FG Berlin-Brandenburg vom 17.09.2024 – 8 K 8205/22, NWB CAAAJ-81569
Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG gilt die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.
Ausgehend davon enthält das Gewerbesteuerrecht in § 3 GewStG Befreiungstatbestände. In § 3 Nr. 20 GewStG konkretisieren sich diese auf die dort bestimmten Einrichtungen der Daseinsvorsorge.
Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 lit. e GewStG eröffnet die gewerbesteuerliche Befreiung auf Einrichtungen zur ambulanten und stationären Rehabilitation.
Die gewerbesteuerlichen Befreiungstatbestände enthalten eine Vielzahl von Begrifflichkeiten, die weder im Gewerbesteuerrecht noch an anderer Stelle des Steuerrechts definiert sind. Bei der Auslegung der in § 3 Nr. 20 GewStG genannten Begriffe ist auf das Sozial- und das Sozialversicherungsrecht zurückzugreifen, BFH vom 29.09.2020 – VIII R 10/17, BStBl. 2021 II 387. Dieses Verständnis wird auch durch die Formulierung in § 3 Nr. 20 lit. e S. 2 GewStG, die explizit auf das Sozialrecht verweist, gestützt. Auch der historische Gesetzgeber lehnte sich ausweislich der Gesetzesbegründung an das Sozialrecht an, BT-DrS 18/1529, 70f. Denn er führte aus: „Erbringt eine derartige Einrichtung neben den verordneten ambulanten oder stationären Rehabilitationsleistungen, wie sie z. B. nach § 111c SGB V oder § 35 Absatz 1 Nummer 5 BBhV (ambulante Rehabilitationseinrichtung) oder § 111 SGB V (stationäre Rehabilitationseinrichtung) vergütet werden, auch ärztlich verordnete Heilmittelleistungen nach § 32 SGB V oder auch Leistungen zur primären Prävention nach § 20 SGB V (z. B. Physiotherapieleistungen als isolierte Heilmittelleistungen), so gilt die Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 20 Buchstabe e Satz 2 GewStG insoweit nicht.„
Der Begriff der Einrichtung ist daher losgelöst von einer rechtlichen Einheit zu verstehen und kann sich sowohl auf die rechtliche Einheit insgesamt als auch auf einen Teil einer rechtlichen Einheit erstrecken, dem eine bestimmte betriebliche Aufgabe zukommt, wobei dieser anders als ein steuerlicher Teilbetrieb keine innerbetriebliche Verselbständigung voraussetzt. Die rechtliche Einheit bildet jedoch die äußere Grenze der Einrichtung. Mehrere Rechtsträger können nicht zu einer Einrichtung zusammengeschlossen werden. Der Begriff der Einrichtung soll damit alle Formen der Betätigung erfassen. Da sich die Steuerbefreiung auf diese Einrichtung bezieht, ist sie keine persönliche Steuerbefreiung der steuerpflichtigen Person, sondern lediglich eine sachliche Steuerbefreiung der Einrichtung.
Den Begriff der Rehabilitation versteht das SGB V als medizinische Rehabilitation. Denn die Krankenkassen erbringen nach § 40 Abs. 1 SGB V die aus medizinischen Gründen erforderlichen ambulanten Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht. Das schließt mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen ein, wenn eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht ausreichend ist. Dabei bestimmt die Krankenkasse nach § 40 Abs. 2 und 3 SBG V die konkret durchzuführende Leistung. Sie unterliegt bei der Bestimmung der Leistungen den Beschränkungen des § 111 SGB V, nach denen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB V, nach dem sie eine stationäre Behandlung, aber keine Krankenhausbehandlung, erfordern, nur in Vorsorge- oder Rehbilitationseinrichtungen erbringen lassen dürfen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 SGB V geschlossen wurde.
Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen in diesem Sinne sind Einrichtungen, die der stationären Behandlung der Patienten dienen, fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung stehen und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln zu verbessern. In diesen Einrichtungen ist die Unterkunft und Verpflegung der Patienten gesichert. Darüber hinaus können ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit Rehabilitationseinrichtungen in Versorgungsverträgen geregelt werden, ohne dass ein Vorsorgevertrag nach § 111 SGB V besteht. In beiden Fällen hat die ständige Leitung und Verantwortung einem Facharzt zu obliegen. Eine weitere Auslegung des Begriffs der Rehabilitation über den die medizinische Rehabilitation ist darüber hinaus nicht geboten, a.A. FG Köln vom 02.05.2024 – 15 K 1653/22.
Darüber hinaus ist nach § 3 Nr. 20 lit. e S. 2 GewStG weitere Befreiungsvoraussetzung, dass die Einrichtung Leistungen im Rahmen der verordneten ambulanten oder stationären Rehabilitation im Sinne des Sozialrechtes einschließlich der Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder erbringt. Diese Formulierung schließt die Anwendung der Steuerbefreiung im Rahmen der Erbringung von Heilmittelleistungen nach § 32 SGB V aus, a.A. scheinbar FG Sachsen vom 13.02.2024 – 5 K 262/23.
[Verfahrensrechtlicher Hinweis: Im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheides wird über die Festsetzung der Steuermessbeträge sowie über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Durch die Festsetzung eines Messbetrages entscheidet das Finanzamt inzident über das Bestehen der persönlichen und sachlichen Steuerpflicht und damit auch über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 GewStG.]