§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG: Hinzurechnung von Zinsen auf Depotverbindlichkeiten eines Erst- bzw. Rückversicherungsunternehmens

FG München vom 25.07.2022 – 7 K 361/21, EFG 2022, 700

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften und für gewerbesteuerliche Zwecke modifizierten Gewinns, der um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und um Kürzungen nach § 9 GewStG vermehrt bzw. gemindert ist.

§ 8 Nr. 1 GewStG werden bestimmte Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG erfolgt die Hinzurechnung für die Entgelte für Schulden.

Der Schuldbegriff des § 8 Nr. 1 lit. a GewStG setzt lediglich ein rechtliches Entstehen der Schuld und eine wirtschaftliche Verursachung voraus. Damit weicht er von dem Begriff des § 240 Abs. 1 HGB und des § 247 Abs. 1 HGB ab[, der einen Leistungszwang gegenüber einem anderen, dem sich der Kaufmann nicht entziehen kann, eine wirtschaftliche Belastung am Abschlussstichtag und eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme voraussetzt]. Der Begriff ist nicht durch die Verwendung der Mittel, Umfang der Verbindlichkeit, Dauer des Bestandes der Verbindlichkeit oder andere beschreibende Faktoren abhängig.

Die bei Erstversicherern entstehenden Depotverbindlichkeiten – versicherungstechnische Verbindlichkeitsposten – für das in Rückdeckung gegebene Versicherungsgeschäft (§ 33 Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung) bindet Aktivvermögen nach § 54 Abs. 1 S. 1 VAG. Funktional entspricht das der Situation der versicherungstechnischen Rückstellungen und den aus Versicherungsgeschäften entstandenen Verbindlichkeiten gegenüber Versicherungsnehmen. Für diese wendet die Finanzverwaltung nach A 45 Abs. 9 GewStR 1998 sowie nach den gleichlautenden Ländererlassen vom 02.07.2021, BStBl. 2012 I 654 Rn. 24 in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BFH vom 04.04.1963 – I 3/62 U, BStBl. 1963 III 264, die auf die Rechtsprechung des RFH vom 26.11.1943 – I D 1/43, RStBl. 1944, 171 zurückgeht, die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG nicht an. Nach Ansicht der Rechtsprechung kommt den versicherungstechnisch gebotenen Rückstellungen, die mit Werten des Deckungsstocks belegt sind, die Funktion eines Sondervermögens zu, das nach §§ 68 bis 78 VAG a.F. zugunsten der Versicherungsnehmer gegen jeden Zugriff Dritter abgesichert ist, BFH vom 21.07.1961 – I 293/61, BStBl. 1967 II 631.

Soweit bei Rückversicherern diese versicherungstechnische Verbindung nicht besteht, weil § 121b VAG a.F. keinen Verweis auf § 66 VAG a.F. enthält, fehlt es gerade an dem Charakter eines Sondervermögens und damit die Rechtfertigung von der Hinzurechnung Abstand zu nehmen.

Auf Ebene eines Rückversicherungsunternehmens greift keine ausnahmsweise zulässige Saldierung von Zinsaufwand und Zinsertrag, wie das bei wechselseits gewährten Darlehen und Darlehen innerhalb eines Cash-Pools denkbar ist, wenn diese wirtschaftlich zusammenhängen. Es bedarf für die Saldierung der Gleichartigkeit, derselben Zweckbestimmung und der tatsächlichen Verrechnung, BFH vom 11.10.2018 – III R 37/17, BStBl. 2019 II 275. Die für eine Saldierung wirtschaftlich zusammenhängender Verbindlichkeiten notwendige wechselseitige Darlehensbeziehung liegt bei der Depotverbindlichkeit eines Rückversicherungsunternehmens nicht vor. Das zeigt sich auch daran, dass die Bildung einer Bewertungseinheit nach § 254 HGB in diesem Fall nicht vorgesehen ist.

Ebenfalls liegt kein durchlaufender Kredit vor. Hiergegen spricht bereits, dass jedes Schuldverhältnis für sich zu betrachten ist, BFH vom 17.07.2019 – III R 24/16, BStBl. 2020 II 48.