§ 8 Nr. 1 lit. e GewStG: Mieten für Standplätze bei Imbissbetrieben im Reisegewerbe

BFH vom 12.10.2023 – III R 39/21, BStBl. 2024 II 67

[Vorinstanz: Sächsisches Finanzgericht vom 16.11.2021 – 1 K 854/21, EFG 2022, 1125]

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinns, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Der Hinzurechnung unterliegen nach § 8 Nr. 1 lit. e GewStG Miet- und Pachtzinsen (einschließlich der Leasingraten) für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum einer anderen Person stehen, wenn diese bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt wurden.

Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG ist mithin ausgeschlossen, wenn eine Aktivierungspflicht, ein Betriebsausgabenabzugsverbot oder aufgrund der Besonderheiten der Gewinnermittlung bei Personengesellschaften eine Gewinnauswirkung ausscheidet. Es muss also Aufwand vorliegen, der einkommensteuerrechtlich einen Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG rechtfertigt, BFH vom 11.12.1997 – IV R 92/96, BFH/NV 1998, 1222.

Eine Hinzurechnung scheidet daher aus, wenn Herstellungskosten vorliegen, die zu aktivieren sind. Mangels eigenständiger Begriffsdefinition im Steuerrecht ist auf die handelsrechtliche Begriffsdefinition in § 255 Abs. 2 HGB zurückzugreifen, BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BStBl. 2022 II 279, BFH vom 20.05.2021 – IV R 31/18, BFH/NV 2021, 1367.

Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Herstellungskosten des Anlagevermögen oder des Umlaufvermögens handelt, BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BStBl. 2022 II 279. Ebenfalls nicht erforderlich ist, ob die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag noch zum Betriebsvermögen gehören oder bereits zuvor aus diesem ausgeschieden sind, BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BStBl. 2022 II 279.

Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist, § 255 Abs. 2 S. 2 HGB. Zu den Herstellungskosten zählen auch Miet- und Pachtaufwendungen, die in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes eingeflossen sind, BFH vom 30.07.2020 – III R 24/18, BStBl. 2022 II 279.

[Hinweis: Unklar ist, ob die Überlegungen in der Entscheidung BFH vom 25.07.2019 – III R 22/16, BStBl. 2020 II 51, dass die bezogenen Hotelleistungen in das vertriebene Gesamtprodukt einfließen und sich verbrauchen Ausdruck der Herstellung einer Dienstleistung sind. Die nunmehr vorliegende Entscheidung scheint dieses Verständnis jedoch abzulehnen, da in Rn. 22 formuliert ist, dass die kurzzeitige Anmietung bestimmter Hotelzimmer kein Surrogat für eine langfristige Nutzung eines solchen Hotelzimmers darstellt und darauf verweist. Im Entscheidungsfall aus 2019 kam es darauf an, dass die Hotelzimmer in Abhängigkeit von der angebotenen Sportreise angemietet wurden, so das heutige Verständnis des damals erkennenden Senates. Damit stellt der III. Senat nochmals heraus, dass es sich bei der Klägerin damals um einen Spezialreiseveranstalter gehandelt habe.]

Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht einbezogen werden, § 255 Abs. 2 S. 4 HGB. Das Einbeziehungsverbot betrifft sowohl die jeweiligen Einzel- als auch die Gemeinkosten. Ist eine überwiegende Zuordnung zum Fertigungsbereich oder eine Werthaltigkeit nicht gegeben, ist unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips, § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. HS HGB, und des Realisationsprinzips, § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS HGB, von einem Einbeziehungsverbot auszugehen. Hinsichtlich der Vertriebskosten fehlt es an einer hinreichenden Werthaltigkeit. Der Abgrenzung von Herstellungs- und Vertriebskosten kommt damit besonderes Gewicht zu. Dabei kommt dem Vorsichts- und dem Realisationsprinzip ein deratiges Gewicht zu, dass in Zweifelsfällen eine Aktivierung zu unterlassen ist. Soweit Aufwendungen der Herstellung und dem Vertrieb dienen scheidet eine Aktivierung aus.

Die Begriffe Miet- und Pachtzinsen lehnen sich an die zivilrechtlichen Vertragstypen Miet- und Pachtvertrag an. Ein Miet- oder Pachtvertrag liegt nach dem Zivilrecht vor, wenn er in seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt ein Miet- oder Pachtverhältnis darstellt, BFH vom 14.02.1973 – I R 85/71, BStBl. 1973 II 413. Maßgeblich für die Einordnung des Vertrages sind dabei die Hauptpflichten. [Hinweis: Das Vorliegen eines Miet- oder Pachtverhältnisses wurde im Revisionsverfahren nicht angegriffen und wurde von Seiten des BFH als nicht rechtsfehlerhaft eingestuft.]

Ein Wirtschaftsgut ist dem Anlagevermögen zuzurechnen, wenn es anhand des konkreten Geschäftsgegenstandes und der speziellen betrieblichen Verhältnisse dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt ist, BFH vom 25.07.2019 – III R 22/16, BStBl. 2020 II 51, BFH vom 23.03.2022 – III R 14/21, BStBl. 2022 II 559.

Zur Auflösung des Widerspruchs zwischen Anlagevermögen und Miete bzw. Pacht wird das Eigentum an dem Gegenstand der Überlassung vorbehaltslos fingiert. Es ist daher unerheblich, ob überhaupt eine potentielle Möglichkeit des Eigentumserwerbs an dem Gegenstand besteht, BFH vom 08.12.2016 – IV R 24/11, BStBl. 2022 II 276.

Anlagevermögen liegt damit vor, wenn das Unternehmen nach dem konkreten Geschäftsgegenstand und den betrieblichen Verhältnissen die dauerhafte Verfügbarkeit der Gegenstände angewiesen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass irgendwelche Gegenstände verfügbar sind, sondern wirtschaftlich vergleichbare Gegenstände. Unerheblich ist , ob eine langandauernde Nutzungsüberlassung erfolgt oder regelmäßig wiederkehrende kurzzeitige Nutzungsüberlassungen die langandauernde Überlassung ersetzen. Soweit bestimmte Unternehmen auf bestimmte (Messe-)Standplätze angewiesen sind, können andere Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen – unter Inkaufnahme einer geringeren Profitabilität – auch an anderen Standorten anbieten. Anders verhält es sich bei der Klägerin in der Entscheidung des BFH vom 25.10.2016 – I R 57/15, BStBl. 2022 II 273. Die Klägerin im dortigen Verfahren war von der Auswahlentscheidung ihrer Kunden abhängig. [Hinweis: Dieses Verständnis wirf die Frage auf, ob eine Divergenz zur Entscheidung BFH vom 08.12.2016 – IV R 24/11, BStBl. 2022 II 276 besteht. Denn es ist nicht ersichtlich, ob die dortige Klägerin eigenständig Konzerträumlichkeiten für eigene Zwecke oder auf eigenes Risiko anmietet oder die Anmietung auch erst auf Wunsch der eigenen Kunden erfolgt.]