§ 7 S. 3 1. Var. GewStG: Fiktion des Gewerbeertrages im Fall der Tonnagebesteuerung

BFH vom 22.02.2024 – IV R 14/21, BStBl. 2024 II 408

[Vorinstanz: FG Hamburg vom 04.05.2021 – 2 K 61/19]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG dem Grunde nach jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Der Begriff des Gewerbebetriebes ist einkommensteuerrechtlicher Natur, § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG. Nach dem Wesen der Gewerbesteuer als Objektsteuer unterliegt der Gewerbebetrieb eines Personenunternehmens der Gewerbesteuer jedoch nur während der werbenden Phase. Nach Beendigung der werbenden Phase unterliegen Gewinne oder Verluste eines Personenunternehmens nicht mehr der Gewerbesteuer, BFH vom 18.05.2017 – IV R 30/15, BFH/NV 2017, 1191.

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach § 6 GewStG nach dem Gewerbeertrag. Dieser bestimmt sich gemäß § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts für die Ermittlung des Gewinns, der für gewerbesteuerliche Zwecke zu modifizieren und um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG zu vermehren und um Kürzungen nach § 9 GewStG zu vermindern ist.

Nach § 7 S. 3 1.Var. GewStG gilt allerdings der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und Abs. 4a EStG als Gewerbeertrag im Sinne des § 7 S. 1 GewStG.

Nach § 5a Abs. 4a S. 3 EStG sind dem Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG dem Gewinn hinzuzurechnen.

Die Regelung setzt eine sachliche und persönliche Steuerpflicht voraus und fingiert diese nicht.

§ 35 Abs. 2 S. 2 EStG: allgemeiner Gewinnverteilungsschlüssel des persönlich haftenden Gesellschafters der KGaA

BFH vom 24.01.2024 – I R 54/20, GmbH-StB 2024, 274

[Vorinstanz: FG Münster vom 04.12.2019 – 9 K 149/17 F, EFG 2020, 720]

Die tarifliche Einkommensteuer, die um bestimmte Beträge gemindert ist, ist zu ermäßigen soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, § 35 Abs. 1 S. 1 EStG.

Die Ermäßigung beträgt bei Einkünften aus Gewerbebetrieb aus der Tätigkeit als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 2. Var. EStG das Vierfache des jeweils für den Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrag. Der Abzug ist auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt, § 35 Abs. 1 S. 5 EStG.

Für den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG sind der Gewerbesteuer-Messbetrages, die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer und der auf die persönlich haftenden Gesellschaft entfallende Anteil gesondert und einheitlich festzustellen, § 35 Abs. 2 S. 1 EStG.

Der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuer-Messbetrag richte sich nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels; Vorabgewinne sind nicht zu berücksichtigen, § 35 Abs. 2 S. 2 EStG. Eine entsprechende Regelung ist dem Gesetz für den Fall der Ermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA nicht enthalten.

Die ursprünglich vorgesehene besondere Regelung zur Anrechnung bei persönlich haftenden Gesellschaftern einer KGaA (BT-DrS 14/2683, 6 und 116) wurde auf Vorschlag des Finanzausschusses (BT-DrS 14/3366, 19 und 119) nicht umgesetzt. Die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrages und der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer erfolgt daher unter rechtsformspezifischer Auslegung der allgemein für einen Mitunternehmer formulierten Regelung des § 35 Abs. 2 S. 2 EStG unter Heranziehung des abziehbaren Teils des Gewinns, der an den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt wird, § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG, und der zu den gewerblichen Einkünften des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA nach § 15 Abs. 1 2. 1 Nr. 3 2. Var. EStG zählt. Denn diese sind, soweit sie gewinnabhängig sind, nach § 8 Nr. 4 GewStG dem Gewinn der KGaA für gewerbesteuerliche Zwecke wieder hinzuzurechnen und sind beim persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA, bei dem sie zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG führen, nach § 9 Nr. 2b GewStG zu kürzen, so dass diese bei der Gewerbebesteuerung der KGaA zu berücksichtigen sind. Eine Gewerbebesteuerung beim persönlich haftenden Gesellschafter erfolgt nicht.

Der Ansicht der Finanzverwaltung, BMF-Schreiben vom 03.11.2016, Rn. 27, BStBl. 2016 I 1187 (Anhang 15 ESt-Handbuch 2016) [a.A. noch BMF-Schreiben vom 19.09.2007, Rn. 27, BStBl. 2007 I 701] und des FG Münster, vom 04.12.2019 – 9 K 149/17 F, EFG 2020, 720 in der Vorinstanz die Ansicht, dass unter Vorabgewinne gewinnunabhängige und sowie gewinnabhängige Sondervergütungen des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA zu fassen sind, folgte der BFH nicht.

Dem entgegen sind Sondervergütungen im Sinne des § 35 Abs. 2 S. 2 EStG, die bei der Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrages sowie der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer nicht zu berücksichtigen sind, im Falle des persönlich haftenden Gesellschafters der KGaA die gewinnunabhängigen Tätigkeitsvergütungen nach § 288 Abs. 3 AktG sowie vom Ergebnis unabhängige Gewinnanteile.

§ 7 S. 3 GewStG; § 5a Abs. 4a S. 3 EStG: Abzug der gesellschaftsvertraglichen Pflicht zum Ausgleich der Gewerbesteuer, die durch eine mitunternehmerisch beteiligte Person im Sonderbereich verursacht wurde

BFH vom 19.07.2018 – IV R 14/16, BStBl. 2022 II 513

[Vorinstanz: FG Bremen vom 11.02.2016 – 1 K 49/13, DStR 2016, 42]

Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag, § 6 Abs. 1 GewStG. Der Gewerbeertrag ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften ermittelten Gewinn, der um Bestandteile zu modifizieren ist, die mit dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer nicht in Einklang stehen, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG. Nach § 7 S. 3 GewStG gilt der nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelte Gewinn (Tonnagegewinn) einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und Abs. 4a EStG als Gewerbeertrag.

Der Tonnagegewinn tritt einkommensteuerlich an die Stelle des Gewinns nach § 4 Abs. 1 EStG, § 5 EStG. Nach § 5a Abs. 4a S. 3 EStG sind Vergütungen nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr.2 und S. 2 EStG dem Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG hinzuzurechnen. Ohne eine separate Erfassung der Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG wären auch diese Vergütungen durch die Tonnagegewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG abgegolten. Es ergäbe sich damit die Möglichkeit die Besteuerung dieser Vergütungen durch eine mitunternehmerische Beteiligung im geringen Umfang zu vermeiden, BT-DrS 13/10710, S. 4. Denn die genannten Vergütungen sind einkommensteuerlich Bestandteil des nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelten Gewinns und würde ohne weitere Regelung von § 5a Abs. 1 EStG verdrängt.

Der Hinzurechnung nach § 5a Abs. 4a S. 3 EStG unterliegen nicht nur die Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, sondern auch die in einem betrieblichen Veranlassungszusammenhang (§ 4 Abs. 4 EStG) mit diesen stehenden Aufwendungen. Diese sind als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen. Das Gericht folgt damit nicht der Ansicht des FG Hamburg vom 08.12.2015 – 6 K 118/15, EFG 2016, 360, die aus dem Wortlaut der Norm keine Rechtfertigung für den Abzug von Sonderbetriebsausgaben erlaubt. Die Auslegung des BFH beruht auf auf der Systematik des Gesetzes. Auch wenn der Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelt wird, ist für die Gewinnermittlung im Sonderbereich, der nach § 5a Abs. 4a S. 3 EStG dem Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG hinzuzurechnen ist, weiterhin § 4 Abs. 1, § 5 EStG anzuwenden. Nach diesen Grundsätzen genügt für den Betriebsausgabenabzug, dass die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und sie subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind, BFH vom 03.02.2016 – X R 25/12, BStBl. 2016 II 391. Sollte die Ansicht der Finanzverwaltung, BMF-Schreiben vom 12.06.2002, BStBl. 2002 I 614, Rn. 29, die für die Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Sonderbetriebseinnahmen fordert, enger zu verstehen sein als der betriebliche Veranlassungszusammenhang, wäre eine solche verengende Sicht von der Systematik des Gesetzes nicht gedeckt.

Keine Berücksichtigung finden Gewinnminderungen, die aufgrund von gesellschaftsvertraglichen Regelungen erfolgen. Dazu zählen auch gesellschaftsvertragliche Regelungen nach denen einer mitunternehmerisch verbundenen Person die Gewerbesteuern auferlegt werden, die durch sie – im Sonderbereich – verursacht wurden.

Schon auf Ebene der Gesamthand qualifiziert die Auferlegung der Kostentragung nicht als Betriebseinnahmen, die im Anwendungsbereich der Tonnagegewinnbesteuerung steuerlich unberücksichtigt bleiben würden. Gegenläufig handelt es sich im Sonderbereich nicht um (Sonder-)Betriebsausgaben. Damit stellt sich die Frage nach einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang nicht. Bei der Regelung zur Übernahme der Gewerbesteuern durch die mitunternehmerisch verbundene Person, die sie selbst verursacht hat, handelt es sich vielmehr um eine Gewinnverteilungsabrede gesellschaftsvertraglicher Art. Denn Schuldnerin der Gewerbesteuer ist die Mitunternehmerschaft, § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG. Die Steuerschuldnerschaft umfasst sowohl die aus im Gesamthandsbereich als auch die aus im Sonderbereich verwirklichte Steuertatbestände herrührende Steuer. Dem steht auch nicht entgegen, dass die mitunternehmersich verbundenen Personen gewerbesteuerlich als Unternehmer anzusehen sind, BFH vom 28.02.2013 – IV R 33/09, BFH/NV 2013, 1122, denn die Steuerschuldnerschaft der unternehmerisch tätigen Person nach § 5 Abs. 1 GewStG ist im Wege der Spezialität verdrängt. Die Gewerbesteuer lastet damit entsprechend der allgemeinen Gewinnverteilungsabrede auf allen gesellschaftlich verbundenen Personen entsprechend ihrem Anteil am laufenden Gewinn. Soweit der Gesellschaftsvertrag hiervon abweichende Regelungen zur Tragung der durch einzelne gesellschaftsrechtlich verbundene Personen verursachten Steuern enthält sind diese Teil der Gewinnverteilungsabrede. Es handelt es sich um eine von der allgemeinen Gewinnverteilungsabrede abweichende Gewinnverteilung.