§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Überlassung von Gebäuden und Betriebsvorrichtungen

FG Düsseldorf vom 26.06.2023 – 10 K 2800/20 G

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung).

Voraussetzung der erweiterten Grundbesitzkürzung ist, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt oder daneben lediglich eine der im Gesetz aufgeführten Nebentätigkeiten ausübt, sofern die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG aufgeschlossen ist.

Die erweiterte Grundbesitzkürzung ist dann zu versagen, wenn neben dem Grundbesitz auch anderes Vermögen verwaltet und genutzt wird. Das gilt selbst dann, wenn diese Tätigkeit insgesamt vermögensverwaltender Natur ist, soweit es sich hierbei nicht um die gesetzlich in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen handelt. Zudem erkennt die Rechtsprechung an, dass die Überlassung von sonstigen Wirtschaftsgüter unschädlich ist, wenn ohne die Überlassung eine wirtschaftlich sinnvolle Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht möglich wäre.

Grundbesitz im Sinne der Kürzungsvorschrift ist der bewertungsrechtliche Grundbesitz, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Denn § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG tritt an die Stelle des § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG, dessen Funktion die Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Grundsteuer und Gewerbesteuer hat. Die Besteuerungsgrundlage der Grundsteuer ergibt sich aus dem bewertungsrechtlichen Grundbesitzbegriff. Bewertungsrechtlich ist der Grundbesitz in § 68 BewG definiert. Zum Grundbesitz zählen nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Dem entgegen gehören Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen) nicht zum Grundbesitz, auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind, § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG. Betriebsvorrichtungen sind folglich Gegenstände, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf muss ein ähnlich enger Zusammenhang bestehen, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Nicht ausreichend ist es, wenn der Gegenstand lediglich nützlich oder notwendig oder gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist. Maßgeblich ist allein die funktionale Einbindung des Gegenstandes in die Ausübung des Gewerbes, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Es kommt also darauf an, ob ein Gebäudebestandteil der allgemeinen Nutzung des Gebäudes oder unmittelbar der Ausübung des Gewerbes. Keine Betriebsvorrichtungen sind hiernach Gestaltungsmerkmale eines Gebäudes. Soweit diese speziell für die konkrete betriebliche Nutzung ausgelegt sind, stellt sich dennoch die Frage, ob die Gestaltungsmerkmale der unmittelbaren Ausübung des Gewerbes dienen.

Eigener Grundbesitz im Sinne der Kürzungsnorm ist der zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörende Grundbesitz, BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BStBl. 2019 II 262.

Eine Verwaltung und Nutzung des Grundbesitzes liegt vor, wenn der Grundbesitz zur Fruchtziehung eingesetzt wird. Das ist typischerweise im Bereich der Vermietung und Verpachtung der Fall, BFH vom 14.07.2016 – IV R 34/13, BStBl. 2017 II 175. Aber auch die Bereitstellung grundpfangrechtlicher Sicherheiten sowie die Nutzung zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken erfüllt die Voraussetzungen der Verwaltung und Nutzung eigenem Grundbesitzes.

Daneben ist die Ausübung, der in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG aufgezählten Nebentätigkeiten unschädlich.

Ferner sind ausnahmsweise Nebentätigkeit zulässig, die der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigene Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 705; BFH vom 22.10.2020 – IV R 4/19, BStBl. 2022 II 87.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: zur Frage der Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen

BFH vom 28.11.2019 – III R 34/17

[Vorinstanz: FG Hessen vom 06.12.2016 – 8 K 1064/13, NWB VAAAG-43872]

Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt voraus, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet oder nutzt und daneben nur gesondert aufgelistete Tätigkeiten entfaltet.

Die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist nach Ansicht des BFH nicht deckungsgleich mit dem Begriff aus der privaten Vermögensverwaltung. Der gewerbesteuerliche Begriff ist enger gefasst. Daher überschreitet die (Mit-)Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter auch dann den zulässigen Rahmen der unschädlichen Nebentätigkeiten nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, wenn einkommensteuerrechtlich noch von einer privaten Vermögensverwaltung auszugehen ist, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 1250.

Die Verwaltung und Nutzung liegt vor, wenn eine Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz erfolgt, etwa durch Vermietung und Verpachtung, BFH vom 17.01.2006 – VIII R 60/02, BStBl. 2006 II 434 sowie BFH vom 14.07.2016 – IV R 34/13, BStBl. 2017 II 175.

Grundbesitz im Sinne des Norm ist der bewertungsrechtliche Grundbesitz, BFH vom 22.06.1977 – I R 50/75, BStBl. 1977 II 778. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG ist das der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht Teil des Grundbesitzes sind nach § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG die Betriebsvorrichtungen.

Eigener Grundbesitz im Sinne der erweiterten Kürzung liegt vor, wenn der Grundbesitz zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehört. Dazu muss dem Unternehmen wirtschaftliches Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO am Grundbesitz zustehen, BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BStBl. 2019 II 262.

Nebentätigkeiten sind in dem Maße kürzungsunschädlich, wie sie in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt sind, BFH vom 14.06.2005 – VIII R 3/03, BStBl. 2005 II 778. Daneben wurde durch die Rechtsprechung anerkannt, das die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes auch dann vorliegt, wenn sich die Tätigkeit als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung zeigt, BFH vom 17.05.2005 – VIII R 39/05, BStBl. 2006 II 659.

Das Ausschließlichkeitsgebot und die Möglichkeit abweichender Gestaltung lassen keinen Platz für Bagatellgrenzen, bis zu deren Erreichen die Ausübung jeglicher Nebentätigkeiten unerheblich für die Kürzung wäre, BFH vom 17.05.2005 – VIII R 39/05, BStBl. 2006 II 659.

Die Besonderheit des Entscheidungsfalles ergibt sich aus dem Sachverhalt. Die Parteien hatten vereinbart, dass die Klägerin, ein Gebäude für Zwecke des Mieters errichtete und an diese vermietet. Für die Bauausführungen beauftragte die Vermieterin die Mieterin. Nach dem Inhalt des Vertrages sollten Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG dabei nicht von der Vermieterin angeschafft werden und auch nicht Gegenstand des Mietvertrages sein. Dieser Überlassungsausschluss ist mietvertraglich zulässig, wir der BFH mit Verweis auf Häublein in MüKo BGB (8. Aufl.) § 535 Rn. 73 feststellte. Im Rahmen der Vertragsabwicklung rechneten die Parteien über die Errichtung von Betriebsvorrichtungen gesondert ab, so dass die Vermieterin deren Anschaffung wirtschaftlich nicht trug.

Im Entscheidungsfall wurden einzelne Anlagen und Wirtschaftsgüter, die nach Ansicht des Finanzgerichts Betriebsvorrichtungen darstellen, jedoch nicht in die gesonderte Abrechnung mit einbezogen.

Der Fall wurde durch den BFH zurückverwiesen, um aufzuklären, ob die Nichtberücksichtigung der einzelnen Anlagen und Wirtschaftsgüter im Rahmen Abrechnung auf einer Änderung des ehemals geschlossenen Mitvertrages beruht oder schlicht bei der Abrechnung ein Fehler unterlaufen ist. Dabei hat das Finanzgericht zu prüfen, ob die Personen, die für die Abrechnung zuständig waren, Vertretungsmacht hatten oder ob ein Anwendungsfall des § 41 Abs. 1 S. 1 AO gegeben ist, also die Parteien wirtschaftlich die Rechtsfolgen eines zivilrechtlich unwirksamen Geschäftes haben eintreten lassen. Hiergegen würde nach Ansicht des BFH sprechen, wenn die Parteinen die Abrechnung nachgeholt hätten.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Beteiligung an einer gewerblich (geprägten) Personengesellschaft

BFH vom 22.01.1992 – I R 61/90, BStBl. 1992 II 628

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG steht der steuerpflichtigen Person auf Antrag statt der Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die erweiterte Grundbesitzkürzung zu.

Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Grundbesitzkürzung ist u.a., dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.

Neben der Nutzung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes erlaubt der Gesetzgeber weitere Tätigkeiten, die in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG ausgezählt sind. Diese Aufzählung ist abschließend, wie sich aus der einleitenden Formulierung ausschließlich ergibt.

Nicht in der Aufzählung der unschädlichen Nebentätigkeit des § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG erfasst ist die mitunternehmerische Beteiligung an einer gewerblich geprägten Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.

Insbesondere stellt das Halten einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft keine Verwaltung und Nutzung von Kapitalvermögen dar. Die Verwaltung und Nutzung von Kapitalvermögen im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt voraus, dass insoweit grundsätzlich Einkünfte aus § 20 EStG erzielt werden. Das ist bei mitunternehmerischen Beteiligungen jedoch nicht der Fall.

Auch liegt kein Fall der Betreuung von Wohnungsbauten oder der Errichtung und Veräußerung der in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG Gebäudearten vor.

Das Halten einer mitunternehmerischen Beteiligung an einer gewerblich geprägten Gesellschaft versperrt daher die Gewährung der erweiterten Grundbesitzkürzung.

Auf die Frage, ob der Grundbesitz, den die gewerblich geprägte Gesellschaft verwaltet und nutzt und der dieser die erweiterte Kürzung eröffnet, auch eigener Grundbesitz der mitunternehmerisch beteiligt Person ist, kommt es nicht an. Soweit diese Frage in die Entscheidungsgründe eingeflossen sind, kommt dem keine tragende Bedeutung zu.

[Hinweis: Aus der Rechtsprechung des BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/18, DB 2019, 762 ergibt sich, dass das Grundvermögen einer vermögensverwaltenden Gesellschaft, an der eine andere Gesellschaft beteiligt ist, dieser als eigener Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zugerechnet wird. Für den Fall der Beteiligung an einer gewerblich geprägten Gesellschaft scheidet die Anwednung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO aus.]