§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Billigkeitsregelungen im Rahmen der Überlassung von (möblierten) Wohnungen an vor dem Krieg in der Ukraine Geflüchtete

gleichlautende Ländererlassen vom 31.03.2022, FR 2022, 376

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt voraus, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.

Soweit neben dem Grundbesitz auch bewegliche Sachen Gegenstand der Verwaltung und Nutzung sind, scheidet die erweiterte Kürzung wegen des Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsprinzip aus.

Durch die Einführung einer Bagatellgrenze in § 9 Nr. 1 S. 3 lit. c GewStG ist die strikte Ausschließlichkeit aufgeweicht worden. Die Ausschließlichkeit als solche bleibt jedoch außerhalb der Bagatellgrenze bestehen. Von der Bagatellgrenze erfasst sind jedoch nur unmittelbare Vertragsbeziehungen mit den mietenden Personen. Nach bisherigem Verständnis schließt die Voraussetzung der unmittelbaren Vertragsbeziehung die

Überlässt nun eine steuerpflichtige Person möblierten Wohnraum kann das weiterhin zum Ausschluss der erweiterten Grundbesitzkürzung führen.

Aus Billigkeitsgründen wird die Finanzverwaltung bei der entgeltlichen Überlassung möblierten Wohnraums an vor dem Krieg in der Ukraine Geflüchteten bis 31.12.2022 nicht auf den Tatbestand der Gewerblichkeit prüfen.

[Hinweis: Um dem Zweck der Billigkeitsregelung gerecht zu werden, wird die Finanzverwaltung auch nicht prüfen dürfen, ob das ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot durch die entgeltlich oder unentgeltliche Überlassung der Einrichtungsgegenstände vorliegt.]

Darüber hinaus sind sonstige Unterstützungsleistungen, wie bspw. dei entgeltliche Zurverfügungstellung von Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln oder Kleidung, nur kürzungsunschädlich, wenn sie die Bagatellgrenze nach § 9 Nr. 1 S. 3 lit. c GewStG nicht übersteigen.

[Hinweis: Die Formulierung deutet darauf hin, dass die entgeltliche Überlassung von möbliertem Wohnraum bei der Berechnung der Bagatellgrenze unberücksichtigt bleibt.]

Aus Billigkeitsgründen gelten Kriegsflüchtlinge aus der Urkraine als (mittelbare) Mieter im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 3 lit. c GewStG, wenn die Wohnungen an z.B. juristsische Personen des öffentlichen Rechtes vermietet und von diesen an die Geflüchteten überlassen werden.

[Hinweis: Offen bleibt daher die Frage, ob auch mittelbare Mieter Mieter im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 3 lit. c GewStG sind.]

Billigkeitsregelung zur ertragsteuerlichen Erfassung von Zinsen nach § 233a AO

BMF-Schreiben vom 16.03.2021

Weicht das FInanzamt im Nachgang zu einer Außenprüfung von der bisherigen Qualifikation der Einkünfte als Einkünfte aus selbständiger Arbeit, § 18 EStG, oder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, § 15 EStG, ab, führt das in aller Regel zu gegenläufigen Steuerzahlungen betreffend die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer, die jeweils verzinst werden.

Dabei unterliegen Erstattungszinsen der Besteuerung als Betriebseinnahmen oder der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG. Gegenläufig unterliegen die Nachzahlungszinsen dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 3 EStG.

Mit Schreiben vom 16.03.2021 greift die FInanzverwaltung dieses Problem auf und nennt eine solche Konstellation in Abweichung zum Vorgängerschreiben vom 05.10.2000, BStBl. 2000 I 1508, als Grund für eine sachliche Billigkeitsmaßnahme und erlaubt die Verrechnung der gegenläufigen Zinsen. Der Besteuerung unterliegt damit nur noch ein positiver Zinsüberhang.

§ 33 Abs. 1 GewStG: Sanierungsgewinn eines Unternehmens im gewerbesteuerlichen Organkreis begründet keine abweichende Zerlegung

FG Berlin-Brandenburg vom 09.02.2017 – 10 K 10165/14, NWB EAAAG-42657

Abweichend von den allgemeinen Regeln zur Zerlegung (mehrere Betriebsstätten innerhalb eines Erhebungszeitraumes begründen die Zerlegung (§ 28 GewStG), die in der Regel nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne zu erfolgen hat (§ 29 GewStG)) erfolgt die Zerlegung nach § 33 Abs. 1 GewStG nach einem Maßstab der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, wenn die Zerlegung nach den allgemeinen Regelungen zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt.

Ein offenbar unbilliges Ergebnis ist nach ständiger Rechtsprechung nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus dem groben Zerlegungsmaßstab des § 29 i.V.m. § 31 GewStG ergibt. Es bedarf vielmehr hinsichtlich der offenbaren Unbilligkeit eines erheblichen Gewichts. Der BFH spricht insoweit von atypischen Umständen des Einzelfalles, die dazu führen, dass die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird, BFH vom 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. 2010 II 492.

Als Unbilligkeiten sind entsprechend dem Belastungsgedanken des Äquivanlenzprinzips nur Arbeitnehmerfolgelasten zu berücksichtigen. Daher kann eine abweichende Zerlegung in Betracht kommen, wenn in einer Betriebsstätte überwiegend Leiharbeite eingesetzt werden, FG Niedersachsen vom 03.07.2003 – 11 K 11/99, DStRE 2004, 471. Zudem hat der BFH auch atypische Lasten für die Gemeinde anerkannt, die nicht durch in der Gemeinde ansässige Arbeitnehmer anerkannt wurden, BFH vom 04.04.2007 – I R 23/06, BStBl. 2007, II 836. Nicht anerkannt wurde durch den BFH jedoch die Berücksichtigung des Betriebsstättenergebnisses als Maßstab. Denn dieses ist Ausdruck der Ertragsstärke des Unternehmens und spiegelt nur zufällig die gemeindlichen Lasten wieder, die sich aus der Entfaltung des Unternehmens durch die Betriebsstätte ergeben, BFH vom 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. 2010 II 492.

Übertragen auf den Fall einer gewerbesteuerlichen Organschaft bedeutet das, dass der Gesetzgeber die Organgesellschaft in § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG als Betriebsstätte der Organträgerin ausgestaltet hat. Das gilt auch im Fall der Zerlegung. Daher kann aus dem Organschaftverhältnis selbst noch keine offenbare Unbilligkeit von Gewicht hergeleitet werden.

Erzielt die Organträgerin nunmehr ein außerordentliches Ergebnis in Form eines Sanierungsgewinns begründet das nach Ansicht des Finanzgerichts keine atypischen Umstände des Einzelfalles.