – Unterbleiben der Gewerbesteuerfestsetzung

BFH vom 28.10.2021 – IV R 12/19, NWB OAAAI-02738

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer nach § 35 Abs. 1 S. 1 um das Vierfache (bis 2019 um das 3,8 fache) des für das Unternehmen festgestellten (bei Mitunternehmerschaften: anteiligen) Steuermessbetrages (Gewerbesteuer-Messbetrag) .

Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrages ist auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt, § 35 Abs. 1 S. 4 EStG.

Bei Mitunternehmerschaften sind der Betrag des Gewerbesteuer-Messbetrages, die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer und der auf die einzelne mitunternehmerschaftlich verbundene Person entfallende Anteil gesondert und einheitlich festzustellen, § 35 Abs. 2 S. 1 EStG. Zuständig für die Feststellung ist das für die Feststellung der Einkünfte zuständige Finanzamt, § 35 Abs. 3 S. 1 EStG.

Die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrages, die Feststellung des Anteils an dem festzusetzenden Gewerbesteuer-Messbetrages und die Festsetzung der Gewerbesteuer sind Grundlagenbescheid für die Ermittlung der Steuerermäßigung im Sinne des § 35 Abs. 1 EStG, § 35 Abs. 3 S. 2 EStG. Die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrages, die Festsetzung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrages aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft sind Grundlagenbescheide für die Ermittlung des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrages im Sinne des § 35 Abs. 2 EStG, § 35 Abs. 3 S. 3 EStG.

Für die Aufteilung und die Feststellung der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer bei Mitunternehmerschaften gilt das vorstehende entsprechend, § 35 Abs. 4 EStG.

Bei allen vorgenannten Feststellungen handelt es sich um eigenständige Verwaltungsakte, selbst wenn diese zusammen mit anderen Verwaltungsakten in einem Sammelbescheid zusammengefasst wurden, BFH vom 22.09.2011 – IV R 8/09, BStBl. 2012 II 183.

Nach § 155 Abs. 2 AO kann der Folgebescheid auch dann ergehen, wenn der Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist. Das gilt nach § 181 Abs. 1 S. 1 AO auch im Feststellungsverfahren. In diesen Fällen liegen sog. Vorab-Folgebescheide vor. Im Rahmen dieser Bescheide werden die erwarteten Feststellungen der Grundlagenbescheide im Rahmen einer Schätzung nach § 162 Abs. 5 AO als Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid verarbeitet. Mithin erlaubt es das Verfahrensrecht eine erkennbar einstweilige Regelung zu treffen, die einem noch zu erlassenden Grundlagenbescheid vorgreift, BFH vom 25.11.2020 – II R 3/18, BFHE 272, 1.

Ergeht in der Folgezeit ein Grundlagenbescheid ist der Vorab-Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.

Kommt es in der Folgezeit jedoch nicht zum Erlass des Grundlagenbescheides, bleibt es beim bisherigen – geschätzten – Ansatz, BFH vom 03.12.2008 – X R 3/17, BFH/NV 2009, 711.

Unterbleibt der Erlass eines Grundlagenbescheides findet § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO keine Anwendung. In dem Unterlassen der Festsetzung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde liegt auch keine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO, die den Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO eröffnen könnte.

Auch der Eintritt der Festsetzungsverjährung betreffen den Grundlagenbescheid eröffnet den Anwendungsbereich der Änderungsvorschrift nicht. Das gilt auch für den Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Weder das Unterlassen der Gewerbesteuerfestsetzung noch der Eintritt der Festsetzungsverjährung ändern den maßgeblichen Sachverhalt rückwirkend. Die Verjährung führt lediglich dazu, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen, § 47 AO. Das der steuerbegründende Tatbestand verwirklicht wurde, bleibt indes unbeeinflusst. Auch die Unterlassung der Steuerfestsetzung beeinflusst die Verwirklichung des Steuertatbestandes nicht, BFH vom 08.11.2006 – II R 13/05, BFH/NV 2007, 641.

§ 35 EStG: Änderung der Anrechnung der tatsächlich gezahlten Steuer bei Eintritt der Festsetzungsverjährung der Gewerbesteuer vor Erlass eines Gewerbesteuerbescheides

BFH vom 28.10.2021 – IV R 12/19, NWB OAAAI-02738 [Vorinstanz: FG München vom 21.02.2019 – 15 K 1181/18, ]

Nach § 35 EStG erfolgt die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer. In der Höhe ist die Anrechnung auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer nach § 35 Abs. 2 S. 1 EStG begrenzt. Ergeht ein Gewerbesteuerbescheid, ist dieser nach § 35 Abs. 4, Abs. 3 S. 3 EStG Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO für die Anrechnung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung. Ein bereits ergangener Einkommensteuerbescheid könnte nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO in der Folge geändert werden.

Unterbleibt die Gewerbesteuerfestsetzung und tritt die Festsetzungsverjährung ein hat der Eintritt der Festsetzungsverjährung keinen Grundlagenbescheidcharakter. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung qualifiziert nicht als Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 163 AO. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtfertigt mithin keine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO.

Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt auch nicht zu einem rückwirkenden Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Denn das würde voraussetzen, dass ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob eine steuerliche Wirkung gegeben ist, ist anhand des materiellen Steuerrechts zu beantworten, BFH vom 19.07.1993 – GrS 2/92, BStBl. 1993 II 897. Weder das Unterlassen einer fristgerechten Festsetzung der Gewerbesteuer noch der Eintritt der Festsetzungsverjährung stellen ein rückwirkendes Ereignis dar. Das mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung eintretene Erlöschen des Steuerschuldverhältnisses wirkt nur für die Zukunft, BFH vom 08.11.2006 – II R 13/05, BFH/NV 2007, 641. Nicht entscheidungserheblich ist, ob ein Erlass nach § 227 AO im Erhebungsverfahren ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist, so aber BMF vom 03.11.2016 – IV C 6-S 2996a/08/10002, BStBl. 2016 I 1187.

§ 18 Abs. 4 EStG: Einkünfte aus selbständiger Arbeit einer Mitunternehmerschaft unter Berücksichtigung arbeitsteiliger Organisation

FG Rheinland-Pfalz vom 16.09.2021 – 4 K 1270/19, NWB ZAAAI-04081

Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen vor, wenn die Tätigkeit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Tätigkeit nicht zu Einkünften aus § 18 EStG führt. Einkünfte aus § 18 EStG erzielt eine Personengesellschaft nur dann, wenn alle mitunternehmerisch verbundenen Personen die Voraussetzungen des § 18 EStG in ihrer Person erfüllen. Dazu gehört neben den Merkmalen der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos auch die Ausübung einer in § 18 EStG genannten Tätigkeiten. Eine Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG übt nur die Person aus, die an der konkreten Leistungserbringung mitwirkt und sie die Leistung leitend und eigenverantwortlich erbringt.

Mitunternehmerinitiative entfaltet eine Person, wenn ihr zumindest die Informations- und Kontrollrechte eines Kommanditisten zustehen.

Mitunternehmerrisiko trägt eine Person, wenn Sie am Gewinn und Verlust beteiligt ist und ihr ein Anteil am Liquidationserlös zusteht.

Die Ausübung einer Leistung setzt voraus, dass die einzelnen Person selbst die Leistungen aus selbständiger Arbeit erbringt und soweit sie sich fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, leitend und eigenverantwortlich tätig ist, der Leistung also den Stempel der eigenen Persönlichkeit aufdrückt. Zwar ist von einer leitenden Tätigkeit noch zu sprechen, wenn sich die mitunternehmerisch verbundenen Person auf die Organisation des Fachbereiches zurückzieht und diesen durch Anweisungen und Kontrollen dominiert. Es mangelt in diesen Fällen jedoch an der eigenverantwortlichen Leistungserbringung, die eben voraussetzt, dass die mitunternehmerisch verbundene Person die fachliche Verantwortung für die konkret Leistung trägt. Das setzt allerdings Ausübung wesentlicher Leistungshandlung in eigener Person voraus, BFH vom 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. 2011 II 506. Übt eine mitunternehmerisch verbundene Person die Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG hiernach nicht aus, scheidet die Annahme einer mitunternehmschaftlichen Erzielung von Einkünften im Sinne des § 18 Abs. 4 EStG aus. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die mitunternehmerisch verbundene Person selbst keine Leistungen im Sinne des § 18 EStG erbringt und statt dessen Verwaltungsaufgaben oder Repräsentationsaufgaben übernimmt.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 S. 1 EStG – sachliche Steuerpflicht – Pokerspieler

BFH vom 25.02.2021 – III R 67/18, BFH/NV 2021/1070

[Vorinstanz FG Münster vom 12.10.2018 – 14 K 799/11 E, G, EFG 2018, 2019].

Die Tätigkeit eines Berufspokerspielers kann ertragsteuerlich zu Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG führen. Denn der Erfolg beim Pokerspiel beruht auf Glück und Geschick, BFH vom 16.09.2015 – X R 43/12, BStBl. 2016 II 48, und zeigt sich daher als Betätigung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.

Darin unterscheidet sich das Pokerspiel von reinen Glücksspielen, wie Rennwetten, RFH vom 30.06.1927 – VI A 261/27, RFHE 21, 244, Lotteriespielen, RFH vom 14.03.1928 – VI A 783, 27, RStBl. 1928, 181 und auch von Black Jack, BFH vom 07.11.2018 – X R 34/16, BFH/NV 2019, 686.

Für die Beurteilung der Gewerblichkeit der Spielaktivität ist es unerheblich, ob die spielende Person Gewinne aus ausgelobten Platzierungsprämien oder aus dem Verlust der mitspielenden Personen generiert. Es ist mithin unerheblich, ob die spielende Person an Turnieren teilnimmt oder ein Casino besucht.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im zweiten Rechtszug die Frage zu klären ist, ob und in welchem Umfang der Berufspokerspiele über eine Betriebsstätte im Inland verfügt hat.

Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die Gewerbesteuer

FG Hessen vom 26.08.2020 – 6 K 1860/16, NWB PAAAH-72584

Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf Kapitalerträge auf die Gewerbesteuer kommt das Hessische Finanzgericht zu der Überzeugung, dass diese auch auf die Gewerbesteuer angerechnet werden kann, soweit das Doppelbesteuerungsabkommen eine Anrechnung vorsieht.

Eine Anrechnung ist daher im Fall Schweiz nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 ausgeschlossen. Anders verhält es sich im Anwendungsbereich des DBA Kanada, das eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern in Art. 23 Abs. 2 lit. b Doppelbuchstabe aa) vorsieht.

Da im Entscheidungsfall eine Anrechnung auf die Körperschaftsteuer ausschied – diese wurde mit EUR 0,00 beziffert – war über die Frage des Verhältnis der Steuerarten im Rahmen der Anrechnung nicht zu entscheiden.

Bereits zuvor hatte die Klägerin im Verwaltungsgerichtlichen Verfahrenszug die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer von der Kommune begehrt und war insoweit gescheitert. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte die Klage mit Urteil vom 17.12.2013 – 5 A 329/12, DStRE 2015, 420 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Kommune an die Feststellungen des Finanzamtes gebunden sei und hinsichtlich der Anrechnung keine eigene Entscheidungskomptenz habe. Die hiergegen eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde bei Bundesverwaltungsgericht wurde mit Beschluss vom 12.08.2014 – 9 B 23.13, HFR 2014, 111 nicht angenommen. Das BVerwG folgt dabei der Begründung des VGH und führte aus, dass die Entscheidung über die Anrechung durch die Finanzbehörde zu treffen sei.

Dieser verwaltungsgerichtlichen Einschätzung schloss sich das Hessische Finanzgericht an und erkannte die Zuständigkeit des Finanzamtes für die Entscheidung über die Anrechenbarkeit der ausländischen Quellensteuer an.

Aufgrund des langen Verfahrensgangs in zwei paralleln Gerichtswegen musste sich das Gericht auch mit der Frage des Eintritts der Festsetzungsverjährung befassen. Im Entscheidungfall war diese noch nicht eingetreten, da die Klägerin noch vor Eintritt der Bestandskraft des Folgebescheides (Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde) einen Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheides gestellt hatte und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung gehemmt war.

Letztlich kam das Finanzgericht materiell rechtlichen zu der Erkenntnis, dass die doppelbesteuerungsrechtliche Regelung im DBA Kanada als Anrechnungebot zu verstehen sei und daher auch umzusetzen sei.

§ 35 EStG – Anrechnung der Gewerbesteuer im Fall eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA

FG Münster vom 04.12.2019 – 9 K 149/17, EFG 2020, 770

Auch im Fall des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA ist die Verteilung des Gewerbesteuermessbetrages und der zu zahlenden Gewerbesteuer nach § 35 EStG nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel vorzunehmen, § 35 Abs. 2 S. 2 1. HS EStG.

Zur Anerkennung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels vgl. BFH vom 09.02.2011 – IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120.

Sondervergütungen und gewinnabhängige Vorabgewinnanteile sind dabei nicht einzubeziehen, § 35 Abs. 2 S. 2 2. HS EStG. Diese Ansicht vertritt auch die Finanzverwaltung in BMF vom 03.11.2016, BStBl. 2016 I 1187, Rn. 27.

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die festzusetzenden anteiligen Besteuerungsgrundlagen der persönliche haftenden Person einer KGaA Null betragen.

Allgemeiner Gewinnverteilungsschlüssel im Fall einer KGaA sei das Verhältnis des auf die persönlich haftende Gesellschafterin entfallenden Gewinnanteils, soweit dieser nicht auf ihre am Grundkapital (Kommanditaktien) entfalle, zum Gesamtgewinn der KGaA maßgeblich.

Erhält die persönlich haftende Person neben einer Ausschüttung auf die Anteile am Grundkapital nur eine Tätigkeitsvergütung und damit eine Sondervergütung, betragen die festzustellenden Besteuerungsgrundlagen Null.

Insoweit kommt der persönlich haftenden Person gegenüber einer mitunternehmerisch beteiligten Person keine Sonderstellung, da § 35 Abs. 4 EStG die Regelungen der Abs. 2 und 3 auch für diesen Fall für anwendbar hält. Dieser Regelung bedurfte es, da die persönlich haftende Person einer KGaA nach der Rechtsprechung des BFH vom 21.06.1989 – X R 14/88, BStBl. 1989 II 881, kein Mitunternehmer ist. Die persönlich haftende Person einer KGaA wird einer mitunternehmerschaftlich verbundenen Person jedoch nach § 35 Abs. 2 S. 1 EStG gleichgestellt.

Dieses Ergebnis steht auch mit den Gesetzesmaterialien in Einklang, da die im Gesetzgebungsverfahren vorgesehene Regelung, dass neben dem Gewinnanteil auch die Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG bei der Verhältnisbildung zu berücksichtigen wären,vgl. BT-DrS 14/2683, S. 6f., ist nicht ins Gesetz übernommen worden, BT-DrS 14/3366, S. 19f. Damit besteht ein abgestimmtes System. Für Zwecke der Gewerbesteuer wird die persönlich haftenden Person hinsichtlich ihrer Vergütung für die Geschäftsführung wie ein Mitunternehmer behandelt, § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG, § 8 Nr. 4 GewStG. Auf Ebene des persönlich haftenden Gesellschafters greift die Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG. Damit stellt der Gesetzgeber sichter, dass die Versteuerung auf Ebene der KGaA erfolgt. Das entspricht dem Besteuerungsregieme der Mitunternehmerschaft, bei der die Tätigkeitsvergütung dem Sonderbereich zugeordnet ist.

Der Betriebsausgabenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG wird durch die Hinzurechnung des § 8 Nr. 4 GewStG wieder zurückgedreht.

Vorabgewinne im Sinne des § 35 EStG steuerrechtliche Sondervergütungen im Sinn de s§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, sondern auch gewinnabhängige Vorabgewinnanteile, BFH vom 07.04.2009 – IV B 109/08, BStBl. 2010 II 116.

Diese Rechtslage bestand im Übrigen auch schon vor dem Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform 2008. Damals verstand der Gesetzgeber die KGaA ausdrücklich als Mitunternehmerschaft und erwähnte sie in § 35 Abs. 2 S. 1 EStG a.F. entsprechend. Schon damals war die Berücksichtigung von Vorabgewinnen bei der persönlich haftenden Person – wie für andere Mitunternehmerschaften – ausgeschlossen.

Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG gilt nicht für Zwecke der Gewerbesteuer

BFH Urteil vom 06.06.2019 – IV R 30/16
[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg Urteil vom 22.4.2016 – 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246]

Ist eine Personengesellschaft nicht selbst originär gewerblich tätig, können die durch sie erzielten Einkünfte dennoch zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen.

Das ist bspw. im Fall der Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2 Var. EStG der Fall. Gemeint ist hiermit der Fall, dass eine Personengesellschaft an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist, die selbst – gleich aus welchem Grund – gewerbliche Einkünfte erzielt.

Der IV. Senat des BFH kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Gewerbebesteuerung nicht zur Anwendung gelangt. Folglich unterliegt eine nicht orginiär gewerblich tätige Personengesellschaft auch dann nicht der Gewerbesteuer nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG, wenn sie an einer Personengesellschaft beteiligt ist und von dieser gewerbliche Einkünfte bezieht.

Der IV. Senat erachtet es für notwendig § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG für Zwecke der Gewerbesteuer verfassungskonform einzuschränken, um eine ungerechtfertigte Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen zu vermeiden.

Denn § 15 Abs. 3 EStG findet auf Einzelunternehmen keine Anwendung. Damit scheidet eine Infektion in diesem Fall aus. Da anders als im Fall der Seitwärtsinfektion weder Bagatellgrenzen für den Fall der Aufwärtsinfektion noch Möglichkeiten zur Ausweichgestaltung gegeben sind, sind Personengesellschaften damit strukturell gegenüber Einzelunternehmen benachteiligt.

Diese Benachteigigung ist auch historisch nicht gerechtfertigt, da der Gesetzegeber mit der Einführung der 2. Var. in Nr. 1 lediglich den Rechtszustand wieder herstellen wollte, der sich bis zur Entscheidung des BFH vom 06.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 aus den Entscheidungen des BFH vom 08.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. 1996 II 264 und BFH vom 18.04.2000 – VIII R 68/98, BStBl. 2001 II 359 ergeben hatte und der Gegenstand der Verwaltungspraxis nach R 15.8 Abs. 5 S. 4 EStR 2005 war.

Letztlich lässt sich die Schlechterstellung von Personengesellschaften auch nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens oder einer gebotenen Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens rechtfertigen. Damit unterscheidet sich die 2. Var. erheblich von der 1. Var.

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: keine Anwendung der Aufwärtsabfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG

BFH Urt. v. 06.06.2019 – IV R 30/16

[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22.04.2016 – 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246]

Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG wirkt nur einkommensteuerrechtlich. Gewerbliche Einkünfte, die sich durch Umqualifikation im Wege der Aufwärtsabfärbung ergeben sind nicht gewerbesteuerbar.

2. Leitsatz der Entscheidung:

§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

Der BFH begründet seine Entscheidung wie folgt:

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG wurde als Reaktion auf die Entscheidung des BFH vom 06.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 in das Gesetz eingefügt, um die bisherige Verwaltungsauffassung, wie sie sich aus R 15.8 Abs. 5 S. 4 EStR 2005 ergibt, auf gesetzliche Füße zu stellen. Hiernach führte eine im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehaltene Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft dazu, dass die Einkünfte der Personengesellschaft insgesamt als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren waren.

Die Aufwärtsabfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG führt jedoch wegen der Einheit der Personengesellschaft zu einer Schlechterstellung dieser gegenüber einem Einzelunternehmer, der Einkünfte aus unterschiedlichen Einkunftsarten erzielen kann. Diese Schlechterstellung könne vor allem nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens begründet werden, da die infizierenden Einkünfte der Unterpersonengesellschaft selbst bereits der Gewerbesteuer unterliegen und insoweit keine Besteuerungslücke vorliegt. Folgerichtig werden diese Beteiligungseinkünfte bei der Oberpersonengesellschaft nach § 8 Nr. 8 GewStG und § 9 Nr. 2 GewStG durch Hinzurechnung von Verlusten und Kürzung von Gewinnen neutralisiert.

Zur Vermeidung einer Schlechterstellung der Personengesellschaft gegenüber einem Einzelunternehmen verbiete sich auch die Annahme, dass der Bezug von gewerblichen Einkünften aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Unterpersonengesellschaft als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist.