Praktisches Gewerbesteuerrecht 2020 – eine Tagung als Webinar

18.12.2020

Mit der auf den 18.12.2020 verschobene Tagung Praktisches Gewerbesteuerrecht 2020 der Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V. endete das diesjährige Tagungsprogramm.

Die Tagung war ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplant und wurde aufgrund der allgemeinen Entwicklung dann als Hybridveranstaltung konzipiert, um dann letztlich als reines Webinar durchgeführt zu werden.

Unter Leitung von RA/FAStR/StB Stefan Liedtke, LL.M. diskutierten Regierungsdirektor Thomas Schöneborn, LL.M. (OFD Nordrhein-Westfalen) und Richter am Bundesfinanzhof Dr. Christian Graw die Entwicklung auf dem Gebiet des Gewerbesteuerrechts der vergangenen Monate.

Schwerpunkt der der Tagung war in diesem Jahr die grundlegende Darstellungen der Themen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Veräußerungen, Ausschüttungen, Teilwertabschreibungen) sowie Verlustverrechnung unter Berücksichtigungen von Veränderungen im Rahmen der unternehmerischen Betätigung und der Zusammensetzung des Kreises der Unternehmer.

Eingeramt von den genannten Themen diskutierte die Referenten darüber hinaus die aktuellen Entwicklung auf dem Gebiet der Hinzurechnung von Finanzierungsaufwendungen und gingen auf die Fragstellungen aus dem Kreis der teilnehmenden Personen ein.

Die Diskutanten kamen überein, dass die jüngere Rechtsprechung des III. Senates des BFH durch die bereits anhängigen Verfahren und durch weitere Verfahren, die ihren Weg noch zum BFH finden müssen, sich künftig weiter herausbilden wird und auf eine Vielzahl von Fallkonstellationen austrahlen wird.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit der Darstellung der Entwicklung rund um die Beteiligung kommunaler Prüfungsdienste an Außenprüfungen der staatlichen Finanzverwaltungen. So stärkt die Rechtsprechung die langjährige Praxis der Finanzverwaltung; stellt aber auch deutlich heraus, dass das die Teilnahme kommunaler Prüfungsdienste an der Außenprüfung der Finanzverwaltung beobachtender Natur ist.

Die Tagung endete mit der Ankündigung, dass die Tagung Praktisches Gewerbesteuerrecht 2021 am 25. Juni 2021 im Pullman Hotel, Köln und als Webinar angeboten wird.

Die Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V. und die Referenten wünschen Ihnen eine frohe und besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Start ins Jahr 2021.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Mitvermietung von Betriebsvorrichtung – Versagung der erweiterten Grundbesitzkürzung

BFH Urt. v. 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 705

[Vorinstanz: FG Köln vom 29.04.2015 – 13 K 2407/11, EFG 2015, 1552]

Leitsatz der Entscheidung:

Eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG scheidet aus, wenn eine grundbesitzverwaltende GmbH neben einem Hotelgebäude auch Ausstattungsgegenstände (Bierkellerkühlanlage, Kühlräume, Kühlmöbel für Theken und Büffetanlagen) mit vermietet, die als Betriebsvorrichtungen zu qualifizieren sind.

Die Überlassung von Betriebsvorrichtungen verstößt gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG und führt zur Versagung der erweiterten Grundbesitzkürzung.

Dem liegt zu Grunde, dass Betriebsvorrichtungen keine Bestandteile des Grundbesitzes sind. Grundbesitz im Sinne der erweiterten Kürzung ist wie im Rahmen der einfachen Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG der Grundbesitz im bewertungsrechtlichen Sinne, BFH vom 22.06.1977 – IR 50/75, BStBl. 1977 II 778. Der Umfang des Grundbesitzes bestimmt sich daher nach § 68 BewG. Nicht zum Grundbesitz gehören nach § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn diese zivilrechtlich wesentlichen Bestandteile des Grundstücks sind. Betriebsvorrichtungen sind jedoch nur Gegenstände, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben werden. Keine Betriebsvorrichtung liegt daher vor, wenn die Anlage für den Betrieb lediglich nützlich, notwendig oder gewerbeordnungsrechtlich vorgeschrieben ist. Eine Betriebsvorrichtung liegt erst dann vor, wenn sie von ihrer Funktion her unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dient, BFH vom 28.03.2013 – III R 35/15, BStBl. 2013 II 606 Rn. 8, m.w.N. – vgl. auch Bahns/Graw, FR 2008, 257, 262 –

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn das Ausschließlichkeitsgebot ausnahmensweise zurücktritt. Das ist dann der Fall, wenn die Nutzungsüberlassung zwingend geboten ist, um das überlassene Grundstück sinnvoll zu nutzen. Das ist bei dem Betriebs notwendiger Sondereinrichtung für die Mieter sowie hinsichtlich notwendiger Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung (bspw. zentrale Heizungsanlage, Gartenanlagen usw.) der Fall, BFH vom 05.03.2008 – I R 56/07, HFR 2008, 1157 unter II.2.b. Darüberhinausgehenden Überlassungen – von Betriebsvorrichtungen – rechtfertigen keine Ausnahme von dem Ausschließlichkeitsgebot.

Das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG lässt i. Ü. keinen Raum für eine Bagatellgrenze.

Praktisches Gewerbesteuerrecht 2019 – ein Rückblick

Am 5. Juli 2019 in Köln fand zum 6. Mal die Tagung „Praktisches Gewerbesteuerrecht“ statt.

Traditionell setzte sich das Podium auch in diessem Jahr aus Mitgliedern der Finanzverwaltung, der Beraterschaft und der Richterschaft zusammen. Namentlich waren das Herr RD Thomas Schöneborn, LL.M. (OFD NRW), RiBFH Dr. Christian Graw und RA/FAStR/StB Stefan Liedtke, LL.M. (Warth & Klein Grant Thornton AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Den teilnehmenden Personen bot das Gelegenheit die unterschiedlichen Sichtweisen und Auslegungen des Gewerbesteuerrechts mit den Referenten zu diskutieren und Anregungen für die Praxis zu erhalten.

Schwerpunkte der Veranstaltung waren erneut die Bereiche Hinzurechnungen und Kürzungen. Im Vordergrund standen Finanzierungsaufwendungen sowie die erweiterte Grundbesitzkürzung. Ebenfalls einen breiten Raum nahmen die Besonderheiten der gewerbesteuerlichen Verlustverrechnung bei Mitunternehmerschaften ein. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die ausführliche Darstellung des Zerlegungsrechts.

Die Tagung wurde auch in diesem Jahr durch einen umfangreichen Tagungsband begleitet.

Tagungsort war der große Saal in der 13. Etage des Pullman Hotels in Köln, der am Rande des fachlichen Teils zum Ausblick über die Stadtkulisse von Köln einlud.

Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG gilt nicht für Zwecke der Gewerbesteuer

BFH Urteil vom 06.06.2019 – IV R 30/16
[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg Urteil vom 22.4.2016 – 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246]

Ist eine Personengesellschaft nicht selbst originär gewerblich tätig, können die durch sie erzielten Einkünfte dennoch zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen.

Das ist bspw. im Fall der Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2 Var. EStG der Fall. Gemeint ist hiermit der Fall, dass eine Personengesellschaft an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist, die selbst – gleich aus welchem Grund – gewerbliche Einkünfte erzielt.

Der IV. Senat des BFH kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Gewerbebesteuerung nicht zur Anwendung gelangt. Folglich unterliegt eine nicht orginiär gewerblich tätige Personengesellschaft auch dann nicht der Gewerbesteuer nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG, wenn sie an einer Personengesellschaft beteiligt ist und von dieser gewerbliche Einkünfte bezieht.

Der IV. Senat erachtet es für notwendig § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG für Zwecke der Gewerbesteuer verfassungskonform einzuschränken, um eine ungerechtfertigte Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen zu vermeiden.

Denn § 15 Abs. 3 EStG findet auf Einzelunternehmen keine Anwendung. Damit scheidet eine Infektion in diesem Fall aus. Da anders als im Fall der Seitwärtsinfektion weder Bagatellgrenzen für den Fall der Aufwärtsinfektion noch Möglichkeiten zur Ausweichgestaltung gegeben sind, sind Personengesellschaften damit strukturell gegenüber Einzelunternehmen benachteiligt.

Diese Benachteigigung ist auch historisch nicht gerechtfertigt, da der Gesetzegeber mit der Einführung der 2. Var. in Nr. 1 lediglich den Rechtszustand wieder herstellen wollte, der sich bis zur Entscheidung des BFH vom 06.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 aus den Entscheidungen des BFH vom 08.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. 1996 II 264 und BFH vom 18.04.2000 – VIII R 68/98, BStBl. 2001 II 359 ergeben hatte und der Gegenstand der Verwaltungspraxis nach R 15.8 Abs. 5 S. 4 EStR 2005 war.

Letztlich lässt sich die Schlechterstellung von Personengesellschaften auch nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens oder einer gebotenen Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens rechtfertigen. Damit unterscheidet sich die 2. Var. erheblich von der 1. Var.

§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: keine Anwendung der Aufwärtsabfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG

BFH Urt. v. 06.06.2019 – IV R 30/16

[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22.04.2016 – 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246]

Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG wirkt nur einkommensteuerrechtlich. Gewerbliche Einkünfte, die sich durch Umqualifikation im Wege der Aufwärtsabfärbung ergeben sind nicht gewerbesteuerbar.

2. Leitsatz der Entscheidung:

§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

Der BFH begründet seine Entscheidung wie folgt:

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG wurde als Reaktion auf die Entscheidung des BFH vom 06.10.2004 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 in das Gesetz eingefügt, um die bisherige Verwaltungsauffassung, wie sie sich aus R 15.8 Abs. 5 S. 4 EStR 2005 ergibt, auf gesetzliche Füße zu stellen. Hiernach führte eine im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehaltene Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft dazu, dass die Einkünfte der Personengesellschaft insgesamt als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren waren.

Die Aufwärtsabfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG führt jedoch wegen der Einheit der Personengesellschaft zu einer Schlechterstellung dieser gegenüber einem Einzelunternehmer, der Einkünfte aus unterschiedlichen Einkunftsarten erzielen kann. Diese Schlechterstellung könne vor allem nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens begründet werden, da die infizierenden Einkünfte der Unterpersonengesellschaft selbst bereits der Gewerbesteuer unterliegen und insoweit keine Besteuerungslücke vorliegt. Folgerichtig werden diese Beteiligungseinkünfte bei der Oberpersonengesellschaft nach § 8 Nr. 8 GewStG und § 9 Nr. 2 GewStG durch Hinzurechnung von Verlusten und Kürzung von Gewinnen neutralisiert.

Zur Vermeidung einer Schlechterstellung der Personengesellschaft gegenüber einem Einzelunternehmen verbiete sich auch die Annahme, dass der Bezug von gewerblichen Einkünften aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Unterpersonengesellschaft als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist.