Geschützt: § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Seitwärtsabfärbung bei Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit einer ansonsten vermögensverwaltenden GbR – Aufgabe der Rechtsprechung des BFH vom 12.04.2018 – IV R 5/15, BStBl. 2020 II 118

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§ 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG: Seitwärtsabfärbung bei Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit

BFH vom 12.04.2018 – IV R 5/15 [Vorinstanz FG Münster vom 09.12.2014 – 15 K 1556/11 F]

Reaktion des Gesetzgebers: Einfügung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG mit Gesetz vom 12.12.2019, BGBl. 2019 I 2451 mit Wirkung vom 18.12.2019. Nach § 52 Abs. 23 S. 1 EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 anzuwenden. Nach Ansicht des Gesetzgebers hat die gesetzliche Neuregelung nur klarstellenden Charakter.

Übt eine Personengesellschaft – auch – eine gewerbliche Tätigkeit aus, kommt es nach § 15 Abs. 3 S. 1 1. Var. EStG zur Seitwärtsabfärbung. Das bedeutet, dass sämtliche Einkünfte der Personengesellschaft als solche aus Gewerbebetrieb gelten. Zweck dieser Regelung ist es die Ermittlung der Einkünfte der Personengesellschaft zu vereinfachen und das Gewerbesteueraufkommen zu schützen.

Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kommt es jedoch dann nicht zur Seitwärtsabfärbung, wenn die gewerbliche Betätigung nur in besonders geringem Maße erfolgt, BFH vom 11.10.1999 – XI R 12/98, BStBl. 2000 II 229.

Der BFH sieht die Grenzen besonders geringer gewerblicher Betätigung (Bagatellgrenze) – für den Fall einer ansonsten freiberuflichen Tätigkeit – noch eingehalten, wenn die erzielten Nettoumsätze aus gewerblicher Betätigung nicht mehr als 3 % des Gesamtnettoumsatzes pro Jahr ausmachen (relative Grenze) und pro Jahr EUR 24.500 nicht übersteigen (absolute Grenze), BFH vom 27.08.2014 – VIII R 6/12, BStBl. 2015 II 1002.

Unter welchen Voraussetzungen eine Bagatellgrenze bei ansonsten vermögensverwaltender Betätigung der Personengesellschaft anzuwenden ist, ist bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung, offen gelassen BFH vom 12.04.2018 -IV R 5/15.

Nach Ansicht des BVerfG kommt den Bagatellgrenzen des BFH bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Seitwärtsabfärbung entscheidende Bedeutung mit Blick auf deren Verhältnismäßigkeit zu, BVerfG vom 15.01.2008 -1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1.

Erzielt eine ansonsten vermögensverwaltende Personengesellschaft Verluste aus einer – auch – gewerblichen Betätigung, stellt sich ebenfalls die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Jedenfall lässt sich eine Abfärbung in diesem Fall nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens rechtfertigen, da der Verlust keine Steueraufkommen genieren kann. [Dieses Argument kann nur zählen, wenn ein negativer Gewerbeertrag vorläge.] Auch sieht der BFH Vereinfachungswirkung der Seitwärtsabfärbung im Verlustfall, die die Rechtsfolgen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG rechtfertigen könnte.