§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Einfluss der Betriebsverpachtung auf die erweiterte Grundbesitzkürzung

BFH vom 19.12.2023 – IV R 5/21, BStBl. 2024 II 845

[Vorinstanz: FG Münster vom 06.12.2019 – 14 K 3999/16 G, GmbH-StB 2021, 325]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung). Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt und daneben keine anderen als die Nebentätigkeiten ausübt, die im Gesetz ausdrückliche Erwähnung finden und sofern und soweit die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG ausgeschlossen ist. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer Schlechterstellung einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, gegenüber einer vermögensverwaltenden Gesellschaft.

Grundlegende Voraussetzung der erweiterten Kürzung ist daher, dass sich die Gewerbesteuerpflicht des Unternehmens allein aus der gewählten Rechtsform ergibt und keine originäre gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG vorliegt.

Im Fall eine Betriebsaufspaltung scheidet die erweiterte Kürzung daher für das Besitzunternehmen aus, da diesem die gewerbliche Tätigkeit des Betriebsunternehmens im Rahmen der Merkmalszurechnung zugerechnet wird. Soweit das Besitzunternehmen auch die Voraussetzungen der gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllt, ergibt sich die Gewerblichkeit der Betätigung vorrangig aus der Merkmalszurechnung. Denn insoweit liegt eine originäre gewerbliche Betätigung vor.

Entfällt im Rahmen der Betriebsaufspaltung die persönliche Verflechtung, endet die Zurechnung der betrieblichen Merkamle der Betriebsgesellschaft. Die Besitzgesellschaft erzielt ab dann grundsätzlich vermögensverwaltende Einkünfte. Etwas anderes ergibt sich jedoch für den Fall, dass die Besitzgesellschaft gewerblich geprägt ist und sie fortan gewerbliche Einkünfte aufgrund der gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erzielt. In diesem Fall liegt ein Übergang von der originär gewerblichen Tätigkeit aufgrund der Merkmalszurechnung hin zu einer gewerblichen Prägung vor.

Davon unabhängig kann sich eine gewerbliche Tätigkeit der Besitzgesellschaft auch daraus ergeben, dass die Voraussetzungen der Betriebsverpachtung vorliegen. Dieses Rechtsfolge ist jedoch rein einkommensteuerrechtlicher Art, denn gewerbesteuerlich endet der werbende Betrieb mit dem Beginn der Betriebsverpachtung. Selbst bei Vorliegen einer Betriebsverpachtung würde sich hieraus also keine gewerbliche Tätigkeit des Besitzunternehmens begründen.

Soweit die Gesellschaft der Gewerbesteuer unterliegt bemisst sich diese nach § 6 GewStG nach dem Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung). Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt und daneben keine anderen als die Nebentätigkeiten ausübt, die im Gesetz ausdrückliche Erwähnung finden und sofern und soweit die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG ausgeschlossen ist. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer Schlechterstellung einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, gegenüber einer vermögensverwaltenden Gesellschaft.

Allerdings führt das Vorliegen einer Betriebsverpachtung regelmäßig zum Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot der erweiterten Grundbesitzkürzung. Denn die Betriebsverpachtung setzt voraus, dass die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände, verpachtet werden, BFH vom 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. 1964 III 124. [Hinweis: Im Urteilsfall noch nicht anzuwenden war § 16 Abs. 3b EStG in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011, BGBl. 2011 I 2131, das nach § 52 Abs. 34 EStG erstmals für Betriebsaufgaben zur Anwendung kommt, die nach dem 04.11.2011 erklärt wurden.] Die Bestimmung der wesentlichen Betriebsgegenstände erfolgt aufgrund funktionaler Betrachtung der sachlichen Erfordernisse nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des Betriebes, BFH vom 17.04.2019 – IV R 12/16, BStBl. 2019 II 745. Typischerweise umfasst die Betriebsverpachtung die Überlassung einer Mehrzahl verschiedener Wirtschaftsgüter, wie Grundvermögen sowie Vermögen anderer Art, BFH vom 29.10.1992 – III R 5/92, BFH/NV 1993, 233. Es läge dann keine ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes vor. Es ist jedoch zu beachten, dass bei Groß- und Einzelhandelsunternehmen die gewerblich genutzten Räumlichkeiten grundsätzlich die einzigen wesentlichen Betriebsgrundlagen sind, BFH vom 07.11.2013 – X R 21/11, BFH/NV 2014, 676. Dem beweglichen Anlagevermögen kommt in diesen Fällen in der Regel nicht die Qualität einer wesentlichen Betriebsgrundlage zu, BFH vom 11.10.2007 – X R 39/04, BStBl. 2008 II 220. Daher verstößt eine Betriebsverpachtung nicht zwingend gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG.

Außerhalb der Betriebsverpachtung liegt ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot vor, wenn nicht lediglich eigener Grundbesitz verwaltet und genutzt wird.

Was Grundbesitz im Sinne der Norm ist, bestimmt sich nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 705. Zum bewertungsrechtlichen Grundbesitz gehört nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 BewG ist das Erbbaurecht ebenfalls Teil des Grundbesitzes sowie die Gebäude auf fremden Grund und Boden und die sonstigen Fälle, in denen die Gebäude einer anderen Person zuzurechnen sind, als der Person, der das Eigentum am Grund und Boden zusteht, selbst wenn die Gebäude wesentliche Bestanteile des Grund und Bodens geworben sind, § 70 Abs. 3 BewG. Darüber hinaus rechnen zum Grundbesitz das Wohneigentum, das Teileigentum, das Wohnungserbbaurecht und das Teileerbbaurecht, § 68 Abs. 1 Nr. 3 BewG. Sondernutzungsrechte bestimmen den Inhalt von Wohnungs- und Teileigentum und unterliegen daher keiner gesonderte Betrachtung.

Gehören zum Unternehmensvermögen neben Grundvermögen noch weitere Wirtschaftsgüter, sind diese nur dann kürzungsschädlich, wenn sie zur Nutzung überlassen werden. Unschädlich ist dem entgegen, wenn die Wirtschaftsgüter ausdrücklich von der Nutzungsüberlassung ausgenommen sind.