BFH vom 01.06.2022 – III R 56/20, NWB GAAAJ-30872
[Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein vom 30.06.2020 – 1 K 55/16, NWB KAAAH-66473]
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG aus dem nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften ermittelten und für Zwecke der Gewerbesteuer modifizierten Gewinn, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.
Der Hinzurechnung unterliegen nach § 8 Nr. 1 GewStG bestimmte Beträge, die bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Nach § 8 Nr. 1 lit. d GewStG sind das Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen.
Was Miet- und Pachtzinsen sind, ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 535 ff. BGB) zu bestimmen. Der konkrete Vertrag muss daher seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis im Sinne des bürgerlichen Rechts sein, BFH vom 25.10.2016 – I R 57/15, BStBl. 2022 II 273. Miete und Pacht sind hiernach dadurch charakterisiert, dass der mietenden Person die Mietsache zur Nutzung überlassen wird und die vermietende Person verpflichtet ist, die Sache in einem für den vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und während der Dauer der Überlassung in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Die pachtenden Person ist zivilrechtlich zum Gebrauch des Pachtgegenstandes sowie zum Genuss der ordnungsgemäß zu ziehenden Früchte berechtigt, § 581 Abs. 1 S. 1 BGB. Enthält eine vertragliche Vereinbarung wesentliche miet- und pachtfremde Elemente, richtet sich die steuerliche Einordnung danach, ob mehrere trennbare Hauptpflichten vorliegen oder die Hauptpflichten miteinander verschmelzen und damit ein Vertrag eigener Art gegeben ist. [Hinweis: Die Finanzverwaltung spricht insoweit von einem trennbaren gemischten Vertrag, gleichlautende Ländererlasse vom 02.07.2012, BStBl. 2012 I 654, in der Fassung vom 06.04.2022, BStBl. 2022 I 638, Rn. 6, und von einem gemischten Vertrag, der ein einheitliches unteilbares Ganzes darstellt, gleichlautende Ländererlasse vom 02.07.2012, BStBl. 2012 I 654, in der Fassung vom 06.04.2022, BStBl. 2022 I 638 Rn. 7.] Unerheblich für die Einordnung eines Vertrages sind Art und Umfang der Nebenpflichten.
Schuldet eine Vertragspartei nicht nur die Gebrauchsüberlassung, sondern auch den Transport des Vertragsgegenstandes sowie weitere Werk- und Dienstleistungselemente, geht das über die Verpflichtungen einer vermietenden Partei hinaus. [Hinweis: Unschädlich für die Einordnung des Vertrags als Mietvertrag ist die Durchführung von Reparatur- und Austauschleistungen, denn insoweit regeln die Parteien lediglich die Ausgestaltung der Hauptpflichten der vermietenden bzw. verpachtenden Partei. Gegen die Annahme eines Mietvertrages spricht dagegen, wenn die Vertragsgegenstände auf Anforderung der anderen Vertragspartei an einem bestimmten Ort bereitgestellt werden und später an einem anderen Ort durch die überlassende Partei wieder abgeholt werden und letztere auch noch die Reinigung der Mietsache nach Gebrauch übernimmt.] In einem solchen Fall liegt kein Mietvertrag und mithin auch kein Mietzins vor, der einer Hinzurechnung unterliegen könnte.
Fehlt es an entsprechenden Pflichten, die über die Hauptpflichten hinausgehen, die nach Miet- oder Pachtrecht geschuldet werden, kommt eine Hinzurechnung in Betracht, wenn Miet- und Pachtzinse für die Benutzung beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens geschuldet werden, die im Eigentum einer anderen Person stehen. Anlagevermögen im Sinne der Norm ist dabei das Anlagevermögen im Sinne des § 247 Abs. 2 HGB. Diese charakterisiert sich dadurch, dass die Gegenstände dazu bestimmt sind, dem Betrieb auf Dauer zu dienen. Die Gegenstände dienen also dem Gebrauch und nicht dem Verbrauch oder dem sofortigem Verkauf. Anlagevermögen im Sinne des § 247 Abs. 2 HGB kann allerdings nur bei Gegenständen gegeben sein, die im eigenen Eigentum stehen. Gegenstände der Miete oder Pacht stehen jedoch im Eigentum einer anderen Person. Der Begriff des Anlagevermögens ist daher so zu verstehen, dass die Gegenstände dem Anlagevermögen zuzuordnen wären, stünden sie im Eigentum der mietenden oder pachtenden Person, BFH vom 12.11.2020 – III R 38/17, BStBl. 2022 II 283. Die Frage, ob das fiktive im Eigentum der steuerpflichtigen Person stehende Wirtschaftsgut zu dessen Anlagevermögen gehören würde, ist darauf gerichtet, dass das überlassene Wirtschaftsgut seiner Art nach Anlagevermögen sein muss und dazu gewidmet ist, auf Dauer zu eine Nutzung im Gewerbebetrieb zu ermöglichen. Dabei orientiert sie sich maßgeblich an der Zweckbestimmung im Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber im Hinblick auf z.B. auf die Art des Wirtschaftsgutes, die Art und Dauer der Verwendung im Betrieb und die Art des Betriebes an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss, vgl. BFH vom 12.11.2020 – III R 38/17, BStBl. 2022 II 283 zur Filmproduktion; BFH vom 25.07.2019 – III R 22/16, BStBl. 2020 II 51 zu Hotelzimmern; BFH vom 08.12.2016 – IV R 24/11, BStBl. 2022 II 276 betreffend konzertveranstaltenden Personen. Insbesondere die Verwendung als Produktionsmittel spricht für die Zuordnung zum Anlagevermögen. Dem entgegen legt eine Verwendung als zu veräußerndes Produkt eine Zuordnung zum Umlaufvermögen nahe, BFH vom 12.11.2020 – III R 38/17, BStBl. 2022 II 283; BFH vom 25.07.2019 – III R 22/16, BStBl. 2020 II 51; BFH vom 05.06.2008 – IV R 67/05, BStBl. 2008 II 960. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist der Geschäftsgegenstand zu berücksichtigen. Zudem sind die betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen so weit wie möglich zu berücksichtigen, BFH vom 08.12.2016 – IV R 24/11, BStBl. 2022 II 276. Unerheblich ist dabei die Dauer der Überlassung. Diese kann auch nur sehr kurz sein, BFH vom 25.07.2019 – III R 22/16, BStBl. 2020 II 51. Denn das Tatbestandsmerkmal auf Dauer ist so zu verstehen, dass derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch im Betrieb benötigt werden, BFH vom 29.11.1972 – I R 178/70, BStBl. 1973 II 148 zur wiederholten Anmietung gleichartiger Container; BFH vom 30.03.1994 – I R 123/93, BStBl. 1994 II 810 zur wiederholte Anmietung gleichartiger Bestuhlungen und Beschallungsanlagen zur eigenen Nutzung in Sälen und Stadien; BFH vom 04.06.2014 – I R 70/12, BStBl. 2015 II 289 zur Anmietung von Einzelhandelsgeschäften durch Großhändler zur Weitervermietung. Eine Zurechnug zum Anlagevermögen scheidet mithin aus, wenn die steuerpflichtige Person die überlassenen Gegenstände nicht ständig für den Gebrauch im Betrieb hätte vorhalten müssen, BFH vom 08.12.2016 – IV R 24/11, BStBl. 2022 II 276, sondern nur jeweils im Zusammenhang mit einem konkreten Produkt und daher nur „flüchtig“, BFH vom 30.03.1994 – I R 123/93, BStBl. 1994 II 810 benötigt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn das konkrete Wirtschaftsgut eines von vielen ist und daher die überlassenen Gegenstände dauerhaft benötigt werden, um den Geschäftszweck in seiner konkreten Ausgestaltung nachgehen zu können.