§ 2 Abs. 1 S. 1, 3 GewStG; § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG: Inlandsbezug der Gewerbesteuer bei Bauausführungen im Inland

BFH vom 05.06.2024 – I R 32/20, NWB DAAAJ-78142

[Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 28.05.2020 – 9 K 1904/18 G, EFG 2020, 1325]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Inländisch stehender Gewerbebetrieb ist derjenige, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG. Betriebsstätte in diesem Sinne ist die Betriebsstätte nach § 12 AO, BFH vom 13.09.2000 – X R 174/96, BStBl. 2001 II 734. Soweit in einem Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung eine Betriebsstättendefinition enthalten ist, kann diese für die Bestimmung der gewerbesteuerlichen Betriebsstätte nicht herangezogen werden, BFH vom 20.07.2016 – I R 50/15, BStBl. 2017 II 230. Betriebsstätte nach § 12 S. 1 AO ist jede fest Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Eine solche setzt eine feste Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von gewisser Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat, BFH vom 02.04.2014 – I R 68/12, BStBl. 2014 II 875. Diese Voraussetzung erfüllen Grundstücke, die erworben, bebaut und weiterveräußert werden, BFH vom 02.04.2014 – I R 68/12, BStBl. 2014 II 875. Soweit die Voraussetzungen einer Bau- und Montagebetriebsstätte nach § 12 S. 2 Nr. 8 AO erfüllt sind, liegen auch diese Voraussetzungen vor.

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Sind damit bei der Ermittlung des Gewinn nach den Vorschriften des Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetzes Einkünfte steuerbefreit, fließen diese nicht in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage ein, BFH vom 09.06.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35.

Nach § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG ist Gewerbeertrag um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens zu kürzen, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte dieses Unternehmens entfällt. Diese Regelung stellt im Wege der Kürzung nochmals klar, was sich schon aus der Steuerpflicht ergeben würde.

Die Kürzung wird auch nicht durch doppelbesteuerungsrechtliche Regelungen, die der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht zuweisen oder durch Ergebnisse grenzüberschreitender Betriebsprüfungen (joint audits) überlagert.

§ 2 Abs. 1 S. 1, 3 GewStG: Begründung Betriebsstätte durch Beauftragung einer Dienstleistungsgesellschaft

BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, NWB TAAAJ-19594

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 21.11.2019 – 9 K 11108/17, EFG 2020, 669]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der stehenden Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Ein Gewerbebetrieb wird im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG.

Das Gewerbesteuerrecht enthält keine Definition einer Betriebsstätte, so dass auf den allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zurückgegriffen werden kann. Demnach bildet jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient eine Betriebsstätte.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage eine feste Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von gewisser Dauer ist und über die die steuerpflichtige Person nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat, BFH vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. 2015 II 601.

Dabei ist von einer nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht auszugehen, wenn die steuerpflichtige Person eine Rechtsposition inne hat, die ihr nicht mehr ohne Weiteres entzogen werden kann. Nicht ausreichend ist die tatsächliche Mitbenutzung, BFH vom 30.06.2005 – III R 76/03, BStBl. 2006 II 84, und die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie die rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 04.06.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008 II 922.

Soweit die steuerpflichtigen Person rechtlich befugt ist Einrichtungen und Anlagen eines anderen Unternehmens zu nutzen und dies durch eigene Beschäftigte oder durch überlassene Beschäftigte, die der steuerpflichtigen Person gegenüber weisungsgebunden sind, oder durch Subunternehmen tatsächlich auch erfolgt, kann eine Betriebsstätte einer steuerpflichtigen Person auch innerhalb der Betriebsstätte einer anderen Person liegen, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.

Ist die steuerpflichtige Person nicht befugt die Einrichtungen und Anlage eines anderen Unternehmens zu nutzen, kann dennoch eine Betriebsstätte der steuerpflichtigen Person am Standort des anderen Unternehmens begründet werden. Das ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten sachlichen und personellen Organismus in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit operativ nachzugehen, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Eine solche eigene Tätigkeit kann angenommen werden, wenn eine Personenidentität der Leitungsorgane vorliegt, die eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht, BFH vom 08.06.2015 – I B 3/14, BSH/NV 2015, 1553.

Die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage muss des Weiteren der Tätigkeit des Unternehmens dienen. Die schlichte Überlassung der Sache selbst an eine andere Person im Rahmen der Vermietung und Verpachtung genügt dem nicht, BFH vom 10.02.1988 – VIII R 159/84, BStBl. 1988 II 653. Erforderlich ist vielmehr die Entfaltung einer eigenen Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung, BFH vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233.

§ 33 Abs. 1 GewStG: unbilliges Ergebnis der Zerlegung wegen Lasten, die durch gewerbliche Abnehmer des steuerpflichtigen Unternehmens verursacht werden

FG Saarland vom 22.08.2008 – 1 K 1213/04, NWB UAAAC-96670

Der Gewerbesteuermessbetrag unterliegt der Zerlegung nach §§ 28ff. GewStG, wenn die steuerpflichtige Person innerhalb des Erhebungszeitraumes in mehreren Gemeinde Betriebsstätten unterhält, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG. Vorbehaltlich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG erfolgt die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne. Führt die Zerlegung nach Arbeitslöhnen zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, ist die Zerlegung nach einem Maßstab durchzuführen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Die Zerlegung ist also nur dann durchzuführen, wenn die steuerpflichtige Person zumindest über zwei Betriebsstätten verfügt. Das Zerlegungsrecht enthält keine eigenständige Definition der Betriebsstätte. Es kann daher auf den Begriff der Betriebsstätte nach § 12 AO zurückgegriffen werden. Damit unterhält jedes Unternehmen am Ort der Geschäftsleitung eine Betriebsstätte, § 12 S. 2 Nr. 1 AO. Ort der Geschäftsleitung ist der Ort, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung nach § 10 AO befindet. Das ist der Ort an dem sich die Geschäftsführung im engeren Sinne befindet, BFH vom 07.12.1994 – 1 K 1/93, BStBl. 1995 II 175. Diese ist auf die laufende Geschäftsführung gerichtet. Sie umfasst die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören „Tagesgeschäfte“, BFH vom 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/NV 1998, 434.

Betriebsstätte ist darüber hinaus jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, § 12 S. 1 AO. Diese Voraussetzungen erfüllt auch eine Brunnenanlage mit Brunnenschacht, Pumpe und abzweigender Rohranlage.

Im Fall des Auseinanderfallens von Geschäftsleitungsbetriebsstätte und fester Geschäftseinrichtung sind die Voraussetzungen mehrerer Betriebsstätten erfüllt. Die Zerlegung ist in diesem Fall nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne, die bei den Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer der einzelnen Gemeinden gezahlt werden vorzunehmen. Das kann dazu führen, dass lediglich der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ein Zerlegungsanteil zufällt, wenn in der anderen Betriebsstätte keine Arbeitsnehmer zugeordnet sind, an die Arbeitslöhne gezahlt werden.

Unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 GewStG ist hingegen nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Voraussetzung ist, dass die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt. Da die Zerlegung nach Arbeitslöhnen einem groben Maßstab folgt, ist die Ausnahmevorschrift des § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG eng auszulegen. Dabei ist der Maßstab für die Prüfung des offenbar unbilligen Ergebnisses der gesetzlich verfolgte Zweck der Zerlegung. Dieser liegt darin den Gemeinden, die die Lasten der betrieblichen Tätigkeit des steuerpflichtigen Unternehmens in ihrem Gebiet zu tragen haben, einen Anteil am Gewerbesteueraufkommen zukommen zu lassen (Äquivalenzprinzip). Der Gesetzgeber sieht die Belastung der Gemeinden dabei in den Arbeitnehmerfolgekosten. Zu den Arbeitnehmerfolgekosten rechnen diejenigen für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen usw., die durch die innerhalb des Gemeindegebietes wohnenden Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer. Eine Unbilligkeit kann daher vorliegen, wenn durch das Vorhandensein einer Betriebsstätte keine mit der Ansässigkeit von Arbeitnehmern verbundenen Folgekosten, aber Lasten anderer Art hervorgerufen werde, die im Rahmen der Zerlegung nicht berücksichtigt werden. Diese Lasten müssen einerseits jedoch ins Gewicht fallen und andererseits atypisch sein, BFH vom 26.08.1987 – I R 376/83, BStBl. 1988 II 201. Lasten dieser Art liegen jedoch nicht vor, wenn die produzierten Güter durch den einzigen Abnehmer im Gemeindegebiet verbraucht werden und im Rahmen der Geschäftstätigkeit des abnehmenden Betriebes erhebliche Belastungen der Gemeinde hervorgerufen werden.