Schlagwort: Nebentätigkeit
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG – erweiterte Grundbesitzkürzung: unschädliche Nebentätigkeiten – hier Wohnungsbauten betreuen – restriktive Auslegung
BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624
[Vorinstanz: FG Niedersachen vom 19.09.2018 – 10 K 174/16, EFG 2019, 63]
Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist auf Antrag zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.
Das Gesetz erlaubt in engen Bahnen die Ausübung von Nebentätigkeiten, indem § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG lautet „oder daneben“. Eine solche erlaubte Nebentätigkeit ist die Betreuung von Wohnungsbauten.
Im Streitfall verwaltet und nutzte die steuerpflichtige Person eine Vielzahl von Wohnungen, gewerblichen oder sonstig genutzten Einheiten sowie Garagen und Stellplätzen, die allesamt in ihrem Eigentum standen. Beginnend mit dem Streitjahr übernahm die steuerpflichtige Person auch die Betreuung von Immobilien, die nicht in ihrem Eigentum standen für Dritte. Ein Teil der Objekte, deren Betreuung übernommen wurde, wurde zu dieser Zeit für gewerbliche Zwecke genutzt. Der Flächenanteil der gewerblich genutzten Einheiten, die nicht im Eigentum der steuerpflichtigen Person standen, war, bezogen auf die insgesamt übernommen Flächen, verschwindend gering. Bezogen auf die einzelnen Objekte betrug der Flächenanteil zwischen 2 % und 20 %.
Das Finanzamt lehnte die Gewährung der erweiterten Kürzung unter Hinweis darauf, dass nur die Betreuung von Wohnungsbauten unschädliche Nebentätigkeit sei, ab. Dem folgte auch das FG Niedersachsen in seinem Urteil vom 19.09.2018 – 10 K 174/16, EFG 2019, 63.
Diese Rechtsauffassung bestätigte nun der BFH in seiner Entscheidung vom 15.04.2021.
In der Sache stellte der BFH klar, dass der Begriff der Betreuung von Wohnungsbauten sich nicht auf die Errichtung solcher, sondern auf die Betreuung bereits fertig gestellter Gebäude bezieht, so bereits BFH vom 17.09.2003 – I B 8/02, BStBl. 2004 II 243.
Hinsichtlich der eigentlichen Streitfrage, ob auch gemischt genutzte Gebäude Gegenstand der unschädlichen Nebentätigkeit sein können, führt der BFH aus, dass eine solche Auslegung mit dem Begriff der Wohnungsbauten nicht vereinbar ist (Wortlautgrenze). Des Weiteren spreche auch der Umstand, dass § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG explizit den Fall gemischt genutzter Grundstücke aufgreife dafür, dass dem Gesetzgeber bei der Gesetzesformulierung die Existenz gemischt genutzter Grundstücke bekannt und bewusst gegen eine extensive Auslegung der Norm (systematische Auslegung). Dieser Befund wird auch durch die historische Auslegung bestätigt. Denn mit Gesetz vom 18.07.1958, BGBl. 1958 I 473 wurde zur Förderung der Errichtung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen die Errichtung und Veräußerung entsprechender Objekte als unschädliche Nebentätigkeit ins Gesetz aufgenommen und mit Gesetz vom 13.07.1961, BGBl. 1961 I 981 um die hier streitgegenständliche Betreuung von Wohnungsbauten erweiterte. Dabei war der Fokus des Gesetzgebers auf die Schaffung von Wohnraum gerichtet. Die Schaffung von nicht zu Wohnzwecken genutzten Flächen stand nicht im Fokus des Gesetzgebers. Auch fand der BFH keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Schaffung nicht zu Wohnzwecken genutzten Flächen als Nebentätigkeit der Nebentätigkeit zu tolerieren bereit war. Dieser Befund verstärkt sich noch dahingehend, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG explizit von Teileigentumsflächen, als Flächen, die nicht Wohnzwecken dienen, spricht. Zudem verweist die Gesetzesbegründung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG ausdrücklich darauf, dass nach S. 2 nicht zu Wohnzwecken genutzte Flächen nicht erfasst sind. Damit sei der Weg zu einer analogen Anwendung der Regelung des § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG versperrt.
Damit tritt der BFH vielfachen anders lautenden Stimmen in der Literatur entgegen.
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: zur Frage der Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen
BFH vom 28.11.2019 – III R 34/17
[Vorinstanz: FG Hessen vom 06.12.2016 – 8 K 1064/13, NWB VAAAG-43872]
Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt voraus, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet oder nutzt und daneben nur gesondert aufgelistete Tätigkeiten entfaltet.
Die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist nach Ansicht des BFH nicht deckungsgleich mit dem Begriff aus der privaten Vermögensverwaltung. Der gewerbesteuerliche Begriff ist enger gefasst. Daher überschreitet die (Mit-)Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter auch dann den zulässigen Rahmen der unschädlichen Nebentätigkeiten nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, wenn einkommensteuerrechtlich noch von einer privaten Vermögensverwaltung auszugehen ist, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 1250.
Die Verwaltung und Nutzung liegt vor, wenn eine Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz erfolgt, etwa durch Vermietung und Verpachtung, BFH vom 17.01.2006 – VIII R 60/02, BStBl. 2006 II 434 sowie BFH vom 14.07.2016 – IV R 34/13, BStBl. 2017 II 175.
Grundbesitz im Sinne des Norm ist der bewertungsrechtliche Grundbesitz, BFH vom 22.06.1977 – I R 50/75, BStBl. 1977 II 778. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG ist das der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht Teil des Grundbesitzes sind nach § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG die Betriebsvorrichtungen.
Eigener Grundbesitz im Sinne der erweiterten Kürzung liegt vor, wenn der Grundbesitz zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehört. Dazu muss dem Unternehmen wirtschaftliches Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO am Grundbesitz zustehen, BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BStBl. 2019 II 262.
Nebentätigkeiten sind in dem Maße kürzungsunschädlich, wie sie in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt sind, BFH vom 14.06.2005 – VIII R 3/03, BStBl. 2005 II 778. Daneben wurde durch die Rechtsprechung anerkannt, das die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes auch dann vorliegt, wenn sich die Tätigkeit als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung zeigt, BFH vom 17.05.2005 – VIII R 39/05, BStBl. 2006 II 659.
Das Ausschließlichkeitsgebot und die Möglichkeit abweichender Gestaltung lassen keinen Platz für Bagatellgrenzen, bis zu deren Erreichen die Ausübung jeglicher Nebentätigkeiten unerheblich für die Kürzung wäre, BFH vom 17.05.2005 – VIII R 39/05, BStBl. 2006 II 659.
Die Besonderheit des Entscheidungsfalles ergibt sich aus dem Sachverhalt. Die Parteien hatten vereinbart, dass die Klägerin, ein Gebäude für Zwecke des Mieters errichtete und an diese vermietet. Für die Bauausführungen beauftragte die Vermieterin die Mieterin. Nach dem Inhalt des Vertrages sollten Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG dabei nicht von der Vermieterin angeschafft werden und auch nicht Gegenstand des Mietvertrages sein. Dieser Überlassungsausschluss ist mietvertraglich zulässig, wir der BFH mit Verweis auf Häublein in MüKo BGB (8. Aufl.) § 535 Rn. 73 feststellte. Im Rahmen der Vertragsabwicklung rechneten die Parteien über die Errichtung von Betriebsvorrichtungen gesondert ab, so dass die Vermieterin deren Anschaffung wirtschaftlich nicht trug.
Im Entscheidungsfall wurden einzelne Anlagen und Wirtschaftsgüter, die nach Ansicht des Finanzgerichts Betriebsvorrichtungen darstellen, jedoch nicht in die gesonderte Abrechnung mit einbezogen.
Der Fall wurde durch den BFH zurückverwiesen, um aufzuklären, ob die Nichtberücksichtigung der einzelnen Anlagen und Wirtschaftsgüter im Rahmen Abrechnung auf einer Änderung des ehemals geschlossenen Mitvertrages beruht oder schlicht bei der Abrechnung ein Fehler unterlaufen ist. Dabei hat das Finanzgericht zu prüfen, ob die Personen, die für die Abrechnung zuständig waren, Vertretungsmacht hatten oder ob ein Anwendungsfall des § 41 Abs. 1 S. 1 AO gegeben ist, also die Parteien wirtschaftlich die Rechtsfolgen eines zivilrechtlich unwirksamen Geschäftes haben eintreten lassen. Hiergegen würde nach Ansicht des BFH sprechen, wenn die Parteinen die Abrechnung nachgeholt hätten.
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: zum Umfang der zwingend notwendigen Nebentätigkeit zur wirtschaftlich sinnvollen Grundstücksnutzung als Ausnahmen von Ausschließlichkeitsgebot
BFH vom 18.04.2000 – VIII R 68/98, BStBl. 2001 II 359 [Vorinstanz: FG Baden-Württemberg]
Von Amts wegen ist grundbesitzenden Unternehmen nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die einfache Grundbesitzkürzung in Höhe von 1,2 % des Einheitswertes der im Inland belegen Grundstücke zu gewähren. Das Gesetz verfolgt den Zweck die Doppelbelastung von Grundsteuer und Gewerbesteuer – beides Realsteuern – zu vermeiden, Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 693, 696.
Auf Antrag tritt an deren Stelle die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die Kürzung umfasst nur den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Die Regelung dient der Schaffung einer rechtsformneutralen Besteuerung, BFH vom 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. 1999 II 168.
Überschreitet die die Verwaltung und Nutzung eigene Grundbesitzes oder Kapitalvermögens die Schwelle zur Gewerblichkeit, ist das kürzungsschädlich.
Ursprünglich war der Tatbestand des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausnahmenslos auf die Verwaltung un Nutzung des Grundbesitzes beschränkt. Erst mit der mit dem StÄndG 1961, BGBl. 1961 I 981 wurden bestimmte Nebentätigkeiten als kürzungsunschädlich anerkannt.
Der Zweck der Herstellung einer rechtsformneutralen Besteuerung wurde mit Definition kürzungsunschädlicher Nebentätigkeiten nicht aufgegeben, BFH vom 28.06.1973 – IV R 97/72, BSTBl. 1973 II 688.
Die gesetzliche Definition der kürzungsunschädlichen Nebentätigkeiten ist abschließend. Eine Bagatellgrenze sieht das Gesetz nicht vor.
Wird neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine Betriebsvorrichtung überlassen, ist das grundsätzlich kürzungsschädlich. Hiervon abweichend ist überlassung von Betriebsvorrichtungen jedoch dann kürzungsunschädlich, wenn Grundstücksteile nur wegen ihrer Nutzung durch den Mieter zu Betriebsvorrichtungen werden, BFH vom 22.06.1977 – I R 50/75, BStBl. 1977 II 778.
Das setzt voraus, dass die Neben- oder Hilfsgeschäfte zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung sind, BFH vom 23.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338.
Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der auf die Vermietung entfallende Gewinnanteil 20 % des (gewerbesteuerpflichtigen) Gesamtgewinns beträgt, BFH vom 26.02.1992 – I R 53/90, BStBl. 1992 II 738 oder die Herstellungskosten der Betriebsvorrichtung mehr als 20 % der Herstellungkosten des vermieteten Grundbesitzes übersteigt, BFH vom 26.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338.
Nicht übersehen werden darf, dass der BFH in seiner Entscheidung vom 26.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338 offen gelassen hat, ob das Ausschließlichkeitsgebot überhaupt Ausnahmen duldet.
Der VIII. Senat ist jedoch der Ansicht, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei völlig unwesentlichen und damit in ihrem wirtschaftlichen Gewicht vernachlässigbare Tätigkeiten unschädlich sein können. Er stützt seine Auffassung auf die Rechtsprechung des RFH vom 19.09.1939 – I 270/38, RStBL. 1940, 38 und des BFH vom 08.06.1978 – I R 68/75, BStBl. 1978 II 505.