§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG; § 28 Abs. 1 GewStG: Betriebsstätte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

FG Düsseldorf vom 10.08.2023 – 8 K 2364/19 G, NWB WAAAJ-63443

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Neben dem stehenden Gewerbebetrieb kennt das Gewerbesteuerrecht das Reisegewerbe.

Ob der Gewerbebetrieb als inländischer Gewerbebetrieb anzusehen ist, richtet sich danach, ob das Unternehmen im Inland eine Betriebsstätte unterhält. Das Gewerbesteuerrecht enthält keine eigenständige Definition einer Betriebsstätte. Es ist daher auf die Definition der Betriebsstätte in § 12 AO zurückzugreifen.

Der Gesetzgeber hat in § 12 S. 1 AO eine allgemeine Definition der Betriebsstätte aufgenommen und darüber hinaus in § 12 S. 2 AO einen Katalog von Orten mit Unternehmensfunktionen aufgenommen, die als Betriebsstätten gelten.

Die in § 12 S. 2 AO aufgelisteten Fälle, sind keine „insbesondere“-Aufzählung der allgemeinen Betriebsstätten. Die aufgelisteten Fällen „gelten“ vielmehr als Betriebsstätten. Es bedarf also nicht der Erfüllung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 12 S. 1 AO zur Annahme einer Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 2 AO, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844.

Der Katalog des § 12 S. 2 AO beginnt in Nr. 1 AO mit dem Ort der Geschäftsleitung. Die Geschäftsleitung ist notwendiger Teil jeder gewerblichen Aktivität. Jedes gewerbliche Unternehmen verfügt mithin über eine solche. Für den Fall des Fehlens weiterer Betriebsstätte in dieser Betriebsstätte der gesamte Unternehmensgewinn zuzuordnen, BFH vom 20.12.2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169.

Die Geschäftsleitung ist nach § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftslichen Oberleitung. Das ist der Ort, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844. Dabei ist auf die Geschäfte anzustellen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, sowie solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören (Tagesgeschäft). Dabei ist auf die Handlung der zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen abzustellen. Handlungen in diesem Zusammenhang sind die tatsächlichen, organisatorischen, vgl. hierzu BFH vom 03.04.2008 – I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445 und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt. Nicht mehr zum gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft gehört die Veräußerung von Vermögenswerten, die die Geschäftsgrundlage bilden oder die im Verhältnis zum übrigen Vermögen einen ungewöhnlich hohen Wert aufweisen, KG vom 08.03.2007 – 23 U 65/06; BGH vom 02.06.2008 – II ZR 67/07. Ebenso ist das Eingehen von Verbindlichkeiten zum Erwerb von Beteiligungen nicht Teil des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs.

Im Fall einer vermögensverwaltenden Gesellschaft bestimmt sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung danach, wo die Gesellschaft gewichtige Entscheidungen trifft, BFH vom 07.12.1994 – I K 1/93, BStBl. 1995 II 175; OLG Hamburg vom 29.07.2005 – 11 U 286/04, AG 2006, 48. Das ist insbesondere der Ort, an dem die laufende Kontrolle über das Vermögen ausgeübt wird, an dem Wertpapiere verwahrt werden oder an dem die Steuererklärung anfertigt bzw. unterschreibt, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844, wenn sie nur an keinem anderen Ort gewichtige Entscheidungen trifft, BFH vom 07.12.1994 – I K 1/93, BStBl. 1995 II 175. Aber auch der Ort an dem die laufende Buchhaltung erfolgt kann Ort der Geschäftsleitung sein, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209.

Nicht mehr zum Tagesgeschäft einer vermögensverwaltenden Gesellschaft gehören der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen. Denn zum Tagesgeschäft zählen nur die Geschäfte, die in der alleinigen Zuständigkeit der Geschäftsführung liegen und keines Gesellschafterbeschlusses bedürfen. Geschäfte, die einer Beschlussfassung der Gesellschafter bedürfen, sind nicht geeignet Einfluss auf den Ort der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zu haben, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Etwas anderes ergibt sich jedoch, wenn der erklärte und tatsächliche Zweck der Gesellschaft in kleineren und größeren Buy-outs in der Form des Management Buy-out sowie Leveraged Buy-out mit offensiven Finanzierungen und risikobehafteten Kaufgelegenheiten bestand, BFH vom 24.08.2011 – I R 46/10, BStBl. 2014 II 764. Auch ist die schlichte Umsetzung der Unternehmensplanung ein Tagesgeschäft, FG Hamburg vom 16.02.2016 – 2 K 54/13, EFG 2016, 747.

Ebenfalls nicht zum Tagesgeschäft gehören Entscheidungen betreffend die Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Inhaber des Unternehmens an gewöhnlichen Maßnahmen und an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.

Für Personengesellschaften bestimmt sich der Ort der Geschäftsleitung regelmäßig danach, wo die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführungstätigkeit entfalten, BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209. Bei einer oHG ist daher grundsätzlich auf alle Gesellschafter abzustellen, solange im Gesellschaftsvertrag keine andere Vertretungsregelung nach § 125 Abs. 1 HGB getroffen wurde. Sind entsprechende Regelungen getroffen worden, sind die Verhältnisse bei dem ermächtigten Gesellschaftern nur dann bedeutsam, wenn sie die laufenden Geschäfte maßgeblich beeinflussen, BFH vom 29.04.1987 – X R 6/81, BFH/NV 1988, 63. Soweit eine juristische Person Gesellschafterin einer Personengesellschaft ist, übt diese ihre Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte durch ihre organschaftlichen Vertreter aus. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie die Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgeschäftes mit sich bringt tatsächlich wahrnimmt, BFH vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BStBl. 2004 II 602. Dabei kann der vertretungsberechtigten Person auch eine ihr nachgeordnete und weisungsgebundene Person zugerechnet werden, BFH vom 07.09.1993 – VII B 169/93, BFH/NV 1994, 193 sowie bereits RFH vom 02.07.1936 – III A 86/36, RStBl. 1936, 779.

Bei einer Personengesellschaft ist es unerheblich, ob die Verfügungsmacht bei ihr oder einem Gesellschafter liegt, denn die Verfügungsmacht des Gesellschafters muss sich die Personengesellschaft zurechnen lassen, BFH vom 26.02.1992 – I R 85/91, BStBl. 1992 II 937.

Für die Annahme einer Betriebsstätte ist es ausreichend, dass die Voraussetzungen einer der besonderen Betriebsstätten im Sinn des § 12 S. 2 AO verwirklicht sind. Auf die allgemeinen Vorschriften kommt es in diesem Fall nicht an. Nur, wenn nicht schon die Voraussetzungen einer speziellen Betriebsstätte verwirklicht werden, stellt sich die Frage, ob eine Betriebsstätte nach den allgemeinen Regeln des § 12 S. 1 AO gegeben ist.

Nach § 12 S. 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage. Das setzt voraus, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche aufweist, die von gewisser Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehend Verfügungsmacht hat. Dazu muss die steuerpflichtige Person eine Rechtsposition innenhaben, die ihr nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Dazu reicht weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, BFH vom 23.03.2022 – III R 35/20, BStBl. 2022 II 844. Andererseits bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung der Rechtsposition noch einer Bestimmung des Raumes oder des Arbeitsplatzes. Es genügt, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer irgendwie für seine Tätigkeit ein geeigneter Raum zur Verfügung gestellt wird, BFH vom 23.05.2002 – III R 8/00, BStBl. 2002 II 512.

Ein Dienen der Tätigkeit für das Unternehmen liegt vor, wenn dort gewisse Betriebshandlungen, seien es auch nur verhältnismäßig nebensächliche und untergeordnete stattfinden. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Geschäftsleitung von dort aus erfolgt, BFH vom 10.05.1961 – IV 155/60 U, BStBl. 1961 III 317.

§ 2 Nr. 1 S. 1 GewStG: Geschäftsleitungsbetriebsstätte

FG Hamburg vom 16.02.2016 – 2 K 54/13, EFG 2016, 747

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. In Inland wird ein Gewerbebetrieb betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG. Mangels spezialgesetzlicher Regelung ist für die Bestimmung der Betriebsstätte auf § 12 AO zurückzugreifen, BFH vom 21.05.1997 – I R 79/96, BStBl. 1998 II 113.

Das ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, § 12 S. 1 AO. Betriebsstätten sind nach § 12 S. 2 Nr. 1 AO insbesondere die Stätten der Geschäftsleitung. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Stätte der Geschäftsleitung keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraussetzt, BFH vom 28.07.1993 – I R 15/93, BStBl. 1994 III 148.

Ort der Geschäftsleitung ist der Ort der geschäftlichen Oberleitung im Sinne des § 10 AO. Das ist der Ort an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird, BFH vom 23.01.1993 – I R 22/90, BStBl. 1990 II 554. Von diesem Ort gehen die wesentlichen leitenden Funktionen des Unternehmens, Weisungen und Richtlinien für den Betrieb des Unternehmens aus und an diesem Ort werden die für die Geschäftsführung im weitesten Sinn entscheidenden Anordnungen und Verfügungen getroffen, BFH vom 03.07.1997 – IV R 58/95, BStBl. 1998 II 86. Zur laufenden Geschäftsführung gehören die tatsächlichen und rechtlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt, und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung des Unternehmens gehören (Tagesgeschäft). Hierzu gehören nicht die Maßnahmen, die die Grundlagen der Gesellschaft, insbesondere die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Inhaber des Unternehmens an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung treffen, BFH vom 07.12.1994 – I K 1/93, BStBl. 1995 II 175.

Im Fall einer GmbH & Co. KG Struktur, in der die Komplementärin zur Geschäftsführung berufen ist, ist das regelmäßig der Ort an dem die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH überwiegend die maßgeblichen Entscheidungen betreffend die Kommanditgesellschaft fällt, BFH vom 03.07.1997 – IV R 58/95, BStBl. 1998 II 86. Innerhalb einer mehrstufigen Beteiligungskette können das auch die Räumlichkeiten einer Obergesellschaft sein. Der Ort der Geschäftsleitung der Personengesellschaft läge dann in den Räumlichkeiten der Obergesellschaft.

Unterhält die Personengesellschaft neben der Stätte der Geschäftsleitung noch eine weitere Betriebsstätte, die im Ausland belegen ist, wären die auf die ausländische Betriebsstätte entfallenden Gewerbeertragsanteile nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG / § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Läge eine solche zweite Betriebsstätte im Inland, wäre nach §§ 28 ff. GewStG eine Zerlegung durchzuführen.