FG Berlin-Brandenburg vom 18.01.2022 – 8 K 8008/21, NWB IAAAI-57928
Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist auf Antrag zu gewähren, wenn die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.
Der Begriff der Verwaltung und Nutzung entspricht dem ertragsteuerlichen Begriff der Vermögensverwaltung. Denn Zweck der Vorschrift ist die Herbeiführung einer rechtsformneutralen Besteuerung. Ohne die erweiterte Grundbesitzkürzung unterlägen immobilienverwaltende Unternehmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer. Die private Investition in einen Immobilienbestand unterläge dem entgegen jedoch nicht der Gewerbesteuer.
[Hinweis: Vgl. Fuest/Hey/Spengel: Vorschläge für eine Reform der Immobilienbesteuerung, Ifo Schnelldienst 12/2021, S. 31 zur Richtigkeit der These von der Vermeidung der Doppelbesteuerung]
Keine Vermögensverwaltung im ertragsteuerlichen Sinne liegt vor, wenn im Einzelfall gewerblicher Grundstückshandel vorliegt. Dieser zeichnet sich durch die Nachhaltigkeit der Tätigkeit aus, die durch Wiederholungsabsicht gekennzeichnet ist. Das ist zuerst einmal der Fall, wenn ein einzelnes Objekt in der Absicht der gewinnbringenden Weiterveräußerung erworben oder bebaut wird, BFH vom 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. 2002 II 291. Zudem hat die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren als gewichtiges Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände kann die Gewerblichkeit ausgeschlossen sein. Bei einer Veräußerung von mehr als fünf Objekten innerhalb von drei Jahren ließe sich die Wiederholungsabsicht auch nicht widerlegen. Es sei dann unerheblich, ob Gründe wie die langfristige Finanzierung oder der Erwerb mit langjähriger Halteperspektive gegen eine Wiederholungsabsicht sprechen würden.
Nach Ansicht des Gerichts ist bei der Prüfung der Wiederholungsabsicht nicht auf die steuerpflichtige Person, sondern auf den Willen der geschäftsführenden Personen abzustellen. Dieser Wille der geschäftsführenden Personen ist – anders als die Haftung aber auch die Gewinnchancen – nicht abzuschirmen. Denn die Investitionsentscheidung trifft in diesem Fall nicht der Geschäftsführer der steuerpflichtigen Person, sondern die Geschäftsführung der Obergesellschaft. Die Objektgesellschaft führt nur noch den Willen der Obergesellschaft aus.
Ist eine Person also innerhalb einer Immobiliengruppe bei mehreren Objektgesellschaften geschäftsführend tätig (Personenidentität), spricht das Vorliegen der Wiederholungsabsicht bei einer Objektgesellschaft auch für eine Wiederholungsabsicht bei anderen Gesellschaften bei denen die Person geschäftsführend tätig ist.
Neben der Frage, ob der Anwendungsbereich der erweiterten Grundbesitzkürzung schon gar nicht eröffnet ist, weil die steuerpflichtige Person eine originär gewerbliche Tätigkeit in Form des gewerblichen Grundbesitzes ausübt, kann die erweiterte Grundbesitzkürzung auch deswegen ausgeschlossen sein, weil sich die konkrete Tätigkeit der steuerpflichtigen Person als Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsprinzip zeigt, BFH vom 05.03.2008 – I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359.
Die erweiterte Grundbesitzkürzung setzt nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG voraus, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Dabei ist unter verwalten und nutzen eine vermögensverwaltende Tätigkeit im ertragsteuerlichen Sinn zu verstehen. Eine solche wird jedenfalls dann nicht ausgeübt, wenn die steuerpflichtige Person eine Tätigkeit ausübt, die nicht mehr vermögensverwaltend ist. Von einer privaten Vermögensverwaltung ist dabei nicht mehr auszugehen, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.