§ 8 Nr. 1 lit. d/e GewStG: Aktivierung von Miet- und Pachtzinsen bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens

FG Schleswig-Holstein vom 21.03.2018, EFG 2018, 1284

[aufgehoben durch BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, NWB KAAAH-63466]

Der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG unterliegen Aufwendungen, die bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 7 GewStG abgesetzt worden sind.

Nicht der Hinzurechnung unterliegen daher Aufwendungen, die einem steuerlichen Abzugsverbot unterliegen. Ebenfalls nicht der Hinzurechnung unterliegen Aufwendungen, die einem steuerlichen Aktivierungsgebot unterliegen oder die unter Ausübung eines Wahlrechtes aktiviert wurden. Da das Steuerrecht keine eigenständige Definition der Anschaffungs- und Herstellungskosten enthält, finden hinsichtlich der Bestimmung von Anschaffungs- und Herstellungskosten die Regelung des Handelsrechtes Anwendung.

[Hinweis: Nach § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sind Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen Herstellungskosten. Dazu gehören nach § 255 Abs. 2 S. 2 HGB die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Nicht zu den Anschaffungskosten rechnen indes die Kosten des Vertriebes nach § 255 Abs. 2 S. 4 HGB.

Zu den Fertigungskosten rechnen all die Kosten, die der Herstellung des spezifischen Vermögensgegenstandes zuzurechnen sind. Das können auch Mieten und Pachten für die Überlassung von Gegenständen sein, die für die Herstellung des Vermögensgegenstandes genutzt werden.]

Das Finanzgericht greift in seiner Begründung auf die Entscheidungen des BFH zur Aktivierung und in der Folge zur Hinzurechnung von Bauzeitzinsen nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG zurück und erinnert daran, dass der BFH bereits mit Entscheidung von 10.03.1993 – I R 59/92, BFH/NV 1993, 561 entschieden hat, dass eine Hinzurechnung von Bauzeitzinsen nur dann in Betracht kommt, wenn diese vom Gewinn abgesetzt wurden. Schon damals hatte der BFH festgestellt, dass aufgrund der Aktivierung der Bauzeitzinsen eine Gewinnauswirkung der Bauzeitzinsen nicht gegeben war. Offen konnte in dieser ersten Entscheidung noch die Frage bleiben, ob durch die spätere Abschreibung eine Gewinnauswirkung hervorgerufen würde, die eine Hinzurechnung hervorrufen würde. Diese Frage wurde höchstrichterlich erst mit der Entscheidung des BFH vom 30.04.2003 – I R 19/02, BStBl. 2004 II 192 getroffen. Der BFH entschied damals, dass durch die Aktivierung die Zinsaufwendungen ihren Charakter verlieren würden und die spätere Abschreibung der Herstellungskosten keinen anteiligen Zinsaufwand mehr transportieren.

Diese Argumentation hält das FG Schleswig-Holstein für unzutreffend, weil sie letztlich auf der Saldierung von Zinsaufwand und den Folgen der Aktivierung bzw. den Folgen der Veräußerung bei unterjährig ausgeschiedenen Wirtschaftsgütern ausgeht. Anders ausgedrückt: Es kommt zu einer Gewinnauswirkung im Zeitpunkt der Berücksichtigung der Kosten und zu einer gegenläufigen Berücksichtigung im Zeitpunkt der Aktivierung durch Ausübung des Wahlrechtes bzw. im Zeitpunkt des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen. Wenn überhaupt würde nur die Aktivierung der Aufwendungen zu einer Umqualifikation des Aufwandes in neutrale Herstellungskosten führen können. Im Falle des unterjährigen Ausscheidens aus dem Betriebsvermögen scheidet eine Aktivierung jedoch aus. Daher verlören, so das Finanzgericht weiter, Miet- und Pachtzinsen bei unterjährig ausscheidenden Wirtschaftsgütern ihren Charakter nicht. Damit könnten diese Aufwendungen nach § 8 Nr. 1 lit. d/e GewStG hinzugerechnet werden.

[Anmerkung: Das Finanzgericht übersieht in seiner Argumentation jedoch, dass Mieten und Pachten zu den Fertigungskosten zählen können, die nach § 255 Abs. 2 S. 1 HGB zu aktivieren sind. Diese Kosten sind also von Anfang an nicht als Aufwand zu berücksichtigen, sondern dem Vermögensgegenstand zuzuordnen. Anders als das Finanzgericht ausführt droht in diesen Fällen auch kein zufälliges Ergebnis, das davon abhängt, ob das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch vorhanden ist oder bereits zuvor veräußert wurde.

Dem entgegen sind Zinsen von der Aktivierung als Herstellungskosten nach § 255 Abs. 3 S. 1 HGB grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gesetz erlaubt jedoch im Rahmen einer Bewertungshilfe nach § 255 Abs. 3 S. 2 HGB die Aktivierung von Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung des Vermögensgegenstandes verwendet wird, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Die Anknüpfung des Finanzgerichtes an die Bauzeitzins-Rechtsprechung des BFH greift daher zu kurz. Richtigerweise hätte das Finanzgericht im vorliegende Fall eine Aktivierungspflicht annehmen müssen. Es hätte dann auch nicht zur vorgestellten Kritik an der saldierenden Betrachtung des BFH kommen können.

Damit hätte sich die Frage gestellt, ob bei der Beantwortung der Rechtfrage zwischen der Herstellung von Wirtschaftsgütern den Anlage- und des Umlaufvermögens zu differenzieren ist, hätte das Finanzgericht dann ebenfalls entscheiden müssen. Es hätte dann erkennen müssen, dass die handelsrechtlichen Regelungen des § 255 Abs. 2 HGB nicht zwischen Anlage- und Umlaufvermögen differenzieren. Diesen Befund hätte es unter Verweis auf die spezielle Regelung betreffend die Aktivierung von Herstellungskosten für selbst geschaffene Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 255 Abs. 2a HGB bestärkt sehen können.]

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