BFH vom 14.06.2005 – VIII R 3/03, BStBl. 2005 II 778
Kategorie: GewStG
§ 33 Abs. 1 GewStG: Nutzung von öffentlichen Straßen
Hessisches FG vom 06.04.2005 – 8 K 5273/00
Die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage, der Gewerbeertrag, unterliegt der Zerlegung nach §§ 28ff. GewStG, wenn die steuerpflichtige Person innerhalb des Erhebungszeitraumes in mehreren Gemeinde Betriebsstätten unterhält, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG. Vorbehaltlich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG erfolgt die Zerlegung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne.
Führt die Zerlegung nach Arbeitslöhnen zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, ist die Zerlegung nach einem Maßstab durchzuführen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG.
Ein unbilliges Ergebnis ist offenbar, wenn es von erheblichem Gewicht, eindeutig und augenfällig ist, BFH vom 12.05.1992 – VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn auf Grund atypischer Umstände des Einzelfalles, die sich schon aus der anzuwendenden Zerlegungsmethode ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird und die nachteiligen Auswirkung der Anwendung dieser Zerlegungsmethode von wesentlicher Bedeutung ist, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836.
Maßstab der Prüfung des offenbar unbilligen Ergebnisses ist der gesetzlich verfolgte Zweck der Zerlegung, die Umsetzung des tragenden Besteuerungsgedankens der Gewerbesteuer, des Äquivalenzprinzips. Den Gemeinden soll hiernach ein Ausgleich für diejenigen Gemeindelasten, die durch die Betriebsstätte des Unternehmens im Gemeindegebiet erwachsen, in Form einer Steuerquelle zustehen. Dabei sind zunächst die Arbeitnehmerfolgelasten, also die Aufwendungen der Gemeinde für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern, usw., aufgrund der dort wohnenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dem entgegen ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz im Rahmen der Regelzerlegung nach Arbeitslöhnen, § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG, ein bewusst grobes Verfahren vorsieht. Die in diesem Verfahren verankerten Unschärfe führt zu keinem unbilligen Ergebnis.
Darüber hinaus kann sich ein deutliches Missverhältnis zwischen der unmittelbaren Belastung der einzelnen Gemeinden durch die Betriebsstätten einerseits und dem ihr zugewiesenen Zerlegungsanteil andererseits, aus anderen Gründen ergeben. Diese darzulegen obliegt der Gemeinde, BFH vom 12.07.1960 – I B 47/59 S, BStBl. 1960 III 386. Dabei hat die Gemeinde bspw. mit Blick auf die Beanspruchung von Straßen auch darzulegen, dass sie selbst Trägerin der Straßenbaulast ist. Die stärker Benutzung von Bundes- oder Landstraßen im Gemeindegebiet führt, nicht zu einer Belastung der Gemeinde.
§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG: gewerblich geprägte Personengesellschaft – Beginn der sachlichen Steuerpflicht
BFH vom 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. 2004 II 464
Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb soweit dieser im Inland betrieben wird. Gewerbebetrieb ist jedes gewerbliche Unternehmen im Sinne des EStG. Damit unterliegen nicht nur die originär gewerblich tätigen Personengesellschaften nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG der Gewerbesteuer, sondern auch Personengesellschaften, die nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerblich infiziert sind bzw. solche die nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt sind.
Nimmt die gewerblich geprägte Personengesellschaft ihre vermögensverwaltende Tätigkeit auf, beginnt die sachliche Steuerpflicht der Gesellschaft, sofern die Tätigkeit nicht als reine Vorbereitungshandlung angesehen werden kann. Denn Wesen der gewerblichen Prägung ist es, dass gerade die vermögensverwaltenden Tätigkeit unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als gewerbliche gelten.
Mit Beginn der sachlichen Steuerpflicht der gewerblich geprägten Personengesellschaft unterliegen auch Tatbestandsverwirklichungen im Sonderbereich der mitunternehmerisch beteiligten Personen der Gewerbesteuer.
BFH vom 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. 2004 II 464
BFH vom 30.09.2003 – I R 19/02, BStBl. 2004 II 192
BFH vom 30.09.2003 – I R 19/02, BStBl. 2004 II 192
BFH vom 30.04.2003 – I R 19/02, BStBl. 2004 II 192
BFH vom 31.05.2001 – IV R 73/00, BStBl. 2001 II 673
BFH vom 25.05.2000 – III R20/97, BStBl. 2001 II 365
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: zum Umfang der zwingend notwendigen Nebentätigkeit zur wirtschaftlich sinnvollen Grundstücksnutzung als Ausnahmen von Ausschließlichkeitsgebot
BFH vom 18.04.2000 – VIII R 68/98, BStBl. 2001 II 359 [Vorinstanz: FG Baden-Württemberg]
Von Amts wegen ist grundbesitzenden Unternehmen nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die einfache Grundbesitzkürzung in Höhe von 1,2 % des Einheitswertes der im Inland belegen Grundstücke zu gewähren. Das Gesetz verfolgt den Zweck die Doppelbelastung von Grundsteuer und Gewerbesteuer – beides Realsteuern – zu vermeiden, Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 693, 696.
Auf Antrag tritt an deren Stelle die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die Kürzung umfasst nur den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Die Regelung dient der Schaffung einer rechtsformneutralen Besteuerung, BFH vom 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. 1999 II 168.
Überschreitet die die Verwaltung und Nutzung eigene Grundbesitzes oder Kapitalvermögens die Schwelle zur Gewerblichkeit, ist das kürzungsschädlich.
Ursprünglich war der Tatbestand des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausnahmenslos auf die Verwaltung un Nutzung des Grundbesitzes beschränkt. Erst mit der mit dem StÄndG 1961, BGBl. 1961 I 981 wurden bestimmte Nebentätigkeiten als kürzungsunschädlich anerkannt.
Der Zweck der Herstellung einer rechtsformneutralen Besteuerung wurde mit Definition kürzungsunschädlicher Nebentätigkeiten nicht aufgegeben, BFH vom 28.06.1973 – IV R 97/72, BSTBl. 1973 II 688.
Die gesetzliche Definition der kürzungsunschädlichen Nebentätigkeiten ist abschließend. Eine Bagatellgrenze sieht das Gesetz nicht vor.
Wird neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine Betriebsvorrichtung überlassen, ist das grundsätzlich kürzungsschädlich. Hiervon abweichend ist überlassung von Betriebsvorrichtungen jedoch dann kürzungsunschädlich, wenn Grundstücksteile nur wegen ihrer Nutzung durch den Mieter zu Betriebsvorrichtungen werden, BFH vom 22.06.1977 – I R 50/75, BStBl. 1977 II 778.
Das setzt voraus, dass die Neben- oder Hilfsgeschäfte zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung sind, BFH vom 23.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338.
Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der auf die Vermietung entfallende Gewinnanteil 20 % des (gewerbesteuerpflichtigen) Gesamtgewinns beträgt, BFH vom 26.02.1992 – I R 53/90, BStBl. 1992 II 738 oder die Herstellungskosten der Betriebsvorrichtung mehr als 20 % der Herstellungkosten des vermieteten Grundbesitzes übersteigt, BFH vom 26.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338.
Nicht übersehen werden darf, dass der BFH in seiner Entscheidung vom 26.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338 offen gelassen hat, ob das Ausschließlichkeitsgebot überhaupt Ausnahmen duldet.
Der VIII. Senat ist jedoch der Ansicht, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei völlig unwesentlichen und damit in ihrem wirtschaftlichen Gewicht vernachlässigbare Tätigkeiten unschädlich sein können. Er stützt seine Auffassung auf die Rechtsprechung des RFH vom 19.09.1939 – I 270/38, RStBL. 1940, 38 und des BFH vom 08.06.1978 – I R 68/75, BStBl. 1978 II 505.