§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Betreuung von Wohnungsbauten

BFH vom 23.03.2023 – III R 49/20

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 07.07.2020 – 8 K 8320/17]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung). Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt oder daneben Nebentätigkeiten ausübt, die im Gesetz ausdrückliche Erwähnung finden, sofern die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG ausgeschlossen ist. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer Schlechterstellung einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, gegenüber einer vermögensverwaltenden Gesellschaft.

Grundlegende Voraussetzung der erweiterten Kürzung ist daher, dass sich die Gewerbesteuerpflicht des Unternehmens allein aus der gewählten Rechtsform ergibt und keine originäre gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG vorliegt.

Ausdrücklich erlaubt ist jedoch die Betreuung von Wohnungsbauten sowie die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes. Hierbei handelt es sich um originär gewerbliche Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten sind für die erweiterte Kürzung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung unschädlich, sofern der Gewinn aus diesen Tätigkeiten gesondert ermittelt wird, § 9 Nr. 1. S. 4 GewStG.

Der Begriff der Betreuung erfasst sowohl die Baubetreuung als auch die Bewirtschaftungsbetreuung, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624.

Die Bewirtschaftungsbetreuung umfasst die Verwaltung und die praktische Betreuung des Gesamtobjektes vor Ort. Diese Tätigkeit umfasst die Hauptverantwortung vor Ort in dem Sinne, dass sich die Person um das Gesamtobjekt kümmert und in Abwesenheit des Eigentümers und eines Vertreters der Verwaltung die Hauptverantwortung für das Objekt trägt und als Hauptansprechpartner dient. Diesem weiten Verständnis der Regelung liegt der Zweck des Gesetzes zu Grunde die Schaffung von Wohnraum und die Eigentumsbildung zu fördern, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624.

Zur Bewirtschaftungsbetreuung zählt allerdings nicht die entgeltliche Reinigung der Gemeinschaftsflächen in einem fremden Objekt, dessen Betreuung übernommen wurde. Davon zu unterscheiden ist die Reinigung des eigenen Objektes im Rahmen der Verwaltung und Nutzung, BFH vom 14.07.2016 – IV R 34/13, BStBl. 2017 II 175.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Betreuung von Wohnungsbauten

BFH vom 16.02.2023 – III R 49/20, BStBl. 2024 II 126

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 07.07.2020 – 8 K 8320/17, EFG 2020, 1629]

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung).

Zweck der Vorschrift ist die Herstellung einer rechtsformneutralen Besteuerung von Immobiliengesellschaften, BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BStBl. 2019 II 262. Denn die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes ist grundsätzlich vermögensverwaltender Art und unterliegt mithin nicht der Gewerbesteuer. Eine Gewerbesteuerpflicht der Tätigkeit kann sich jedoch aus der Rechtsform der Immobiliengesellschaft ergeben. Für diesen Fall gewährt § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG eine Kürzung.

Die Kürzung setzt voraus, dass die Tätigkeit der gewerbesteuerpflichtigen Gesellschaft die Grenzen der Vermögensverwaltung nicht überschreitet. Nicht kürzungsschädlich sind ausnahmsweise Tätigkeiten, die als zwingender Teil einer wirtschaftlich sinnvoll [Anmerkung: Es ist unklar, ob der Begriff „wirtschaftlich sinnvoll“ im Sinne einer Rendite oder im Sinne eines technischen Nutzung des Grundbesitzes zu verstehen ist.] gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung anzusehen sind, BFH vom 22.10.2020 – IV R 4/19, BStBl. 2022 II 87.

Das Gesetz führt des weiteren Tätigkeit auf, die neben der Verwaltung und Betreuung des eigenen Grundvermögens ausgeführt werden können, ohne dass die erweiterte Grundbesitzkürzung zu versagen ist. Allerdings unterliegt der hieraus resultierende Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG nicht der Kürzung, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Unschädlich ist demnach, dass eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt oder Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, errichtet und veräußert.

Das Gesetz erlaubt neben der vermögensverwaltenden Haupttätigkeit auch die Ausübung originär gewerblicher Tätigkeiten im Rahmen der Betreuung von Wohnungsbauten, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624. Die Betreuung von Wohnungsbauten umfasst sowohl die Baubetreuung als auch die Bewirtschaftungsbetreuung, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624, BFH vom 17.09.2003 – I R 8/02, BStBl. 2004 II 243.

Bewirtschaftungsbetreuung ist die praktische Betreuung des Gesamtobjektes vor Ort. Sie ist nicht auf eine Verwaltungstätigkeit, also auf rechtsgeschäftliche und administrative Handlungen, wie die Vermietung von Wohnung, die Erstellung von Nebenkostenabrechnungen und die Beauftragung von Dritten (Handwerkern, Reinigungskräften usw.) begrenzt, a.A. FG Berlin-Brandenburg vom 07.07.2020 – 8 K 8320/17, EFG 2020, 1629. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, der auf die Betreuung und nicht auf die Verwaltung der Wohnungsbauten abzielt ist. Aber auch der Zweck der Regelung, die Schaffung von Wohnraum und die Eigentumsbildung breiter Bevölkerungsschichten zu fördern, lässt eine solche Begrenzung nicht erkennen, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624. Eine Bewirtschaftungsbetreuung liegt mithin nicht nur vor, wenn die Verwaltung der Immobilie erfolgt, sondern wird auch durch eine Person ausgeübt, die vor Ort die Hauptverantwortung in dem Sinne trägt, dass sie sich um das Objekt kümmert und in Abwesenheit der Person, die Eigentümerin der Immobilie ist, sowie der Person, die die Verwaltung vertritt, die Hauptverantwortung für das Objekt trägt und als Hauptansprechpartner dient.

Die Erbringung von entgeltlichen Reinigungsleistungen betreffend Gemeinschaftsflächen eines Gebäudes, das nicht im Eigentum der grundbesitzenden Gesellschaft steht, ist als gewerbliche Leistung kürzungsschädlich. Etwas Anderes kann sich ergeben, wenn die Reinigungsleistungen mietvertraglich bei Objekten geschuldet wird, die für eigene Verwaltungszwecke genutzt werden.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Lieferung von Fernwärme aus einer Verteilerstation auf eigenem Grundbesitz an Wohnungen, die nicht zum eigenen Grundbesitz gehören

FG Berlin-Brandenburg vom 29.10.2019 – 8 K 8045/19, EFG 2019, 1993

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung). Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt oder daneben Nebentätigkeiten ausübt, die im Gesetz ausdrückliche Erwähnung finden, sofern die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG ausgeschlossen ist. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer Schlechterstellung einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, gegenüber einer vermögensverwaltenden Gesellschaft.

Die erweiterte Grundbesitzkürzung ist ausweislich der Gesetzesformulierung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn neben der ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes auch Wohnungsbauten betreut werden. Nach der Rechtsprechung umfasst die Betreuung von Wohnungsbauten sowohl die Baubetreuung als auch die Bewirtschaftungsbetreuung. Unter Bewirtschaftungsbetreuung ist ein rechtsgeschäftliches oder administratives Handeln für andere in der Wohnungswirtschaft gemeint. Nicht erfasst ist jedoch eine versorgende Tätigkeit, die typischerweise nicht selbst durch Immobilienverwaltungsunternehmen vorgenommen werden. Für Zwecke der Unschädlichkeit nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG kommt es sodann nicht darauf an, ob die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird.

Die Lieferung von Fernwärme im Rahmen bestehender Mietverträge stellt eine unschädliche Nebenleistung zur eigentlichen Flächenüberlassung nach § 535 BGB dar, da die Pflicht zur Beheizung der Wohnung dem Vermieter obliegt. Wird die Fernwärme (zudem) an Wohnungen abgegeben, die nicht im Eigentum des steuerpflichtigen Unternehmens stehen, handelt es sich insoweit nicht um die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Sie stellt ferner keine unschädliche Betreuung von Wohnungsbauten vor. Denn die Lieferung von Fernwärme ist weder Bestandteil der Baubetreuung noch der Bewirtschaftungsbetreuung.