§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG: Betreuung von Wohnungsbauten

BFH vom 16.02.2023 – III R 49/20, BStBl. 2024 II 126

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 07.07.2020 – 8 K 8320/17, EFG 2020, 1629]

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung).

Zweck der Vorschrift ist die Herstellung einer rechtsformneutralen Besteuerung von Immobiliengesellschaften, BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BStBl. 2019 II 262. Denn die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes ist grundsätzlich vermögensverwaltender Art und unterliegt mithin nicht der Gewerbesteuer. Eine Gewerbesteuerpflicht der Tätigkeit kann sich jedoch aus der Rechtsform der Immobiliengesellschaft ergeben. Für diesen Fall gewährt § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG eine Kürzung.

Die Kürzung setzt voraus, dass die Tätigkeit der gewerbesteuerpflichtigen Gesellschaft die Grenzen der Vermögensverwaltung nicht überschreitet. Nicht kürzungsschädlich sind ausnahmsweise Tätigkeiten, die als zwingender Teil einer wirtschaftlich sinnvoll [Anmerkung: Es ist unklar, ob der Begriff „wirtschaftlich sinnvoll“ im Sinne einer Rendite oder im Sinne eines technischen Nutzung des Grundbesitzes zu verstehen ist.] gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung anzusehen sind, BFH vom 22.10.2020 – IV R 4/19, BStBl. 2022 II 87.

Das Gesetz führt des weiteren Tätigkeit auf, die neben der Verwaltung und Betreuung des eigenen Grundvermögens ausgeführt werden können, ohne dass die erweiterte Grundbesitzkürzung zu versagen ist. Allerdings unterliegt der hieraus resultierende Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG nicht der Kürzung, BFH vom 18.12.2019 – III R 36/17, BStBl. 2020 II 405. Unschädlich ist demnach, dass eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt oder Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, errichtet und veräußert.

Das Gesetz erlaubt neben der vermögensverwaltenden Haupttätigkeit auch die Ausübung originär gewerblicher Tätigkeiten im Rahmen der Betreuung von Wohnungsbauten, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624. Die Betreuung von Wohnungsbauten umfasst sowohl die Baubetreuung als auch die Bewirtschaftungsbetreuung, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624, BFH vom 17.09.2003 – I R 8/02, BStBl. 2004 II 243.

Bewirtschaftungsbetreuung ist die praktische Betreuung des Gesamtobjektes vor Ort. Sie ist nicht auf eine Verwaltungstätigkeit, also auf rechtsgeschäftliche und administrative Handlungen, wie die Vermietung von Wohnung, die Erstellung von Nebenkostenabrechnungen und die Beauftragung von Dritten (Handwerkern, Reinigungskräften usw.) begrenzt, a.A. FG Berlin-Brandenburg vom 07.07.2020 – 8 K 8320/17, EFG 2020, 1629. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, der auf die Betreuung und nicht auf die Verwaltung der Wohnungsbauten abzielt ist. Aber auch der Zweck der Regelung, die Schaffung von Wohnraum und die Eigentumsbildung breiter Bevölkerungsschichten zu fördern, lässt eine solche Begrenzung nicht erkennen, BFH vom 15.04.2021 – IV R 32/18, BStBl. 2021 II 624. Eine Bewirtschaftungsbetreuung liegt mithin nicht nur vor, wenn die Verwaltung der Immobilie erfolgt, sondern wird auch durch eine Person ausgeübt, die vor Ort die Hauptverantwortung in dem Sinne trägt, dass sie sich um das Objekt kümmert und in Abwesenheit der Person, die Eigentümerin der Immobilie ist, sowie der Person, die die Verwaltung vertritt, die Hauptverantwortung für das Objekt trägt und als Hauptansprechpartner dient.

Die Erbringung von entgeltlichen Reinigungsleistungen betreffend Gemeinschaftsflächen eines Gebäudes, das nicht im Eigentum der grundbesitzenden Gesellschaft steht, ist als gewerbliche Leistung kürzungsschädlich. Etwas Anderes kann sich ergeben, wenn die Reinigungsleistungen mietvertraglich bei Objekten geschuldet wird, die für eigene Verwaltungszwecke genutzt werden.