§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG: Hinzurechnung von Avalprovisionen als Entgelte für Schulden

BFH vom 31.08.2022 – X R 15/21, FR 2023, 64

[Vorinstanz: FG Mecklenburg-Vorpommern vom 26.05.2021 – 3 K 199/20, EFG 2021, 2041]

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften und für gewerbesteuerliche Zwecke modifizierten Gewinns, der um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und um Kürzungen nach § 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert ist.

Entgelte für Schulden unterliegen nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG der Hinzurechnung für gewerbesteuerliche Zwecke. Die Finanzverwaltung versteht unter Entgelten für Schulden die Gegenleistung für die eigentliche Nutzung von Fremdkapital, R 8.1 Abs. 1 S. 1 GewStR 2009. Entsprechend tradierter Rechtsprechung ist das im Einzelfall nach wirtschaftlicher Betrachtung zu beurteilen, RFH vom 13.09.1939 – I 275/38, RStBl. 1938, 1138. Damit sind sowohl der Zins im engeren Sinn, die Gebühr für die Gewährung eines Darlehens sowie laufende Gebühren des Darlehens erfasst. Nicht erfasst sind indes die sonstigen Aufwendungen, die keinen Entgeltcharakter haben. Das sind vor allem die Geldbeschaffungskosten. Auch dienen Avalprovisionen nicht der Nutzung von Fremdkapital, sondern werden für die Einräumung einer Bürgschaft gezahlt, BFH vom 29.03.2007 – IV R 55/05, BStBl. 2007 II 655. Welcher Zweck mit der Bürgschaft verfolgt wird und ob diese notwendige Voraussetzung der Darlehensgewährung ist oder ob diese zu einen günstigeren Zinssatz ermöglicht, ist nach bisherigem Verständnis unerheblich.

Im Rahmen der vorliegenden Entscheidung hat der BFH Stellung zur Einordnung der Avalprovision in den Tatbestand des § 4 Abs. 4a S. 1 EStG genommen, der tatbestandlich an den Begriff der Schuldzinsen anknüpft. Da der Gesetzgeber den Begriff der Schuldzinsen ertragsteuerrechtlich weder in § 4 Abs. 4a EStG noch in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG definiert hat, ist dieser Begriff auszulegen. Dabei löst sich die Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG seit jeher vom engen zivilrechtlichen Verständnis des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB und legen den Begriff wirtschaftlich weit aus.

Schuldzinsen sind nach der Rechtsprechung alle Leistungen in Geld oder Geldeswert, die ein Schuldner für die Überlassung (Nutzung) von Kapital an Gläubiger zu erbringen hat und darüber hinaus alle Aufwendungen zur Erlangung oder Sicherung eines Kredits; mithin Kosten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vorgangs als Vergütung für die Überlassung von Kapital angesehen werden können, BFH vom 29.10.1985 – IX R 56/82, BStBl. 1985 II 143. Diese zu § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG ergangene Rechtsprechung wurde mit der Entscheidung BFH vom 12.02.2014 – IV R 22/10, BStBl. 2014 II 621 für den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a S. 1 EStG übernommen. Dem folgt auch die Finanzverwaltung mit Schreiben des BMF vom 02.11.2018 – IV C 6 – S 2144/07/10001:007, BStBl. 2018 I 1207.

Unerheblich ist dabei, ob die Aufwendungen dem Geldgeber oder einem Dritten zufließen, BFH vom 01.10.2002 – IX R 72/99, BStBl. 2003 II 399.

Damit zählen Provisionen und Gebühren für ein Aval (eine Bürgschaft) jedenfalls dann zu den Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a S. 1 EStG, wenn hierdurch die Rückzahlung von Fremdkapital, das dem Schuldner zeitweise zur Nutzung überlassen wurde, gesichert wird.

Damit stellt sich die Frage, ob die Entscheidungsgrundsätze auf den Hinzurechnungstatbestand des § 8 Nr. 1 lit. a GewStG übertragen werden können. Dafür spricht, dass auch im Rahmen des § 8 Nr. 1 lit. a GewStG eine wirtschaftliche Betrachtung vorzunehmen ist. Denn anders als im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG ist der Tatbestand nicht auf Schuldzinsen begrenzt. Der Gesetzgeber spricht vielmehr von Entgelte für Schulden und formuliert daher losgelöst von zivilrechtlich bereits ausgestalteten Begrifflichkeiten. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass im Gewerbesteuerrecht erst Recht eine entsprechend extensive Auslegung geboten ist. Es ist vielmehr zu fragen, ob im Fall der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung zwingend eine Zahlung an den Gläubiger zu erfolgen hat oder ob auch Zahlungen an Dritte ausreichend sein können, so wie es in der Entscheidung BFH vom 01.10.2002 – IX R 72/99, BStBl. 2003 II 399 ausreichend war.