§ 3 Nr. 20 lit. d GewStG: Steuerbefreiung von Pflegeeinrichtungen

FG Berlin-Brandenburg vom 11.03.2025 – 6 K 6116/23, NWB IAAAJ-91543

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG gilt die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.

Nach § 3 Nr. 20 lit. d GewStG sind bestimmte Pflegeeinrichtungen unter weiteren Voraussetzungen von der Gewerbesteuer befreit. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG ist tätigkeitsbezogen ausgestaltet und nicht persönlich. Die steuerpflichtige Person ist damit nicht per se von der Gewerbesteuer befreit. Von der Gewerbesteuer befreit ist lediglich der Teil des Gewerbeertrages, der aus dem Betrieb der Einrichtung resultiert. Denn der Zweck der Befreiung besteht darin die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten, BFH vom 22.10.2003 – I R 65/02, BStBl. 2004 II 300. Erträge aus anderen als den begünstigen Tätigkeiten unterliegen als nicht befreite Erträge der Gewerbesteuer, BFH vom 01.09.2021 – III R 20/19, BStBl. 2022 II 83.

Die Erträge aus der Veräußerung von Anlagevermögen, das zur Erbringung der begünstigten Leistungen verwendet wurde, werden von der Steuerbefreiung umfasst, denn sie sind nicht von der begünstigen Tätigkeit zu trennen. Das wurde in der Entscheidung FG Berlin-Brandenburg vom 25.09.2023 – 6 K 6060/20, EFG 2024, 316 noch offengelassen. Trennbare Erträge liegen nicht bereits deswegen vor, weil die Erträge auf unterschiedlichen Konten verbucht oder in anderer Weise rechnerisch getrennt werden können, FG Berlin-Brandenburg vom 14.01.2025 – 8 K 8040/24.

§ 3 Nr. 20 lit. e GewStG: Betreung von Suchtkranken

FG Köln vom 02.05.2024 – 15 K 1653/22

[Revision: X R 15/24]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Das ist originär der Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 EStG.

Nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG zählen die Tätigkeiten, die zu Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG führen. Diese Tätigkeiten sind in § 18 Abs. 1 EStG aufgelistet. Die Betreuung Suchtkranken fällt nicht hierunter. Sie gehören insbesondere nicht zum Tätigkeitsspektrum der Ausübung des Berufes eines Arztes, Heilpraktikers oder Krankengymnasten oder eines sonstigen, in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG aufgelisteten, Katalogberuf. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang welche berufliche Qualifikation die Person hat, die die Tätigkeiten verrichtet. Maßgeblich ist die Tätigkeit als solche.

Soweit im Entscheidungsfall nach der Anamnese und dem Erstgespräch die weitere Betreuung durch fachlich vorgebildete Arbeitskräfte erfolgt, entspricht die Ausgestaltung des betrieblichen Ablaufes zudem nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Hiernach muss die steuerpflichtige Person leitend und eigenverantwortlich tätig sein.

Eine gewerbesteuerbare Tätigkeit kann jedoch u.a. unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit sein.

Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 GewStG ist rechtsformunabhängig ausgestaltet. Sie ist auf alle Einrichtungen anzuwenden, die die in § 3 Nr. 20 GewStG aufgelisteten Tätigkeiten ausüben. Sie ist damit auch einer ambulanten Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 1 S. 1 SGB XI eröffnet. Denn diese dienen der Pflege und Versorgung bestimmter Personen im Sinne des § 3 Nr. 20 GewStG.

Weitere Voraussetzung des § 3 Nr. 20 lit. e GewStG ist es, dass Maßnahmen der Rehabilitation in der Einrichtungen vorgenommen werden. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die der Wiedereingliederung von Menschen in die Gesellschaft, insbesondere das Arbeitsleben, dient. Hierzu gehört nicht nur die medizinische Rehabilitation.

§ 3 Nr. 20 lit. d GewStG: ambulant betreutes Wohnen

FG Köln vom 27.02.2024 – 11 K 1719/15

[Nichtzulassungsbeschwerde: VIII B 25/24]

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der inländische stehende Gewerbebetrieb. Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG das gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts. Das ist originär der Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 EStG.

Nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG zählen die Tätigkeiten, die zu Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG führen. § 18 Abs. 1 EStG listet die Tätigkeiten auf, die zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führen. Die Tätigkeiten im Zusammenhang mit ambulant betreuten Wohnens, im Entscheidungsfall solche auf dem Gebiet der Eingliederungshilfe nach § 71 Abs. 1 SGB XI und der Betreuung von behinderten Menschen sowie Suchtkranken, fallen nicht hierunter. Diese Tätigkeiten gehören nicht zum Tätigkeitsspektrum der Ausübung des Berufes eines Arztes, Heilpraktikers oder Krankengymnasten oder eines sonstigen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG aufgelisteten Katalogberufs. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, welche berufliche Qualifikation die Person hat, die die Tätigkeiten verrichtet. Maßgeblich ist die Tätigkeit als solche.

Soweit im Entscheidungsfall nach der Anamnese und dem Erstgespräch die weitere Betreuung durch fachlich vorgebildete Arbeitskräfte erfolgt, wird die Tätigkeit auch nicht leitend und eigenverantwortlich ausgeübt.

Die Tätigkeit ist damit gewerbesteuerbar. Sie ist jedoch von der Gewerbesteuer unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 GewStG befreit.

Da § 3 Nr. 20 GewStG nicht die Befreiung rechtsformunabhängig auf bestimmte Einrichtungen bezieht ist auch der ambulanten Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 1 S. 1 SGB XI der Befreiungstatbestand eröffnet, denn die der Pflege und Versorgung bestimmter Personen dienende Einrichtung ist Einrichtung im Sinne des § 3 Nr. 20 GewStG.

Des weiteren setzt § 3 Nr. 20 lit. d GewStG voraus, dass mindestens 40 % der Pflegekosten aus bestimmten Kostenträgern – hier der Sozialhilfe – getragen werden.

[Hinweis: Eine Anwendung des § 3 Nr. 20 lit. e GewStG war aufgrund der Ausdehnung des Tatbestandes auf ambulante Einrichtungen ab dem 31.07.2014 noch nicht möglich.]

§ 3 Nr. 20 lit. d GewStG: Erträge aus anderer Tätigkeit

FG Berlin-Brandenburg vom 25.09.2023 – 6 K 6060/20, NWB WAAAJ-55168

Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.

Nach § 3 GewStG sind bestimmte Unternehmen und unternehmerische Betätigungen von der Gewerbesteuer befreit.

Die Befreiung nach § 3 Nr. 20 lit. d GewStG erstreckt sich auf Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und auf Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen, wenn im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.

Zweck des Befreiungstatbestandes ist es die Versorgungsstruktur der genannten Personengruppen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten. Von diesem Zweck nicht erfasst sind Erträge aus anderer wirtschaftlicher Betätigung. Der Befreiungstatbestand ist daher nicht als persönliche Steuerbesfreiung ausgestaltet, sondern eine tätigkeitsbezogene sachliche Steuerbefreiung. In diesem Zusammenhang ist in gleicher Weise von einer gegenstandsbezogenen wie von einer tätigkeitsbezogenen Abgrenzung zu sprechen, BFH vom 01.09.2021 – III R 20/19, BStBl. 2022 II 83.

Es bedarf daher eine Differenzierung zwischen den begünstigen Erträgen und den nicht Erträgen aus nicht begünstigter Tätigkeit, BFH vom 01.09.2021 – III R 20/19, BStBl. 2022 II 83. Nicht von der Befreiung erfasst sind daher, die Gewinne aus dem Verkauf von Getränken und die Vermietung von Telefonen an Heimbewohner, da diese Erträge außerhalb des begünstigen Zwecks erwirtschaftet werden, BFH vom 01.09.2021 – III R 20/19, BStBl. 2022 II 83.

Ebenfalls nicht der Befreiung unterliegen Zinserträge. Sie sind auch nicht durch Zinsaufwendungen zu mindern, die in Zusammenhang mit der steuerbefreiten Betätigung verauslagt werden.