§ 33 Abs. 1 GewStG: Nichtberücksichtigung der Honorare von selbständigen Handelsvertretern

Hessisches FG vom 29.11.2022 – 8 K 700/21, NWB LAAAJ-36760

Der Gewerbesteuermessbetrag unterliegt der Zerlegung nach §§ 28ff. GewStG, wenn die steuerpflichtige Person innerhalb des Erhebungszeitraumes in mehreren Gemeinde Betriebsstätten unterhält, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG. Vorbehaltlich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG erfolgt die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne. Führt die Zerlegung nach Arbeitslöhnen zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, ist die Zerlegung nach einem Maßstab durchzuführen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Maßstab der Prüfung des offenbar unbilligen Ergebnisses ist der gesetzlich verfolgte Zweck der Zerlegung, die Umsetzung des tragenden Besteuerungsgedankens der Gewerbesteuer, des Äquivalenzprinzips. Den Gemeinden soll ein Ausgleich für diejenigen Gemeindelasten, die durch die Betriebsstätte des Unternehmens im Gemeindegebiet erwachsen, in Form einer Steuerquelle zustehen. Eine Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen auf die verschiedenen Gemeinden, in deren Gebiet sich eine Betriebsstätte befindet, dürfte anhand der konkreten Lasten kaum möglich sein. Denn diese lassen sich im Besteuerungsverfahren nicht bestimmen. Soweit der Gesetzgeber die Lasten als Arbeitnehmerfolgelasten versteht, hat er als Maßstab der Aufteilung der Besteuerungsgrundlage auf verschiedene Gemeinden an das Verhältnis der Arbeitslöhne abgestellt. Dabei hat der Gesetzgeber sich auch davon leiten lassen, dass dieses Verhältnis leicht zu ermitteln ist. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung dieses Aufteilungsmaßstabes erkannt und in Kauf genommen, dass dieser stark typisierend ist und im Einzelfall zu ungewollten Ergebnissen führen kann. Zur Absicherung der Typisierung hat der Gesetzgeber für offenbar unbillige Ergebnisse der Zerlegung eine Ausnahmeregelung in § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG geschaffen. Dieser Tatbestand kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn die Tatumstände derart außergewöhnlich sind, dass die Zerlegung nach Arbeitslöhnen den Interessensausgleich zwischen den hebeberechtigten Gemeinden nicht gewährleisten kann. Nicht ausreichend ist daher eine sich bereits aus der Methode der Zerlegung nach § 29 GewStG ergebende Unbilligkeit, BFH vom 04.04.2007 – I R 23/06, BStBl. 2007 II 836. Notwendig ist vielmehr eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht, BFH vom 17.02.1993 – I R 19/92, BStBl. 1993 II 679. Eine solche erfordert ein deutliches Missverhältnis zwischen der unmittelbaren Belastung der einzelnen Gemeinden durch die Betriebsstätten einerseits dem ihr zugewiesenen Zerlegungsanteil andererseits. Dabei ist die Belastung der Gemeinden anhand der Arbeitnehmerfolgekosten zu bestimmen. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn der Zerlegungsanteil nach Arbeitslöhnen in einer Gemeinde durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern auf null reduziert wird, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. Etwas anderes gilt jedoch für den Einsatz von Handelsvertretern, BFH vom 06.08.1962 – I B 212/59, DB 1962, 1493, BFH vom 12.07.1960 – I B 47/59 S, BStBl. 1960 III 386. [Hinweis: Aber auch andere Lasten der Gemeinde können Berücksichtigung finden.]

Die Belastungen der Gemeinde durch Arbeitnehmerfolgekosten oder in anderer Art und Weise sind durch die hebeberechtigte Gemeinde darzulegen, sollten diesen nicht erkennbar sein.

§ 33 Abs. 1 GewStG: keine Unbilligkeit von Zerlegungsergebnissen, die Folge der Änderung der gesetzlichen Regelung des Zerlegungsmaßstabes sind

BFH vom 24.05.2006 – I R 104/04, HFR 2007, 360

Unterhält eine steuerpflichtige Person mehrere Betriebsstätten kommt es nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG zur Zerlegung. In der Regel erfolgt die Zerlegung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GewStG.

Die Zerlegung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne erfolgt nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis, dass der die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind.

Bei der Bestimmung des Verhältnisses sind nach § 29 Abs. 2 GewStG die Arbeitslöhne anzusetzen, die in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden (§ 28 GewStG) während des Erhebungszeitraums (§ 14 GewStG) erzielt oder gezahlt worden sind.

Betriebsstätte im Sinne des § 28 Abs. 1 GewStG ist die Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO, BFH vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BStBl. 2004 II 602.

Ein Arbeitnehmer ist bei einer Betriebsstätte beschäftigt, wenn er dort seine Tätigkeit ganz oder wesentlich ausübt, BFH vom 26.08.1987 – I R 376/83, BStBl. 1988 II 201. Dabei kommt es maßgeblich auf den Ort der Tätigkeit an. Regelmäßig unerheblich ist es welcher Betriebsstätte der Erfolg der Tätigkeit wirtschaftlich zufließt und wie eine solche Erfolgsverortung zu berechnen wäre.

Führt die Zerlegung nach § 28 ff. GewStG zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis, hat die Zerlegung nach § 33 Abs. 1 nach einem Maßstab zu erfolgen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Voraussetzung dafür ist jedoch eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht, BFH vom 17.02.1993 – I R 19/92 , BStBl. 1993 II 679. Eine solche liegt nur vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836.

Bei der Beurteilung der Unbilligkeit eines Zerlegungsergebnisses ist zu berücksichtigten, dass der historische Gesetzgeber für die Zerlegung bei Versicherungs-, Bank- und Kreditinstituten eine Zerlegung nach dem Betriebsseinnahmen vorsah, § 29 Abs. 1 N.r 1 GewStG 1968. Diese Regelung wurde mit dem Vermögenssteuerreformgesetz vom 17.04.1974, BGBl. 1974 I 949 abgeschafft. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die Anwendung des Maßstabes in der Praxis zunehmend auf Schwierigkeiten gestoßen sei und für die betreffenden Unternehmen künftig ebenfalls die Zerlegung nach Arbeitslöhnen erfolgen solle. Diese gesetzgeberische Entscheidung sperrt die Anwendung des § 33 Abs. 1 GewStG bei Unternehmen der bezeichneten Branchen.