§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung

FG Hamburg vom 15.05.2024 – 2 K 76/22, NWB EAAAJ-73344

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung). Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt oder daneben Nebentätigkeiten ausübt, die im Gesetz ausdrückliche Erwähnung finden, sofern die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG ausgeschlossen ist. Zweck der Regelung ist die Vermeidung einer Schlechterstellung einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, gegenüber einer vermögensverwaltenden Gesellschaft.

Die Rechtsprechung versteht die Ausschließlichkeit in zweifacher Hinsicht. So ist die Ausschließlichkeit gegenständlich auf eigenen Grundbesitz und eigenes Kapitalvermögen begrenzt. Darüber hinaus ist sie nach Art, Umfang und Intensität der Tätigkeit darauf begrenzt, dass dieses Vermögen verwaltet oder genutzt wird, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405.

Hinsichtlich der Bestimmung des Grundbesitzes ist auf das Bewertungsgesetz verwiesen, BFH vom 19.12.2023 – IV R 5/21, BFH/NV 2024, 584. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG gehören zum Grundvermögen der Grund und Boden, die Gebäude und die sonstigen Bestandteile sowie das Zubehör. Nicht zum Grundbesitz zählen Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtung), auch wenn sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne des § 94 BGB sind, § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG. Betriebsvorrichtung ist ein Gegenstand, durch den das Gewerbe unmittelbar betrieben wird.

Zur Abgrenzung von Gebäudebestandteilen und Betriebsvorrichtungen ist auf die Erfordernis im Rahmen der allgemeinen Nutzung des Gebäudes bzw. des Dienens im Rahmen des unmittelbaren Betreibens des Gewerbes abzustellen, BFH vom 19.12.2023 – IV R 5/21, BFH/NV 2024, 584. Ein unmittelbares Betreiben des Gewerbes setzt einen ähnlichen engen Zusammenhang zwischen Betriebsvorrichtung und Betriebsablauf voraus, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Nicht ausreichend ist hingegen die Nützlichkeit, die Notwendigkeit oder gar die diesbezüglichen gewerbepolizeilichen Vorgaben für den Betrieb.

Personenaufzüge und Rolltreppen dienen bei mehrgeschossigen Gebäuden der Benutzung des Gebäudes als Ersatz für Treppen und haben damit eine Gebäudefunktion. Sie sind daher keine Betriebsvorrichtungen. Lastenaufzüge haben hingegen eine betriebliche Funktion, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 705. Denn sie stehen in einem besonderen Verhältnis zu dem in dem Gebäude betriebenen Gewerbebetrieb, BFH vom 07.10.1977 – III R 48/76, BStBl. 1978 II 186. Das gilt auch für Paletten-Förderanlagen, die bei der Zwischenlagerung von Gütern eingesetzt werden, die im Betrieb Verwendung finden.

Soweit die Rechtsprechung eine Ausnahme von dem Erfordernis der Ausschließlichkeit dahingehend annimmt, dass dieses nicht verletzt ist, wenn die Betriebsvorrichtung zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksnutzung ist, BFH vom 15.06.2023 – IV R 6/20, BFH/NV 2023, 1190. Dabei wird zwingend notwendig in der Rechtsprechung als unentbehrlich verstanden, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Ob eine Unentbehrlichkeit vorliegt ist anhand der Marktlage für vergleichbare Grundstücke festzustellen, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 705. Unerheblich ist dabei, welchen Einfluss das Vorhandensein auf den Betrieb der mietenden Partei hat, da sonst aus der Nutzung durch die mietende Partei die Unentbehrlichkeit zwingend erwachsen würde, FG Berlin-Brandenburg vom 22.11.2022 -6 K 6066/21, EFG 2023, 783. Unerheblich ist auch, ob das Vorhandensein in der Praxis üblicherweise gegeben ist und hieraus eine positive Ergebnisentwicklung für das Unternehmen gegeben ist, BFH vom 05.03.2008 – I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359.

Diese Ausnahme liegt im Fall notwendiger Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungswirtschaft, wie beispielsweise bei Heizungsanlagen, Gartenanlagen oder ähnlichen Anlagen, vor, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Die Ausnahme ist jedoch nicht einschlägig, wenn hiermit positive Einkünfte generiert werden, da das Vorhandensein zweckmäßig ist. Dem entgegen ist eine Paletten-Förderanlage jedenfalls dann nicht zwingend notwendig, wenn auch ein Lastenaufzug vorhanden ist. Im Regelfall verfügen, nach Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, mehrgeschossige Gebäude zumeist nicht über eine Paletten-Förderanlage, sondern über einen Lastenaufzug. Unerheblich ist auch, dass die Miete für die Geschosse, die nur mittels Lastenaufzug zu erreichen sind, geringer ist, als für diejenigen, die ebenerdig liegen.

Nicht entscheidungserheblich war die Ansicht des FG Düsseldorf vom 23.11.2023 -14 K 1037/22/ G, F, EFG 2024, 311, dass bei einer schwer oder nur mit erheblichen Aufwand zu entfernende Anlage ein Indiz für eine zwingende Notwendigkeit vorliegt.

Geschützt: § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: vorherige Übereignung von Hotelinventar mit der Maßgabe der späteren Rückübereignung

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§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Überlassung von Gebäuden und Betriebsvorrichtungen

FG Düsseldorf vom 26.06.2023 – 10 K 2800/20 G

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung).

Voraussetzung der erweiterten Grundbesitzkürzung ist, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt oder daneben lediglich eine der im Gesetz aufgeführten Nebentätigkeiten ausübt, sofern die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG aufgeschlossen ist.

Die erweiterte Grundbesitzkürzung ist dann zu versagen, wenn neben dem Grundbesitz auch anderes Vermögen verwaltet und genutzt wird. Das gilt selbst dann, wenn diese Tätigkeit insgesamt vermögensverwaltender Natur ist, soweit es sich hierbei nicht um die gesetzlich in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen handelt. Zudem erkennt die Rechtsprechung an, dass die Überlassung von sonstigen Wirtschaftsgüter unschädlich ist, wenn ohne die Überlassung eine wirtschaftlich sinnvolle Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht möglich wäre.

Grundbesitz im Sinne der Kürzungsvorschrift ist der bewertungsrechtliche Grundbesitz, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Denn § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG tritt an die Stelle des § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG, dessen Funktion die Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Grundsteuer und Gewerbesteuer hat. Die Besteuerungsgrundlage der Grundsteuer ergibt sich aus dem bewertungsrechtlichen Grundbesitzbegriff. Bewertungsrechtlich ist der Grundbesitz in § 68 BewG definiert. Zum Grundbesitz zählen nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Dem entgegen gehören Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen) nicht zum Grundbesitz, auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind, § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG. Betriebsvorrichtungen sind folglich Gegenstände, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf muss ein ähnlich enger Zusammenhang bestehen, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Nicht ausreichend ist es, wenn der Gegenstand lediglich nützlich oder notwendig oder gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist. Maßgeblich ist allein die funktionale Einbindung des Gegenstandes in die Ausübung des Gewerbes, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Es kommt also darauf an, ob ein Gebäudebestandteil der allgemeinen Nutzung des Gebäudes oder unmittelbar der Ausübung des Gewerbes. Keine Betriebsvorrichtungen sind hiernach Gestaltungsmerkmale eines Gebäudes. Soweit diese speziell für die konkrete betriebliche Nutzung ausgelegt sind, stellt sich dennoch die Frage, ob die Gestaltungsmerkmale der unmittelbaren Ausübung des Gewerbes dienen.

Eigener Grundbesitz im Sinne der Kürzungsnorm ist der zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörende Grundbesitz, BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BStBl. 2019 II 262.

Eine Verwaltung und Nutzung des Grundbesitzes liegt vor, wenn der Grundbesitz zur Fruchtziehung eingesetzt wird. Das ist typischerweise im Bereich der Vermietung und Verpachtung der Fall, BFH vom 14.07.2016 – IV R 34/13, BStBl. 2017 II 175. Aber auch die Bereitstellung grundpfangrechtlicher Sicherheiten sowie die Nutzung zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken erfüllt die Voraussetzungen der Verwaltung und Nutzung eigenem Grundbesitzes.

Daneben ist die Ausübung, der in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG aufgezählten Nebentätigkeiten unschädlich.

Ferner sind ausnahmsweise Nebentätigkeit zulässig, die der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigene Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können, BFH vom 11.04.2019 – III R 36/15, BStBl. 2019 II 705; BFH vom 22.10.2020 – IV R 4/19, BStBl. 2022 II 87.

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: zum Umfang der zwingend notwendigen Nebentätigkeit zur wirtschaftlich sinnvollen Grundstücksnutzung als Ausnahmen von Ausschließlichkeitsgebot

BFH vom 18.04.2000 – VIII R 68/98, BStBl. 2001 II 359 [Vorinstanz: FG Baden-Württemberg]

Von Amts wegen ist grundbesitzenden Unternehmen nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die einfache Grundbesitzkürzung in Höhe von 1,2 % des Einheitswertes der im Inland belegen Grundstücke zu gewähren. Das Gesetz verfolgt den Zweck die Doppelbelastung von Grundsteuer und Gewerbesteuer – beides Realsteuern – zu vermeiden, Begründung zum GewStG 1936, RStBl. 1937, 693, 696.

Auf Antrag tritt an deren Stelle die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die Kürzung umfasst nur den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Die Regelung dient der Schaffung einer rechtsformneutralen Besteuerung, BFH vom 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. 1999 II 168.

Überschreitet die die Verwaltung und Nutzung eigene Grundbesitzes oder Kapitalvermögens die Schwelle zur Gewerblichkeit, ist das kürzungsschädlich.

Ursprünglich war der Tatbestand des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausnahmenslos auf die Verwaltung un Nutzung des Grundbesitzes beschränkt. Erst mit der mit dem StÄndG 1961, BGBl. 1961 I 981 wurden bestimmte Nebentätigkeiten als kürzungsunschädlich anerkannt.

Der Zweck der Herstellung einer rechtsformneutralen Besteuerung wurde mit Definition kürzungsunschädlicher Nebentätigkeiten nicht aufgegeben, BFH vom 28.06.1973 – IV R 97/72, BSTBl. 1973 II 688.

Die gesetzliche Definition der kürzungsunschädlichen Nebentätigkeiten ist abschließend. Eine Bagatellgrenze sieht das Gesetz nicht vor.

Wird neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine Betriebsvorrichtung überlassen, ist das grundsätzlich kürzungsschädlich. Hiervon abweichend ist überlassung von Betriebsvorrichtungen jedoch dann kürzungsunschädlich, wenn Grundstücksteile nur wegen ihrer Nutzung durch den Mieter zu Betriebsvorrichtungen werden, BFH vom 22.06.1977 – I R 50/75, BStBl. 1977 II 778.

Das setzt voraus, dass die Neben- oder Hilfsgeschäfte zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung sind, BFH vom 23.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338.

Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der auf die Vermietung entfallende Gewinnanteil 20 % des (gewerbesteuerpflichtigen) Gesamtgewinns beträgt, BFH vom 26.02.1992 – I R 53/90, BStBl. 1992 II 738 oder die Herstellungskosten der Betriebsvorrichtung mehr als 20 % der Herstellungkosten des vermieteten Grundbesitzes übersteigt, BFH vom 26.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338.

Nicht übersehen werden darf, dass der BFH in seiner Entscheidung vom 26.08.1993 – IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338 offen gelassen hat, ob das Ausschließlichkeitsgebot überhaupt Ausnahmen duldet.

Der VIII. Senat ist jedoch der Ansicht, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei völlig unwesentlichen und damit in ihrem wirtschaftlichen Gewicht vernachlässigbare Tätigkeiten unschädlich sein können. Er stützt seine Auffassung auf die Rechtsprechung des RFH vom 19.09.1939 – I 270/38, RStBL. 1940, 38 und des BFH vom 08.06.1978 – I R 68/75, BStBl. 1978 II 505.