§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG: Kaufmännische Führung einer Mitunternehmerschaft durch einen Berufsträger

BFH vom 04.02.2025 – VIII R 4/22, WAAAJ-88437

[Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 16.09.2021 – 4 K 1270/19, KöSDi 2022, 27716]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG. Nach § 15 Abs. 2 EStG setzt die Annahme eines originären Gewerbebetriebes voraus, dass die selbständige und nachhaltige Betätigung nicht als Ausübung eines freien Berufes oder einer anderen selbständigen Arbeit anzusehen ist. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG gehört zu den freiberuflichen Tätigkeiten auch die selbständige Berufstätigkeit der sog. Katalogberufe, zu denen auch der zahnärztliche Beruf gehören.

Nach § 1 Abs. 6 des Zahnheilkundegesetz (ZHG) ist die Ausübung der Zahnheilkunde unter der Berufsbezeichnung „Zahnarzt“ oder „Zahnärztin“ die Ausübung des zahnärztlichen Berufes. Die Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten.

Nach § 1 Abs. 5 und Abs. 6 ist die Delegation bestimmter Tätigkeiten auf Personen mit bestimmter Qualifikation zugelassen.

Nach § 18 Abs. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG finden die Regelungen auch auf Mitunternehmerschaften Anwendung, so dass eine Mitunternehmerschaft Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt, wenn sich die Tätigkeit der Mitunternehmerschaft in der Ausübung einer Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 EStG erschöpft.

Der BFH beschreibt die berufstypische zahnärztliche Tätigkeit als die auf zahnärztlich wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten als persönlichen Dienst am Patienten, BFH vom 12.06.2018 – VIII B 154/17, BFH/NV 2019, 945.

Unerheblich ist eine daneben ausgebübte Tätigkeit organisatorischer oder administrativer Art, die für den Praxisbetrieb erbracht wird. Das gilt selbst dann, wenn sie im Rahmen einer Personengesellschaft ausgeübt wird und ihr Umfang weit überwiegend ist und die übrige Tätigkeit nur noch geringfügigen Umfang hat.

Auch in diesem Fall erfüllt die entfaltete Tätigkeit das Berufsbild des Zahnarztes, denn die kaufmännische Führung und Organisation einer Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen Leistungen und damit auch Ausdruck der berufstypischen Leistungen und damit auch Ausdruck der berufstypischen Mit- und Zusammenarbeit sowie der persönlichen Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit.

Damit erzielt eine Mitunternehmerschaft nicht schon deswegen gewerbliche Einkünfte, weil ein Mitunternehmer kaufmännische und organisatorische Aufgaben in weit übergeordnetem Umfang übernimmt. Auf den Umfang der Ausübung berufspraktischer Arbeiten kommt es nicht an.

Im Entscheidungsfall war der steuerliche Mitunternehmer darüber hinaus in äußerst geringem Maße berufspraktisch tätig. Dennoch hat der zur Entscheidung berufene VIII. Senat des BFH nicht schlicht darauf verwiesen, dass es auf den Umfang der Tätigkeit nicht ankomme, sofern diese überhaupt entfaltet werde. Der VIII. Senat stellte vielmehr heraus, dass auch kaufmännische und organisatorische Arbeiten Teil der Berufsausübung seien. Die Zuweisung und Übernahme dieser Arbeiten im Rahmen eines arbeitsteiligen Verhaltens innerhalb einer Mitunternehmerschaft führe nicht dazu, dass nicht alle mitunternehmerisch verbundenen Personen die Voraussetzungen des § 18 EStG erfüllen, so dass die Mitunternehmerschaft keine Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielt.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG: Betrieb eines Corona-Testzentrums durch einen Arzt

FG Köln vom 24.04.2024 – 3 K 910/23, NWB LAAAJ-72844

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrecht, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG. Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) noch als Ausübung eines freien Berufes (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG) noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Zu den freiberuflichen Tätigkeiten gehört die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG werden nur berufstypische Tätigkeiten erfasst. Diese berufstypischen Tätigkeiten und damit das für diese Tätigkeiten relevante Berufsbild wird im Bereich der medizinischen Berufe vor allem durch die Anforderungen der Berufsordnungen gekennzeichnet, die die Qualität und Länge der erforderlichen Ausbildung sowie die allgemein- und berufsrechtliche Ausgestaltung bestimmt. Daneben kommt auch der Charakter des ärztlichen Berufs, so wie er insbesondere durch die Verkehrsanschauung geprägt wird, und der Stellung und Bedeutung des Berufs im Sozialgefüge eine maßgebliche Bedeutung zu. Nach der Verkehrsanschauung übt derjenige einen Heilberuf aus, dessen heilkundliche Tätigkeit der Feststellung, Heilung und Linderung von Krankheiten, Leiden und Körperschäden bei Menschen dient.

Diese Tätigkeit umfasst auch Leistungen der vorbeugenden Gesundheitspflege, die Erstellung von Gutachten sowie die medizinische Forschung.

Eine freiberufliche Tätigkeit liegt vor, wenn sich die konkrete Tätigkeit im Rahmen der berufstypischen Tätigkeit bewegt.

Darüber hinaus kommt es für die Abgrenzung zwischen gewerblichen oder freiberuflichen Einkünften nicht auf die Aus- und Vorbildung und die Berufsbezeichnung , sondern auf die Art der ausgeübten Tätigkeit an, BFH vom 21.03.1995 – XI R 85/93, BStBl. 1995 II 732. [Hinweis: Denn nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ist auch die Berufsausübung der ähnlichen Berufe erfasst.] Damit gewinn die Verkehrsauffassung für die Bestimmung der freien Berufe maßgebliche Bedeutung.

Es ist daher vorrangig zu prüfen, ob die für selbständige Berufe kennzeichnende persönliche Qualifikationen und typische Berufsbilder vorliegen.

Nicht mehr zur berufstypischen Betätigung zählt die Tätigkeit, die über die dem eigentlichen Heilbereich dienende Hilfsgeschäfte hinausgehen oder Betriebsmittel eingesetzt werden, die nicht als notwendige Hilfsmittel für die eigene ärztliche Berufstätigkeit anzusehen sind. Das sind beispielsweise berufsuntypische Aktivitäten, die im Wesentlichen Elemente des Handels aufweisen wie bei dem Verkauf von Arzneimitteln, Kontaktlinsen und Hörgeräten, Prothesen und vergleichbaren Hilfsmitteln an Personen, die nicht zu den eigenen Patienten gehören, ebenso Tätigkeiten, die einen betriebswirtschaftlichen Charakter aufweisen, wie die Wirtschafts- und Organisationsberatung durch einen Krankenhausberater oder die eine mehr betriebstechnische Struktur haben, wie die Beratung zur Vermeidung von Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen durch einen betrieblichen Sicherheitsbeauftragten.

Diagnostische Vorfeldmaßnahmen, wie die Durchführung von Nasen- und / oder Rachenabstrichen zur Durchführung durch einen approbierten Arzt, die als berufstypische Maßnahmen im weitesten Sinne der Feststellung einer Erkrankung dienen entsprechen der heilkundlichen Tätigkeit eines Arztes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Dem steht nicht entgegen, dass die Maßnahmen auch von weniger qualifizierten Personen durchgeführt werden können.

Weitere Voraussetzung ist darüber hinaus, dass die selbständig tätige Person aufgrund ihrer Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig geworden sein muss, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG.

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG / § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG: Auswirkungen der Tätigkeit einer ausländischen Patentanwaltskanzlei auf die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit einer inländischen Patentanwaltskanzlei

FG Münster vom 27.10.2023 – 14 K 1624/21 G

Die Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG setzt die Erzielung von a) Einkünften aus originärer gewerblicher Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG oder b) aufgrund einer Fiktion nach § 15 Abs. 3 EStG voraus.

Keine originär gewerblichen Einkünfte nach § 15 Abs. 2 EStG liegen a) vor, wenn die steuerpflichtige Person Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG bezieht. Dazu gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG die Einkünfte aus der selbständigen Ausübung der Tätigkeit einer der im Gesetz genannten freien Berufe.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG erzielt eine Person, die einem freien Beruf angehört, auch dann noch Einkünfte aus selbständiger Arbeit, wenn sie sich bei der Ausübung der Berufstätigkeit der Mithilfe einer fachlich vorgebildeten Arbeitskraft bedient, wenn sie aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist.

Bei der Beantwortung der Frage, ob die steuerpflichtige Person leitend und eigenverantwortlich tätig ist, sind nur die Tätigkeiten zu berücksichtigen, die sie gegenüber der auftraggebenden Person zu erbringen verpflichtet ist und erbringt. Unberücksichtigt bleiben Leistungen einer dritten Person, die diese aufgrund eigener Leistungsverpflichtung gegenüber der auftraggebenden Person erbringt. Erteilt die auftraggebende Person einer (patent-)anwaltlich selbständig tätigen Personen eine Vollmacht (durch Unterzeichnung einer Vollmachtsurkunde), begründet das ein eigentständiges Leistungsverhältnis, das der zuvor bereits beauftragten steuerpflichtigen Person nicht zuzurechnen ist. Insoweit ist es unschädlich, dass die steuerpflichtige Person die Bevollmächtigung als Bote überbringt.

Nur soweit die steuerpflichtige Person eine Leistung einer dritten Person bezieht und diese Leistung in die Leistungserbringung gegenüber der auftraggebenden Person einfließt, sind die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zu prüfen. Diese Situation lag im Fall eines Übersetzungsbüros (BFH vom 21.02.2017 – VIII R 45/13, BStBl. 2018 II 4), dem der Auftrag erteilt wurde einen Ausgangstext in eine Vielzahl von Zielsprachen zu übersetzen. Das Übersetzungsbüro vergab in der Folge Unteraufträge betreffend verschiedener Sprachen, die durch die mitunternehmerisch verbundenen Personen nicht beherrscht wurden.

Soweit die dritte Person die Rechnung über die von ihr erbrachte Leistung nicht an die auftraggebende Person, sondern an die steuerpflichtige Person sandte und diese den Zahlungsverkehr abwickelte, handelt es sich bei den Zahlungen um durchlaufende Posten. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch beeinflusst, dass die steuerpflichtige Person für die Abwicklung einen Aufschlag erhebt mit dem die eigenen Kosten der Zahlungsabwicklung ausgeglichen werden.

Im Entscheidungsfall kam es b) damit nicht zur Seitwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Var. EStG, da die steuerpflichtige Mitunternehmerschaft keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG ausübte.

§ 18 Abs. 4 EStG: Einkünfte aus selbständiger Arbeit einer Mitunternehmerschaft unter Berücksichtigung arbeitsteiliger Organisation

FG Rheinland-Pfalz vom 16.09.2021 – 4 K 1270/19, NWB ZAAAI-04081

Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen vor, wenn die Tätigkeit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Tätigkeit nicht zu Einkünften aus § 18 EStG führt. Einkünfte aus § 18 EStG erzielt eine Personengesellschaft nur dann, wenn alle mitunternehmerisch verbundenen Personen die Voraussetzungen des § 18 EStG in ihrer Person erfüllen. Dazu gehört neben den Merkmalen der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos auch die Ausübung einer in § 18 EStG genannten Tätigkeiten. Eine Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG übt nur die Person aus, die an der konkreten Leistungserbringung mitwirkt und sie die Leistung leitend und eigenverantwortlich erbringt.

Mitunternehmerinitiative entfaltet eine Person, wenn ihr zumindest die Informations- und Kontrollrechte eines Kommanditisten zustehen.

Mitunternehmerrisiko trägt eine Person, wenn Sie am Gewinn und Verlust beteiligt ist und ihr ein Anteil am Liquidationserlös zusteht.

Die Ausübung einer Leistung setzt voraus, dass die einzelnen Person selbst die Leistungen aus selbständiger Arbeit erbringt und soweit sie sich fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, leitend und eigenverantwortlich tätig ist, der Leistung also den Stempel der eigenen Persönlichkeit aufdrückt. Zwar ist von einer leitenden Tätigkeit noch zu sprechen, wenn sich die mitunternehmerisch verbundenen Person auf die Organisation des Fachbereiches zurückzieht und diesen durch Anweisungen und Kontrollen dominiert. Es mangelt in diesen Fällen jedoch an der eigenverantwortlichen Leistungserbringung, die eben voraussetzt, dass die mitunternehmerisch verbundene Person die fachliche Verantwortung für die konkret Leistung trägt. Das setzt allerdings Ausübung wesentlicher Leistungshandlung in eigener Person voraus, BFH vom 15.12.2010 – VIII R 50/09, BStBl. 2011 II 506. Übt eine mitunternehmerisch verbundene Person die Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG hiernach nicht aus, scheidet die Annahme einer mitunternehmschaftlichen Erzielung von Einkünften im Sinne des § 18 Abs. 4 EStG aus. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die mitunternehmerisch verbundene Person selbst keine Leistungen im Sinne des § 18 EStG erbringt und statt dessen Verwaltungsaufgaben oder Repräsentationsaufgaben übernimmt.