Schlagwort: Unternehmeridentität
Geschützt: § 10a GewStG: einbringungsbedingter Gewerbeverlust
§ 10a GewStG: kein Übergang des Gewerbeverlustes auf eine Personengesellschaft im Rahmen der Ausgliederung des Geschäftsbetribes nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG aus einer Kapitalgesellschaft
BFH vom 17.01.2019 – III R 35/17, BStBl. 2019 II 407
[Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 30.01.2017 – 10 K 3703/14, EFG 2017, 1604]
Der Übergang eines gewerbesteuerlichen Verlustes im Rahmen der Ausgliederung von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft war nach früherer Ansicht der Finanzverwaltung in Abschn. 68 Abs. 4 S. 6 i.V.m. Abs. 2 GewStR 1998 möglich. Diese Regelung wurde in die GewStR 2009 nicht übernommen. Allerdings hatte das Finanzministerium NRW noch mit Erlass vom 11.06.2010 – G 1310 – 10 – V B 1, FR 2010, 634 vertreten, dass die Grundsätze aus Abschn. 68 GewStR weiterhin anwendbar wären. Dieser Erlass wurde jedoch durch den Erlass vom 27.01.2012, FR 2012, 238 außer Kraft gesetzt. Das Finanzministerium vertrat nunmehr die Ansicht, dass ein Übergang des Gewerbeverlustes von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaftn für den Fall der Ausgliederung nicht in Betracht komme.
Die Änderung der Rechtsansicht der Finanzverwaltung warf zwei Fragen auf: Erstens stellte sich verfahrensrechtlich die Frage, ob für eine Übergangszeit Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO zu gewähren ist. Auf einen solchen Vertrauensschutz hätten sich jedoch nur Steuerpflichtige aus Nordrhein-Westfalen berufen können, da der Erlass des Finanzministeriums keine Bindungswirkung für Behörde in anderen Bundeslängern entflaten konnte, so schon zu einem vergleichbaren Sachverhalt BFH vom 28.10.1992 – X R 117/89, BStBl. 1993 II 261.
Zweitens stellte sich die Frage, ob es materiell-rechtlich zum Verlustübergang gekommen war.
Für den Fall der Ausgliederung findet sich – anders als für andere Umwandlungsvorgänge – keine spezialgesetzliche Regelung zur Fortführung oder zum Wegfall eines bestehenden Gewerbeverlustes. Ob es zum Übergang des Verlustvortrages auf den übernehmenden Rechtsträger kommt ist daher nach allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden.
Nach allgemeinen Grundsätzen setzt die Geltendmachung eines Verlustvortrages voraus, dass zwischen dem Anrechnungs- und dem Entstehungsbetrieb Unternehmeridentität und Unternehmensidentität besteht. Hiernach kann es zum Übergang des gewerbesteuerlichen Verlustes von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger unter Wahrung Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer kommen. Voraussetzung hierfür ist der Fortbestand der Unternehmensidentität sowie der Unternehmeridentität.
Die Unternehmensidentität liegt vor, wenn der im Kürzungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch mit dem Betrieb ist, der im Verlustentstehungsjahr bestanden hat, BFH vom 28.04.1977 – IV R 165/76, BStBl. 1977 II 666. Denn die Gewerbesteuer ist eine Objektsteuer, die an den Gewerbebetrieb anknüpft. Der Übergang eines Besteuerungsmerkmals – wie des Verlustvortrages – von einem Steuerobjekt auf ein anderes Steuerobjekt wäre daher mit dem Wesen der Gewerbesteuer nicht vereinbar.
Steuerobjekt ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewSt der Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG. Das ist bei Personengesellschaften die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung. Bei Einer Kapitalgesellschaft führt eine Änderung der gewerblichen Betätigung indes wegen § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG nicht zu einem Verlust der Unternehmensidentität. Die Kapitalgesellschaft übt stets und in vollem Umfang eine gewerbliche Tätigkeit aus, BFH vom 26.02.2014 – I R 59/12, BStBl. 2014 II 1016.
Zudem muss die Unternehmeridenität gewahrt bleiben, § 10a S. 8 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG. Bei Personengesellschaften wird diese durch die Identität der Mitunternehmer bestimmt. Sie endet folglich mit dem Ausscheiden oder dem Wechsel eines Mitunternehmers insoweit wie diese Person mitunternehmerisch an der Gesellschaft beteiligt war, BFH vom 24.04.2014 – IV R 34/10, BStBl. 2017 II 233.
Nach Ansicht des BFH kann es jedoch im Fall der Ausgliederung nicht zu einem Verlustübergang auf den übernehmenden Rechtsträger kommen, wenn bei der ausgliedernden Gesellschaft ein Restvermögen neben der Beteiligung an dem übernehmenden Rechtsträge fortbesteht, da der übertragende Rechtsträge weiterhin fortbesteht. Auch lässt die Übertragung die Unternehmensidentität des übertragenden Rechtsträgers wegen § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG unberührt. Selbst wenn sich die Tätigkeit der ausgliedernden Gesellschaft von einer operativen Betätigung zu einer reinen Holdingfunktion geändert hat, ist daher irrelvant. Damit zeigt sich, dass die frühere für den Steuerpflichtigen häufig günstige Rechtsansicht der Finanzverwaltung letztlich falsch war. Insbesondere konnte sich diese Ansicht nach auf § 10a S. 10 2. HS GewStG berufen. Dieser hat keine dahingehende konstitutive wirkung, dass sie den Verlustübergang von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft möglich macht, wenn dieser nach den allgemeinen Regeln nicht möglich ist.
Offen lässt der Senat allerdings die Frage, ob ein Verlustübergang dann möglich wäre, wenn das Gesamtunternehmen ausgegliedert wird und sich die Betätigung der übertragenden Gesellschaft auf die reine Verwaltung der mitunternehmerischen Beteilung beschränkt. Für einen Verlustübergang in einem solchen Fall sprechen sich gewichtige Stimmen in der Literatur aus. Hier bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten.
§ 10a GewStG: Übergang des Gewerbeverlustes bei Einbringung eines Betriebes durch eine Kapitalgesellschaft in eine Mitunternehmerschaft
FG Baden-Württemberg vom 30.01.2017 – 10 K 3703/14, EFG 2017, 1604
aufgehoben durch BFH vom 17.01.2019 – III R 35/17, BStBl. 2019 II 407
Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.
Der so ermittelte maßgebende Gewerbeertrag wird nach § 10a S. 1 GewStG um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Bei der Kürzung sind die betragsmäßigen Beschränkung des § 10a S. 2 GewStG zu beachten.
Die Kürzung des Gewerbeertrags um Fehlbeträge setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Unternehmensidentität und die Unternehmeridentität voraus, BFH vom 24.04.2014 – IV R 34/10, BStBl. 2017 II 233.
Unternehmensidentität bedeutet, dass die steuerpflichtige Person, die den Abzug des Fehlbetrages in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten hat. Die steuerpflichtige Person muss danach sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrages Unternehmensinhaber gewesen sein, BFH vom 11.10.2012 – GrS 3/92, BStBl. 1993 II 616.
Ertragsteuerlich sind einzelunternehmisch tätige Personen ebenso wie mitunternehmerisch verbundene Personen diejenigen, die die Einkünfte aus dem Unternehmen beziehen. Sie sind damit sachlich gewerbesteuerpflichtigt und die Träger von Fehlbeträgen, BFH vom 11.10.2012 – GrS 3/92, BStBl. 1993 II 616. Das Recht zur Kürzung des Fehlbetrages steht damit nicht der Mitunternehmerschaft, sondern den an ihr mitunternehmerisch beteiligten Personen zu, BFH vom 16.06.2011 – IV R 11/08, BStBl. 2011 II 903.
Im Fall der Einbringung eines gewerblichen Betriebes in eine Mitunternehmerschaft führt das dazu, dass ein bestehender Fehlbetrag, der für die einbringenden Person festgestellt wurde, von dieser bei der Mitunternehmerschaft gekürzt werden kann, soweit der Gewerbeetrag auf die einbringende Person entfällt, BFH vom 11.10.2012 – GrS 3/92, BStBl. 1993 II 616. Zum Ende des ersten Erhebungszeitraums nach der Einbringung ist der Fehlbetrag bei der Mitunternehmerschaft nach § 10a S. 6 GewStG festzustellen.
Unternehmensidentität ist gegeben, wenn der Gewerbebetrieb im Jahr der Entstehung des Fehlbetrages wie auch im Jahr der Kürzung in identischer Form bestanden hat, BFH vom 07.08.2008 – IV R 86/05, BStBl. 2012 II 145. Das ergibt sich aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer, BFH vom 28.04.1977 – IV R 165/76, BStBl. 1977 II 666. Ein gewerbesteuerliche Fehlbetrag kann daher nicht von einem Betrieb auf einen anderen Betrieb übergehen. Mit dem Ende der sachlichen Steuerpflicht entfällt die Unternehmensidentität und damit der Fehlbetrag. Sie besteht jedoch fort, solange der nämliche Unternehmensgegenstand nicht entfallen ist, BFH vom 07.09.2016 – IV R 31/13, BFHE 255, 266. Maßgebliche Kriterien sind die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft sowie Umfang und Zusammensetzung des Aktivvermögens, BFH vom 16.04.2002 – VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81. Bei Kapitalgesellschaften ist jedoch zu beachten, dass die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt.
Im Fall der Einbringung ist das Merkmal der Unternehmensidentität auch dann von Bedeutung, wenn die Einbringung durch eine Kapitalgesellschaft erfolgt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang Gewerbebetrieb ist. Maßgeblich ist vielmehr die aufnehmende Personengesellschaft, für die Grundsätze der Unternehmensidentität uneingeschränkt gelten.
§ 10a GewStG: Unternehmeridentität bei kurzzeitigem Ausscheiden aus der Personengesellschaft
BFH vom 11.10.2012 – IV R 3/09, BStBl. 20013 II 176
Die Inanspruchnahme des Verlustabzuges setzt eine ununterbrochene Unternehmeridentität voraus. Diese wird gebrochen, wenn der Mitunternehmer kurzzeitig ausscheidet.
Im Entscheidungsfall brachte der Mitunternehmer seine mitunternehmerische Beteiligung in eine Schwesterpersonengesellschaft ein. Erst danach wuchs das Vermögen der Mitunternehmerschaft der aufnehmenden Gesellschaft an, da die Komplementärin erst nach der Übertragung der mitunternehmerischen Beteiligung auf die Schwestergesellschaft ausschied.
Damit entstand – wenn auch nur kuzzeitig – eine doppelstöckige Struktur. Mitunternehmer der Untergesellschaft war damit die Obergesellschaft und nicht mehr die Person des bisherigen Mitunternehmers, die weiterhin an der Obergesellschaft mitunternehmerisch und damit mittelbar an der Untergesellschaft beteiligt war, BFH vom 03.05.1993 – GrS 3/92, BStBl, 1993 II 616.
Ob der Fall anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn es im Zuge der Übertragung des Mitunternehmeranteils auf die Schwestergesellschaft gekommen wäre, war nicht zu entscheiden.