Schlagwort: Personengesellschaft
§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG: Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG
BFH vom 05.09.2023 – IV R 24/20, FR 2023, 1082
[Vorinstanz: FG Köln vom 26.06.2020 – 4 K 3437/11, EFG 2021, 857]
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Dabei enthält das Gewerbesteuerrecht heute keine Definition des Gewerbebetriebes mehr. Die früher in der GewStDV enthaltene Definition des Gewerbebetriebes wurde vielmehr in § 15 Abs. 2 EStG übernommen. Daher verweist § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG hinsichtlich des Gewerbebetriebes auf das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes.
Das Einkommensteuerrecht kennt in § 15 Abs. 2 EStG den originären Gewerbebetrieb sowie in § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG den Gewerbebetrieb aufgrund einer Aufwärtsabfärbung. Die Aufwärtsabfärbung liegt vor, wenn eine Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG bezieht. Die Regelung wurde aufgrund der Rechtsprechung des BFH vom 06.10.2014 – IX R 53/01, BStBl. 2005 II 383 in das Gesetz eingefügt. Der BFH hatte im Rahmen dieser Entscheidung herausgearbeitet, dass der im Streitjahr geltende § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1985 für Zwecke der Abfärbung voraussetzte, dass die Personengesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt. Hieran fehle es jedoch entgegen der früheren Rechtsprechung, BFH Vom 08.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. 1996 II 264, im Fall des Bezuges gewerblicher Einkünfte aus einer einer gewerblichen Beteiligung. Dieser unterschiedlichen Sicht dürften ein unterschiedliches Verständnis auf die Stellung der mitunternehmerisch verbundenen Perosen zu Grunde liegen, die entweder Kraft ihrer Mitunternehmerinitiativrecht tatsächlich selbst handeln und ausübend sind oder die als Bezieher der Einkünfte aus der Beteiligung gerade keine Tätigkeit ausüben. Die se Frage entscheidet sich auf Grundlage der Stellung der mitunternehmerisch verbundenen Person, die entweder als Teil der Mitunternehmerschaft von innen heraus agiert oder in einem Leistungsverhältnis zur Mitunternehmerschaft steht.
Gewerbliche Einkünfte in diesem Sinne sind Gewinnanteile des Gesellschafters aus einer Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist.
Mitunternehmer ist, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat, Mitunternehmerrisiko tärgt und Mitunternehmerinitiative entfaltet sowie die Absicht zur Gewinnerzielung hat, BFH vom 22.06.2017 – IV R 42/13, BFHE 259, 258.
Personengesellschaft im Sinne der Norm war nach der Entstehungsgeschichte des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 1985 eine Gesellschaft, die betriebliche Einküften erzielt, vgl. hierzu BFH vom 06.11.2003 – IV ER-S 3/03, BStBl. 2005 II 376. Die Rechtsprechung später vermögensverwaltende Gesellschaften in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen, BFH vom 08.12.1994 – IV R 7/92, BStBl. 1996 II 264. Dabei wurde auch eine GbR unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit erfasst, BFH vom 10.08.1994 – I R 133/93, BStBl. 1995 II 171.
Wer Gesellschafter einer Personengesellschaft ist, ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag. Die Eintragung der Gesellschafter ins Handelsregister ist lediglich deklaratorischer Natur, BFH vom 12.02.2004 – IV R 70/02, BStBl. 2004 II 423. Daher sprach der BFH einer GbR die Fähigkeit Mitunternehmerin zu sein zu, BFH vom 25.02.1991 – GrS 7/89, BStBl. 1991 II 691.
Voraussetzung der Aufwärtsabfärbung ist darüber hinaus, dass es sich um gewerbliche Einkünfte handelt, die seitens der Gesamthand bezogen werden. Soweit eine mitunternehmerisch verbundene Person Einkünfte aus einer Beteiligung erzielt, die dem Sonderbereich des Gesellschafters bei der Personengesellschaft zuzuordnen sind, führen diese nicht zur Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Var. EStG.
Nach der Rechtsprechung des BFH vom 06.06.2019 – IV R 30 16, BStBl. 2020 II 649 findet die Aufwärtsabfärbung für Zwecke der Gewerbesteuer aufgrund verfassungskonformer Auslegung keine Anwendung. Die Finanzverwaltung wendet dieses Urteil jedoch über den Einzelfall hinaus nicht an, gleichlautende Ländererlasse vom 01.10.2020, BStBl. 2020 I 1032.
Das gilt auch in dem Fall, in dem eine vermögensverwaltende Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte aus einer mitunternehmerischen Beteiligung bezieht.
§ 10a GewStG: Übergang des Gewerbeverlustes bei Einbringung eines Betriebes durch eine Kapitalgesellschaft in eine Mitunternehmerschaft
FG Baden-Württemberg vom 30.01.2017 – 10 K 3703/14, EFG 2017, 1604
aufgehoben durch BFH vom 17.01.2019 – III R 35/17, BStBl. 2019 II 407
Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.
Der so ermittelte maßgebende Gewerbeertrag wird nach § 10a S. 1 GewStG um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Bei der Kürzung sind die betragsmäßigen Beschränkung des § 10a S. 2 GewStG zu beachten.
Die Kürzung des Gewerbeertrags um Fehlbeträge setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Unternehmensidentität und die Unternehmeridentität voraus, BFH vom 24.04.2014 – IV R 34/10, BStBl. 2017 II 233.
Unternehmensidentität bedeutet, dass die steuerpflichtige Person, die den Abzug des Fehlbetrages in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten hat. Die steuerpflichtige Person muss danach sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrages Unternehmensinhaber gewesen sein, BFH vom 11.10.2012 – GrS 3/92, BStBl. 1993 II 616.
Ertragsteuerlich sind einzelunternehmisch tätige Personen ebenso wie mitunternehmerisch verbundene Personen diejenigen, die die Einkünfte aus dem Unternehmen beziehen. Sie sind damit sachlich gewerbesteuerpflichtigt und die Träger von Fehlbeträgen, BFH vom 11.10.2012 – GrS 3/92, BStBl. 1993 II 616. Das Recht zur Kürzung des Fehlbetrages steht damit nicht der Mitunternehmerschaft, sondern den an ihr mitunternehmerisch beteiligten Personen zu, BFH vom 16.06.2011 – IV R 11/08, BStBl. 2011 II 903.
Im Fall der Einbringung eines gewerblichen Betriebes in eine Mitunternehmerschaft führt das dazu, dass ein bestehender Fehlbetrag, der für die einbringenden Person festgestellt wurde, von dieser bei der Mitunternehmerschaft gekürzt werden kann, soweit der Gewerbeetrag auf die einbringende Person entfällt, BFH vom 11.10.2012 – GrS 3/92, BStBl. 1993 II 616. Zum Ende des ersten Erhebungszeitraums nach der Einbringung ist der Fehlbetrag bei der Mitunternehmerschaft nach § 10a S. 6 GewStG festzustellen.
Unternehmensidentität ist gegeben, wenn der Gewerbebetrieb im Jahr der Entstehung des Fehlbetrages wie auch im Jahr der Kürzung in identischer Form bestanden hat, BFH vom 07.08.2008 – IV R 86/05, BStBl. 2012 II 145. Das ergibt sich aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer, BFH vom 28.04.1977 – IV R 165/76, BStBl. 1977 II 666. Ein gewerbesteuerliche Fehlbetrag kann daher nicht von einem Betrieb auf einen anderen Betrieb übergehen. Mit dem Ende der sachlichen Steuerpflicht entfällt die Unternehmensidentität und damit der Fehlbetrag. Sie besteht jedoch fort, solange der nämliche Unternehmensgegenstand nicht entfallen ist, BFH vom 07.09.2016 – IV R 31/13, BFHE 255, 266. Maßgebliche Kriterien sind die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens, BFH vom 16.04.2002 – VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81. Bei Kapitalgesellschaften ist jedoch zu beachten, dass die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt.
Im Fall der Einbringung ist das Merkmal der Unternehmensidentität auch dann von Bedeutung, wenn die Einbringung durch eine Kapitalgesellschaft erfolgt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang Gewerbebetrieb ist. Maßgeblich ist vielmehr die aufnehmende Personengesellschaft, für die Grundsätze der Unternehmensidentität uneingeschränkt gelten.