FG Münster vom 23.06.2022 – 10 K 2018/18 G, NWB PAAAJ-63895
Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.
Der Hinzurechnung unterliegen nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG Miet- und Pachtzinsen (einschließlich der Leasingraten) für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum einer anderen Person stehen, wenn diese bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt wurden.
Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die mietende oder pachtende Partei den überlassenen Gegenstand weiterüberlässt, BFH vom 04.06.2014 – I R 70/12, BStBl. 2015 II 289.
Verfassungsrechtlich ist die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG nicht zu beanstanden, grundlegend zu § 8 Nr. 7 GewStG a.F. BVerfG vom 13.05.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. 1969 II 424 sowie nachfolgender Nichtannahmebeschluss BVerG vom 15.02.2016 – 1 BvL 8/12, DStR 2016, 862.
Verfassungsrechtliche Zweifel könnten sich jedoch aus dem Dreierbeschluss des BVerfG vom 29.08.1974 – 1 BvR 67/73, HFR 1974, 498 ergeben. Denn verfassungsrechtlich bedenklich wäre eine generell höhere Gewerbesteuer für mietende und pachtende Steuerpflichtige gegenüber steuerpflichtige Personen, denen das Eigentum zusteht. Es kommt mithin auf die Belastungsgleicheit an.
Eine Belastungsungleichheit könnte sich daraus ergeben, dass ein Grundeigentümer über § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG den Gewerbeertrag um den pauschalierten Reinertrag des Grundeigentums mindert, wohingegen eine mietende oder pachtende Partei den tatsächlichen Mietwert des Objektes anteilig nach § 8 Nr. 1 lit. d GewStG anteilig wieder hinzurechnet.
Dem liegt das Verständnis zu Grunde, dass § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG auch der Gleichstellung von Eigentum und Fremdeigentum dient, BT-DrS VI 3418/109, BFH vom 15.05.2011 – I R 63/01, BFH/NV 2003, 82. Denn schon vor der Einführung von § 8 Nr. 1 lit. e GewStG floss der pauschalierte Reinertrag des Grundeigentums in den Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG ein. Die mietenden sowie pachtenden Partei nahm den uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug von Miete und Pacht vor. Der uneingeschränkte Betriebsausgabenabzug von Miete und Pacht führt jedoch auch dazu, dass der Finanzierungskostenanteil, der in Miete und Pacht enthalten ist, die Bemessungsgrundlage mindert. Das korrigiert § 8 Nr. 1 lit. d GewStG. Denn auch der Eigentümer hat seinen Finanzierungsaufwand über § 8 Nr. 1 lit. a GewStG hinzuzurechnen. So verstanden wäre der Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG in der Vergangenheit jedoch zu gering gewesen. Dem steht jedoch entgegen, dass der Kürzungsbetrag des § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG auf den pauschalierten Reinertrag der Immobilie abstellt.
Eine Verfassungswidrigkeit könnte sich daraus ergeben, dass eine einmal getroffene Belastungsentscheidung nicht folgerichtig umgesetzt wurde. So ergibt sich aus den Verhandlungen des Rechtstags – IV. Wahlperiode 1928, Band 432, Anlagen 401-600 zu den stenografischen Berichten, Nr. 568, 113, dass der Grundbesitz ausschließlich der Grundsteuer unterworfen werden sollte und von der Gewerbesteuer im Umfang der objektivierten Ertragskraft ausgenommen sei. Soweit bei der mietenden und pachtenden Partei die Grundsteuer im Rahmen der Berechnung der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG wegen ihrer Umlagefähigkeit nach § 2 Nr. 1 BetriebskostenV jedoch einfließt ist das nicht folgerichtig. Dem folgte der BFH jedoch in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht, BFH vom 04.06.2014 – I R 70/12, BStBl. 2015 II 289; BFH vom 08.12.2016 – IV R 55/10, BStBl. 2017 II 722.