§ 33 Abs. 1 GewStG: Betriebsführungsvertrag

FG München vom 27.11.2018 – 6 K 2407/15, EFG 2019, 376

Der Gewerbesteuermessbetrag unterliegt der Zerlegung nach §§ 28ff. GewStG, wenn die steuerpflichtige Person innerhalb des Erhebungszeitraumes in mehreren Gemeinde Betriebsstätten unterhält, § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Der Begriff der Betriebsstätte ist im Gewerbesteuerrecht nicht definiert, daher kann auf den allgemeinen Begriff der Betriebsstätte in § 12 AO abgestellt werden. Betriebsstätte nach § 12 S. 1 AO ist jede feste Einrichtung oder Anlage, die dem Gewerbebetrieb unmittelbar dient. Dazu muss die gewerbetreibende Person unmittelbar über die tatsächliche Verfügungsmacht über die betrieblichen Einrichtungen oder Anlagen verfügen. Diese Verfügungsmacht darf nicht nur von vorübergehender Dauer sein. Eine solche Verfügungsmacht setzt auch voraus, dass sie der gewerbetreibenden Person nicht ohne Weiteres entzogen werden oder verändert werden darf. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die gewerbliche Betätigung mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit ausgedrückt wird, BFH vom 04.07.2012 – II R 38/10, BStBl. 2012 II 782.

Vorbehaltlich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG erfolgt die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne.

Arbeitslöhne im Sinne des Zerlegungsrechtes sind nach § 31 Abs. 1 GewStG grundsätzlich die Vergütungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Keine Aussage trifft das Gewerbesteuerrecht zur Frage, wer Arbeitgeber ist.

Arbeitgeber im doppelbesteuerungsrechtlichen Sinne ist derjenige, der die Vergütung für die geleisteten Dienste wirtschaftlich trägt, BFH vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BStBl. 2004 II 602. Ob diese Definition auch im Rahmen des Zerlegungsrechts herangezogen werden kann, ist ungeklärt.

Arbeitnehmer sind die Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 2 LStDV stehen, für das der zu zerlegende Steuermessbetrag festgesetzt worden ist, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. Die Annahme eines Dienstverhältnisses setzt nicht voraus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, BFH vom 24.03.1999 – I R 64/98, BStBl. 2000 II 41. Die Zugehörigkeit eines Arbeitsnehmers zum Betriebs des Beschäftigungs- oder des Anstellungsunternehmens bestimmt sich vielmehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, BFH vom 11.02.1958 – I B 23/57 U, BStBl. 1958 III 182.

Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung sind die Arbeitnehmer dem Beschäftigungs- und nicht dem Anstellungsunternehmen zuzurechnen, wenn

– ihr vetraglicher und tatsächlicher Tätigkeitsbereich ausschließlich im Betriebs des Beschäftigungsunternehmens liegt,

– sie in den geschäftlichen Organismus dieses Unternehmens eingegliedert sind und dessen Weisungen zu folgen verpflichtet sind,

– das Anstellungsunternehmen vom Beschäftigungsunternehmen lediglich die Lohnaufwendungen erstattet erhält, ohne Verwaltungskosten oder gar einen Gewinnaufschlag zu berechnen. Die Zurechnung der Arbeitnehmer beim Anstellungsunternehmen kommt daher nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmerüberlassung an das Beschäftigungsunternehmen ein echter – auf Gewinnerzielung des Verleihers gerichteter – Arbeitnehmerverleih zugrunde liegt, BFH vom 25.03.2004 – IV R 42/03, BFH/NV 2004, 1291. Eine Zurechnung zum entleihenden Unternehmen kommt umgekehrt nicht in Frage, wenn der vertragliche und tatsächliche Tätigkeitsbereich der verliehenen Arbeitnehmers nicht ausschließlich im Betrieb des Beschäftigungsunternehmens liegt, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. Gehen Arbeitsverhältnisse im Rahmen eines Betriebsführungsvertrages auf das Beschäftigungsunternehmen über, sind die Arbeitnehmer dem einheitlichen Anstellungs- und Beschäftigungsunternehmen zuzurechnen.

Führt die Zerlegung nach Arbeitslöhnen zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, ist die Zerlegung nach einem Maßstab durchzuführen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG.

Maßstab der Prüfung des offenbar unbilligen Ergebnisses ist der gesetzlich verfolgte Zweck der Zerlegung, die Umsetzung des tragenden Besteuerungsgedankens der Gewerbesteuer, des Äquivalenzprinzips. Den Gemeinden soll hiernach ein Ausgleich für diejenigen Gemeindelasten, die durch die Betriebsstätte des Unternehmens im Gemeindegebiet erwachsen, in Form einer Steuerquelle zustehen. Eine Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen auf die verschiedenen Gemeinden, in deren Gebiet sich eine Betriebsstätte befindet, dürfte anhand der konkreten Lasten kaum möglich sein. Denn diese lassen sich im Besteuerungsverfahren nicht bestimmen. Soweit der Gesetzgeber die Lasten als Arbeitnehmerfolgelasten versteht, hat er als Maßstab der Aufteilung der Besteuerungsgrundlage auf verschiedene Gemeinden an das Verhältnis der Arbeitslöhne abgestellt. Dabei hat der Gesetzgeber sich auch davon leiten lassen, dass dieses Verhältnis leicht zu ermitteln ist. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung dieses Aufteilungsmaßstabes erkannt und in Kauf genommen, dass dieser stark typisierend ist und im Einzelfall zu ungewollten Ergebnissen führen kann.

Zur Absicherung der Typisierung hat der Gesetzgeber für offenbar unbillige Ergebnisse der Zerlegung eine Ausnahmeregelung in § 33 Abs. 1 S. 1 GewStG geschaffen. Dieser Tatbestand kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn die Tatumstände derart außergewöhnlich sind, dass die Zerlegung nach Arbeitslöhnen den Interessensausgleich zwischen den hebeberechtigten Gemeinden nicht gewährleisten kann. Das ist der Fall, wenn die sich aus dem groben Zerlegungsmaßstab des § 29 GewStG selbst ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird und die nachteiligen Auswirkungen einer Zerlegung nach den §§ 28ff. GewStG von wesentlicher Bedeutung sind. Das ist der Fall, wenn ein Betrieb in der Betriebsstätte auf Dauer und ausschließlich Leiharbeitnehmer einsetzt anstelle die Arbeitnehmer selbst anzustellen. Denn durch dieses Verhalten des Unternehmens, das die Gemeinde nicht beeinflussen kann und auch sonst nicht zu verantworten hat, entgeht ihr vollständig das Gewerbesteueraufkommen aufgrund dieser Betriebsstätte, obwohl die eingesetzten Arbeitnehmer maßgeblich Einfluss auf den Gewerbeertrag haben, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836. Eine solche Unbilligkeit kann auch im Rahmen einer Umstrukturierung hervortreten, in deren Folge die Gemeinde in der das Beschäftigungsunternehmen eine Betriebsstätte unterhält, in der die aufgrund der Umstrukturierung nunmehr entliehenen Beschäftigten tätig werden.

Verfahrensrechtlicher Hinweis: Zu einem das Zerlegungsverfahren betreffende Klageverfahren sind notwendig neben der steuerpflichtigen Person die betroffenen Gemeinden beizuladen, FG Köln vom 17.10.2013 – 13 K 1840/12, EFG 2014, 614. Nicht beizuladen sind Gemeinden deren Messbetragsanteil durch das Klageverfahren unverändert bleiben wird.

§ 33 Abs. 1 GewStG: keine Unbilligkeit von Zerlegungsergebnissen, die Folge der Änderung der gesetzlichen Regelung des Zerlegungsmaßstabes sind

BFH vom 24.05.2006 – I R 104/04, HFR 2007, 360

Unterhält eine steuerpflichtige Person mehrere Betriebsstätten kommt es nach § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG zur Zerlegung. In der Regel erfolgt die Zerlegung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GewStG.

Die Zerlegung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne erfolgt nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG nach dem Verhältnis, dass der die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind.

Bei der Bestimmung des Verhältnisses sind nach § 29 Abs. 2 GewStG die Arbeitslöhne anzusetzen, die in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden (§ 28 GewStG) während des Erhebungszeitraums (§ 14 GewStG) erzielt oder gezahlt worden sind.

Betriebsstätte im Sinne des § 28 Abs. 1 GewStG ist die Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO, BFH vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BStBl. 2004 II 602.

Ein Arbeitnehmer ist bei einer Betriebsstätte beschäftigt, wenn er dort seine Tätigkeit ganz oder wesentlich ausübt, BFH vom 26.08.1987 – I R 376/83, BStBl. 1988 II 201. Dabei kommt es maßgeblich auf den Ort der Tätigkeit an. Regelmäßig unerheblich ist es welcher Betriebsstätte der Erfolg der Tätigkeit wirtschaftlich zufließt und wie eine solche Erfolgsverortung zu berechnen wäre.

Führt die Zerlegung nach § 28 ff. GewStG zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis, hat die Zerlegung nach § 33 Abs. 1 nach einem Maßstab zu erfolgen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Voraussetzung dafür ist jedoch eine eindeutige Unbilligkeit von erheblichem Gewicht, BFH vom 17.02.1993 – I R 19/92 , BStBl. 1993 II 679. Eine solche liegt nur vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird, BFH vom 26.02.1992 – I R 16/90, BFH/NV 1992, 836.

Bei der Beurteilung der Unbilligkeit eines Zerlegungsergebnisses ist zu berücksichtigten, dass der historische Gesetzgeber für die Zerlegung bei Versicherungs-, Bank- und Kreditinstituten eine Zerlegung nach dem Betriebsseinnahmen vorsah, § 29 Abs. 1 N.r 1 GewStG 1968. Diese Regelung wurde mit dem Vermögenssteuerreformgesetz vom 17.04.1974, BGBl. 1974 I 949 abgeschafft. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die Anwendung des Maßstabes in der Praxis zunehmend auf Schwierigkeiten gestoßen sei und für die betreffenden Unternehmen künftig ebenfalls die Zerlegung nach Arbeitslöhnen erfolgen solle. Diese gesetzgeberische Entscheidung sperrt die Anwendung des § 33 Abs. 1 GewStG bei Unternehmen der bezeichneten Branchen.