§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG: Hinzurechnung von Stückzinsen bei Rückgabe eines Sachdarlehens

BFH vom 07.10.2021 – III R 15/18, BStBl. 2022 II 625

[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 21.02.2018 – 3 K 3018/15, EFG 2018, 1121]

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Der Hinzurechnung unterliegen die in § 8 GewStG genannten Beträge, wenn sie bei der Emittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Eine Hinzurechnung ist damit ausgeschlossen, wenn ein Geschäftsvorfall nicht zu Aufwand führt. Das ist dann der Fall, wenn ein Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang vorliegt. Wird eine festverzinsliche Anleihe während der Laufzeit erworben, sind zwei Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Zum einen ist dass das Stammrecht sowie die seit dem letzten Zinszahlungszeitpunkt aufgelaufenen Stückzinsen.

Schuldet die steuerpflichtige Person im Rahmen eines Sachdarlehens die Rückgabe eines festverzinslichen Wertpapieres, das sie während der Vertragslaufzeit veräußert hat und zum Ende der Laufzeit zurückerwirbt, hat sie vor der Rückgabe des Wertpapieres zwei Wirtschaftsgüter zu aktivieren. Die verauslagten Stückzinsen führen nicht zu Aufwand.

Aus diesem Grund scheidet eine Hinzurechnung der Differenz zwischen den erhaltenen Stückzinsen bei Veräußerung des festverzinslichen Wertpapieres und dem Rückerwerb des festverzinslichen Wertpapiers vor Fälligkeit des Sachdarlehens, also des wirtschaftlichen Zinsbetrages, aus diesem Grund aus.

Im Übrigen kommt eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG nur für Entgelte für Schulden in Betracht. Hierbei handelt es sich um die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital, BFH vom 09.08.2000 – I R 92/99, BStBl. 2001 II 609. Keine Hinzurechnung erfolgt, soweit Leistungen nicht für die Nutzung oder die Nutzungsmöglichkeit von Fremdkapital erbracht werden.

Damit scheiden Zahlungen an andere Personen als die darlehensgewährende Person im Rahmen der Hinzurechnung aus. Soweit im Rahmen eines Sachdarlehens die schuldende Person die überlassene Sache während der Vertragsdauer veräußert und für den Rückgabezeitpunkt zurückerwirbt und dabei Mehrkosten entstehen, handelt es sich nicht um Zinsen, die gegenüber der darlehensgebetenden Person zu entrichten sind. Es liegen keine Entgelte für Schulden vor.

Für eine abweichende wirtschaftliche Betrachtung besteht kein Spielraum.

Auch ist nicht ersichtlich, dass eine solche Vertragsgestaltung einen Anwendungsfall des § 42 AO bildet.

§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG: Entgelte für Schulden – durchlaufende Darlehen / Krediten

BFH vom 17.07.2019 – III R 24/16, BStBl. 2020 II 48

Entgelte für Schulden unterliegen der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG. Das gilt auch dann, wenn die aufgenommenen Mittel weitergereicht werden. Branchenausnahmen enthält das Gesetz in § 19 GewStDV.

Eine Hinzurechnung unterbleibt jedoch, wenn durchlaufende Kredite vorliegen, BFH vom 16.10.1991 – I R 88/89, BStBl. 1992 II 257.

Voraussetzung für einen durchlaufenden Kredit ist, dass der aufgenommene Kredit nach dem Willen der Vertragsparteien zu einem außerhalb des Betriebes des Darlehensnehmers liegenden Zweck (betriebsfremde Zwecke) verwendet wird, vgl. BFH Urt. v. 02.08.1966 – I 66/63, BStBl. III 1967,27. Der Steuerpflichtige muss folglich den Kredit im fremden Interesse aufgenommen haben und nicht im eigenen, BFH vom 27.05.1981 – I R 6/78, nicht amtlich veröffentlicht. Für eine solche Kreditaufnahme würde es sprechen, wenn gegenüber dem Darlehensgeber offen gelegt wird, dass die Darlehensaufnahme für Rechnung eines Dritten erfolgt, BFH 16.12.2008 – I R 82/07, HFR 2009, 901. Gegen eine solche Kreditaufnahme in fremden Interesse würde es sprechen, wenn der Darlehensnehmer die Kredite bilanziert und die entsprechenden Zinsen selbst als Aufwand verbucht, BFH vom 07.07.2004 – XI R 65/03, BStBl. 2005 II 102. [Hinweis: Der handelsbilanziellen Behandlung des Geschäftsvorfalls kommt damit entscheidende Bedeutung für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung zu.]

In der tatsächlichen Abwicklung des Darlehensverhältnisses muss der Darlehensnehmer auf die Weitervermittlung und Verwaltung des Kredites beschränkt bleiben, BFH vom 02.08.1966 – I R 63/66, BStBl. 1967 III 27. Ihm dürfen vor allem keine über die bloßen Verwaltungskosten hinausgehenden Nutzungen aus der Abwicklung des Vertrages erwachsen, BFH vom 02.08.1966 – I R 63/66, BStBl. 1967 III 27. Schädlich sind in diesem Zusammenhang auch lediglich mittelbar erwachsende Vorteile, BFH vom 15.05.2008 – IV R 77/05, BStBl. 2008 II 767.

Keine durchlaufende Kredite liegen daher in folgenden Fällen vor:

  • Aufnahme von Krediten durch eine Gesellschaft innerhalb eines Organkreises und Weiterreichung des Kredites innerhalb des Organkreises, BFH vom 24.01.1996 – I R 160/94, BStBl. 1996 II 328. In einem solchen Fall ist es (auch) Zweck der aufnehmenden Gesellschaft die Finanzierung des Organkreises zu gewährleisten. [Hinweis: In diesem Fall würde die Hinzurechnung auf Ebene der zweiten Gesellschaft innerhalb des Organkreises ausscheiden, da Leistungsbeziehungen innerhalb eines Organkreises keine Hinzurechnungen und Kürzungen auslösen.]
  • Aufnahme des Kredites durch ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, der an das Betriebsunternehmen weitergereicht wird, BFH vom 07.07.2004 – XI R 65/03, BStBl. 2005 II 102. Denn es ist (auch) Zweck des Besitzunternehmens das Betriebsunternehmen zu finanzieren.
  • Erster Darlehensnehmer ist Gesellschafter des zweiten Darlehensnehmers und hält die Anteile am zweiten Darlehensnehmer im Betriebsvermögen und es kommt infolge der Darlehensweitergabe zu einer Steigerung des Wertes der Beteiligung, BFH vom 07.07.2004 – XI R 65/03, BStBl. 2005 II 102. [Hinweis: Die Darlehnsaufnahme ist in Bezug auf den Unternehmenswert grundsätzlich ein neutraler Vorgang.]
  • Geschäftszweck der ersten Darlehensnehmerin ist die Förderung bestimmter Fremdinteressen, BFH vom 18.12.1986 – I R 293/82, BStBl. 1987 II 446.

Im Entscheidungsfall sprach gegen die Anwendung der Grundsätze durchlaufender Kredite bereits, dass die erste Darlehensnehmerin die Verbindlichkeit in der Bilanz ausgewiesen hatte und eigenen Zinsaufwand geltend gemacht hat.

Auch erfüllte die erste Darlehensnehmerin mit der Weitergabe des Darlehens im Entscheidungsfall eigene betriebliche Zwecke. Diese erkannte der BFH u.a. darin, dass die Kreditfinanzierung erst durch die Zwischenschaltung der Klägerin ermöglicht wurde.

Letztlich nahm der BFH an, dass die Darlehensaufnahme zur Mehrung des Wertes der Beteiligung führte. Zur Begründung führte er aus, dass nicht nur das Betriebsvermögen der Tochtergesellschaft gemehrt wurde, sondern auch der Wert der von der Klägerin gehaltenen Anteile an der Tochtergesellschaft an Wert gewollen hätten.

Der BFH bestätigt somit seine bisherige Rechtsprechung, wonach bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsaufwendungen jedes Schuldverhältnis für sich betrachtet werden muss und eine Zusammenfassung mehrerer Schuldverhältnisse grundsätzlich nicht möglich sei (Saldierungsverbot).

Nach Auffassung des BFH scheidet eine Saldierung der Zinsaufwendungen der Klägerin mit den von der Tochtergesellschaft erhaltenen Zinserträgen aus, da bei Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 lit. a S. 1 GewStG jedes Schuldverhältnis für sich zu betrachten ist und die Zusammenfassung mehrerer Schuldverhältnisse grundsätzlich nicht möglich ist. Dies gilt entsprechend für die Entgelte für Schulden, zu denen in erster Linie die laufenden Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts zählen, vgl. BFH Urt. v. 11.10.2018 – III R 37/17, BStBl. II 2019, 275.

Anerkannte Ausnahmen von diesem Saldierungsverbot hat die Rechtsprechung nur hinsichtlich mehrerer bei einem Kreditgeber unterhaltener Konten und bei wechselseitig zwischen zwei Personen gegebenen Darlehen anerkannt, wenn die Darlehensverhältnisse gleichartig sind, demselben Zweck bestimmt sind und regelmäßig tatsächlich miteinander verrechnet werden, vgl. BFH Urt. v. 11.10.2018 – III R 37/17, BStBl. III 2019, 275.

§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG: Avalgebühren

BFH vom 29.03.2007 – IV R 55/05, BStBl. 2007 II 655

[Vorinstanz: FG München vom 01.09.2005 – 8 K 3510/03, EFG 2006, 65]

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften und für gewerbesteuerliche Zwecke modifizierten Gewinns, der um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und um Kürzungen nach § 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert ist.

Nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG unterliegen Entgelte für Schulden der Hinzurechnung, soweit die Beträge bei der Ermittlung des Gewinns absetzt worden sind.

Entgelt für Schulden ist die Gegenleistungen für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital, BFH vom 10.07.1996 – I R 12/96, BStBl. 1997 II 253. Das sind in erster Linie die laufenden Zinsen im Rechtssinne nach §§ 246, 248 Abs. 1 BGB. Darüber hinaus erfasst der Begriff des Entgeltes noch andere Leistungen, die der Kreditnehmer für die Nutzung des Fremdkapitals an den Kreditnehmer zu erbringen hat. Denn mit dem Erhebungszeitraum 1991 hat der Gesetzgeber den zuvor verwendeten Begriff der Zinsen durch den Begriff des Entgeltes ersetzt und damit nach dem Willen des Gesetzgebers auch gewinnabhängige Vergütungen für die Nutzung von Fremdkapital der Hinzurechnung unterworfen. Denn der Zinsbegriff erlaubte eine Hinzurechnung gewinnabhängiger Vergütungen nicht, BFH vom 08.03.1984 – I R 31/80, BStBl. 1984 II 623. Zudem sollten auch solche Vergütungen in die Hinzurechnung einbezogen werden, die Zinscharakter haben, BT-DrS 11/2157, 175.

Nach diesen Maßstäben wird eine Avalprovision jedoch nicht für die Zurverfügungstellung eines Darlehens gezahlt, RFH vom 21.02.1939 – I 464/38, RStBl. 1939, 711. Die Avalprovision wird vielmehr für die Gewährung des Avalkredites gezahlt.

Avalkredit und Darlehen stellen auch keine Einheit dar, die eine Zusammenfassung rechtfertigt. Zwar ist des denkbar mehrere Schuldverhältnisse zusammenzufassen, wenn diese wirtschaftlich zusammenhängen und es des Zweck des § 8 Nr. 1 lit. a GewStG widersprechen würde, die Zusammenfassung unberücksichtigt zu lassen, BFH vom 19.02.1991 – I R 127/86, BStBl. 1991 II 765. Dabei ist als Zweck zu berücksichtigen, dass die Hinzurechnung die Besteuerung der objektiven Ertragskraft des Gewerbebetriebes herzustellen sucht. Im Einzelfall ist es daher möglich auf Verbindlichkeiten gegenüber unterschiedlichen Gläubigern zusammenzufassen, wenn gerade – so noch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Dauerschuldzinsen in § 8 Nr. 1 GewStG a.F. – die Verknüpfung die längerfristige Nutzung von Kreditmitteln sichert, BFH vom 04.06.2013 – I R 89/02, BStBl. 2004 II 517. Eine Zusammenfassung strukturell unterschiedlicher Rechtsgründe ist jedoch nicht vorgesehen, BFH vom 20.06.1990 – I R 127/86, BStBl. 1990 II 915. Damit ist die Zusammenfassung eines Kredites, der auf Rückzahlung der Darlehensmittel gerichtet ist mit einem Avalkredit, der im Kern eine Bürgschaft darstellt, nicht möglich.

§ 8 Nr. 1 GewStG a.F.: Bereitstellungszinsen

BFH vom 10.07.1996 – I R 12/96, BStBl. 1997 II 253

[Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein, EFG 1996, 447]

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften und für gewerbesteuerliche Zwecke modifizierten Gewinns, der um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und um Kürzungen nach § 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert ist.

Nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG unterliegen Finanzierungsaufwendungen der Hinzurechnung. Bis zum Erhebungszeitraum 1990 beschränkte die sich Hinzurechnung auf Zinsen. Der Hinzurechnung unterlagen lediglich Zinsen im Rechtssinne nach §§ 246, 248 Abs. 1 BGB. Ab dem Erhebungszeitraum 1991 unterliegen der Hinzurechnung Entgelte für Schulden der Hinzurechnung. Der Kreis der hinzurechnungspflichtigen Beträge wurde damit erheblich erweitert. Fraglich ist jedoch, ob der Hinzurechnung nur die für eigentlich Nutzungsmöglichkeit zu erbringende Gegenleistung im engeren Sinne der Hinzurechnung unterliegt, so wohl BFH vom 08.03.1984 – I R 31/80, BStBl. 1984 II 623, oder ob alle Aufwendungen, die ohne die Inanspruchnahme der Schulden nicht entstanden wären, der Hinzurechnung unterliegt. Im Streitfall kann diese Frage jedoch offen bleiben, da Bereitstellungszinsen in keinem Fall unter den Entgeltbegriff des § 8 Nr. 1 lit. a GewStG fallen. Denn Bereitstellungszinsen dienen nicht der Inanspruchnahme von Fremdkapital, sonder der Bereitstellung und der Bereithaltung der erst später ausgezahlten Mittel. Es fehlt bis zur Auszahlung dieser Mittel an einer Kapitalschuld, die von § 8 Nr. 1 lit. a GewStG vorausgesetzt wird. Darüber hinaus stellen die Bereitstellungszinsen auch wirtschaftlich kein Entgelt für Schulden aus gleichem Grund dar.