BFH vom 20.04.2023 – III R 53/20
[FG Baden-Württemberg vom 14.08.2020 – 6 K 200/19]
Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.
Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist der Gewerbeertrag auf Antrag um den Teil zu kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Grundbesitzkürzung).
Voraussetzung der erweiterten Grundbesitzkürzung ist, dass die steuerpflichtige Person ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt oder daneben lediglich eine der im Gesetz aufgeführten Nebentätigkeiten ausübt, sofern die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung nicht nach § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG aufgeschlossen ist.
Die erweiterte Grundbesitzkürzung ist dann zu versagen, wenn neben dem Grundbesitz auch anderes Vermögen verwaltet und genutzt wird. Das gilt selbst dann, wenn diese Tätigkeit insgesamt vermögensverwaltender Natur ist, soweit es sich hierbei nicht um die gesetzlich in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen handelt. Zudem erkennt die Rechtsprechung an, dass die Überlassung von sonstigen Wirtschaftsgüter unschädlich ist, wenn ohne die Überlassung eine wirtschaftlich sinnvolle Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht möglich wäre.
Soweit § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes voraussetzt, umfasst das nicht nur die Vermietung und Verpachtung des Grundbesitzes als Ausdruck der Gebrauchsüberlassung, BFH vom 22.10.2020 – IV R 4/19, BStBl. 2022 II 87, und die Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke, BFH vom 13.08.1997 – I R 61/96, BStBl. 1998 II 270, sondern erlaubt auch den eigenen Grundbesitz zur Absicherung fremder Schulden einzusetzen, BFH vom 17.01.2006 – VIII R 60/02, BStBl. 2006 III 434. Das umfasst auch die Übernahme von Bürgschaften und Schuldmitübernahmen, wenn diese ihre Werthaltigkeit nur aus Grundbesitz erfahren und sie nur aus Grundbesitz realisiert werden können. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass diese Tätigkeit die Grenze zur Gewerblichkeit überschreitet, BFH vom 17.01.2006 – VIII R 60/02, BStBl. 2006 III 434. Ebenfalls nicht mehr erfasst ist die Übernahme der Vollhafterstellung, wenn neben Grundvermögen auch anderes Vermögen (bspw. Büro- und Geschäftsausstattung) vorhanden ist, da diese dann auch in die Haftung einbezogen wird. [Hinweis: Schon aus Gründen der gewerblichen Betätigung scheidet eine erweiterte Kürzung aus, wenn die Vollhafterstellung gegen Entgelt übernommen wird.] Das gilt jedenfalls dann, wenn die Vollhafterstellung ohne vermögensmäßige Beteiligung eingegangen wird, so dass keine dem Grund nach noch als Vermögensverwaltung anzusehende Tätigkeit vorliegt. Denn die vollhaftende Person kann aus der Geschäftsführung nicht ausgeschlossen werden und entfaltet aufgrund dessen eine mitunternehmerische Tätigkeit außerhalb der Vermögensverwaltung liegt. Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen der gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht erfüllt sind, mithin also eine Zebragesellschaft vorliegt.
Eigener Grundbesitz liegt zudem insoweit vor, wie Grundbesitz einer nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO der Gesellschafterin zuzurechnen ist, BFH vom 25.09.2018 – GrS 2/16, BStBl. 2019 II 262. Im Fall der nicht vermögensmäßig beteiligten Komplementärin einer nicht gewerblich geprägten Gesellschaft fehlt es an einer (anteiligen) Zurechnung des Grundbesitzes. Der Grundbesitz der vermögensverwaltenden Untergesellschaft ist ihrer Gesellschafterin nicht zuzurechnen. Damit kann die Tätigkeit der Vollhafterin auch nicht als Verwaltung und Nutzung (zugerechneten) eigenen Grundbesitzes der Obergesellschaft angesehen werden.