§ 8 Nr. 1 lit. d/e GewStG – Hinzurechnungen bei Herstellung von immateriellen Wirtschaftsgütern

BFH vom 12.11.2020 – III R 38/17, BStBl. 2022 II 283

[Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 25.10.2017 – 11 K 11186/17, EFG 2018, 225]

Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich nach § 7 S. 1 GewStG auf Grundlage des nach einkommen- und körperschaftsteuerlichen Vorschriften zu ermittelnden Gewinn, der entsprechend dem Wesen der Gewerbesteuer zu modifizieren ist, vermehrt um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und vermindert um Kürzungen nach § 9 GewStG.

Die Ermittlung des Gewinns erfolgt nach § 7 S. 1 GewStG nach den Vorschriften des Einkommen- oder des Körperschaftsteuergessetzes.

Das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht enthält keine Definition des Herstellungskostenbegriffs.

Daher ist nach § 5 Abs. 1 EStG auf den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff des § 255 Abs. 2 HGB zurückzugreifen, BFH vom 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. 1994 II 176. Hiernach sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Bei der Berechnung der Herstellungskosten dürfen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Das hatte der BFH mit Urteil vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFHE 269, 342 auch für die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. d / e GewStG anerkannt.

Nicht zu den Herstellungskosten zählen Forschungs- und Vertriebskosten, § 255 Abs. 2 S. 4 HGB.

Für den Sonderfall selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sieht § 255 Abs. 2a HGB eine Einschränkung vor. In diesen Fällen sind lediglich die bei der Entwicklung angefallenen Kosten als Herstellungskosten zu berücksichtigen. Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. Die Kosten, der bei der Entwicklung vorgelagerten Forschung, sind nicht Teil der Herstellungskosten. Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. Können Forschung und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung ausgeschlossen, § 255 Abs. 2 S. 4 HGB.

Steuerrechtlich ist jedoch zu beachten, dass nach § 5 Abs. 6, Abs. 2 EStG ein Aktivposten für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur anzusetzen ist, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Herstellungskosten für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens unterliegen mithin steuerrechtlich einem Ansatzverbot und zwar auch dann, wenn sie handelsrechtlich aktiviert wurden. Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gilt dieses Ansatzverbot nicht. Es besteht insoweit ein Gleichlauf von Handels- und Steuerrecht.

Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass eine Aktivierung von Miet- und Pachtzinsen handels- und steuerrechtlich vorzunehmen ist, wenn es sich um die Herstellung von Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens oder um materielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Eine Aktivierung scheidet jedoch aus steuerrechtlicher Sicht aus, wenn es sich um die Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelt.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist es unerheblich, ob die hergestellten Wirtschaftsgüter im Wirtschaftsjahr der Herstellung am Bilanzstichtag noch vorhanden waren oder schon vorher aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind, BFH mit Urteil vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFHE 269, 342. Denn nach Ansicht des BFH erfolgt im Fall des vorherigen Ausscheidens zwar keine Neutralisierung durch die Aktivierung in der Bilanz, dennoch ist die Hinzurechnung in diesem Fall ausgeschlossen, BFH mit Urteil vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFHE 269, 342. [Hinweis: Dieser Gleichstellung bedarf es in den Fällen der Aktivierungspflicht nach § 255 Abs. 2 HGB nicht, da insoweit schon von Anfang an Herstellungskosten vorliegen. Anders verhält es sich nur in den Fällen des § 255 Abs. 3 S. 2 HGB, der Aktivierung von Bauzeitzinsen, der die Ausübung eines Wahlrecht zum Bilanzstichtag zu Grunde liegt. Die Ausübung dieses Wahlrechts vor dem Bilanzstichtag ist nicht vorgesehen.]

Gleichheitsrechtliche Relevanz hat die steuerrechtliche Behandlung der Herstellung von immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nur dann, wenn diese im Jahr der Herstellung aus dem Betriebsvermögen ausscheiden. Denn für den Fall des Vorhandenseins am Bilanzstichtag läge hinsichtlich der immateriellen Wirtschaftsgüter ein Vorteil aufgrund des Ansatzverbotes nach § 5 Abs. 2a HGB vor. Im Fall des unterjährigen Ausscheidens läge indes ertragsteuerlich ein Gleichlauf vor. Eine Benachteiligung könnte sich dann aus der Hinzurechnung ergeben.

Allerdings würde der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG hierdurch nicht verletzt, da dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes zusteht, BVerfG vom 15.02.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. 2016 II 557. Zudem unterliegt die Entscheidung des Gesetzgeber keiner strengen Folgerichtigkeitsprüfung, BVerfG vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 100. Ausreichend ist es vielmehr, dass sich die Belastungsentscheidung folgerichtig in das Konzept einer ertragsorientierten Objektsteuer einfügt, BVerfG vom 15.02.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl. 2016 II 557. Eine Hinzurechnung, die daran anknüpft, ob Miet- oder Pachtzinsen nicht der Aktivierung unterlegen haben, genügt diesen Anforderungen.

[Hinweis: Der BFH wirft in seiner Entscheidung die Frage, ob das steuerrechtliche Ansatzverbot nach § 5 Abs. 2 EStG dazu führt, dass von Anfang an die Aufwendungen nicht aktiviert werden und damit handelsrechtlich sowie steuerrechtlich unterschiedlich zu buchen sind oder ob der handelsrechtliche Ansatz durch eine aufwandswirksame Überleitung des handelsrechtlichen Ansatz erfolgt, nicht auf.

Dieser Frage kommt dahingehend Bedeutung zu, dass im ersten Fall die steuerrechtlich durchgängig Miet- und Pachtaufwand vorhanden ist, der einer Hinzurechnung zugänglich ist. Im zweiten Fall würde die handelsrechtlich erfolgte Aktivierung im Rahmen einer Überleitung aufwandsam aufgehoben. In der Folge läge dann kein Miet- und Pachtaufwand vor. Eine Hinzurechnung wäre in diesem Fall nicht zwingend geboten.

Der BFH konnte die Fragestellung aus den in der Entscheidung BFH mit Urteil vom 30.07.2020 – III R 24/18, BFHE 269, 342 genannten Gründen unaufgeworfen lassen. Hiernach liegt auch bei unterjährigem Ausscheiden von Anfang An Herstellungskosten und kein laufender Aufwand vor.

Der Hinzurechnung unterliegen nach § 8 Nr. 1 lit. d / lit. e GewStG Miet- und Pachtzinsen (einschließlich der Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen / unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum einer anderen Person stehen, wenn diese bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt wurden.

Soweit eine Aktivierung der Aufwendungen für die Miete oder Pacht eines Wirtschaftsgutes ausscheidet, das im Eigentum einer anderen Person steht, können diese hinzuzurechnen sein, wenn das Wirtschaftsgut bei fiktivem Eigentum zum Anlagevermögen der steuerpflichtigen Person gehören würde. Bei dem Wirtschaftsgut muss es sich der Art nach um Anlagevermögen handeln. Die Zuordnung zum Anlagevermögen orientiert sich maßgeblich der Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes im Betriebe der steuerpflichtigen Person. Diese richtet sich auch nach dem Geschäftsgegenstand des Unternehmens und hat sich so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen zu orientieren, BFH vom 05.06.2008 – IV R 67/05, BStBl. 2008 II 960. Das hängt einerseits vom subjektiven Willen der steuerpflichtigen Person ab und muss sich andererseits an objektiven Merkmalen (Art des Wirtschaftsgutes, Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, ggfs. auch der Art der Bilanzierung) nachvollziehen lassen. Dabei ist es ausreichend, wenn das Wirtschaftsgut dazu gewidmet ist, auf Dauer eine Nutzung im Geschäftsbetrieb zu ermöglichen. Dafür spricht die Verwendung des Wirtschaftsgutes als Produktionsmittel, während die Verwendung als zu veräußerndes Produkt für eine Zuordnung zum Umlaufvermögen spricht, BFH vom 05.06.2008 – IV R 67/05, BStBl. 2008 II 960.

Die Zuordnung zum Anlagevermögen scheidet nicht deswegen aus, weil die Miete oder Pacht nur von kurzer Dauer ist. Denn der Begriff „dauernd“ ist nicht als reiner Zeitbegriff im Sinne von „immer“ oder „für lange Zeit“ zu verstehen, BFH vom 05.06.2008 – IV R 67/05, BStBl. 2008 II 960. Maßgeblich ist vielmehr das die steuerpflichtige Person derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb benötigt, so bereits BFH vom 29.11.1972 – I R 178/70, BStBl. 1973 II 148 für die wiederholte Anmietung von gleichartigen Containern, BFH 30.03.1994 – I R 123/93, BStBl. 1994 II 810 betreffend die Anmietung gleichartiger Bestuhlung und Beschallungsanlagen zur Nutzung in eigenen Sälen und Stadien sowie BFH vom 04.06.2014 – I R 70/12, BStBl. 2015 II 289 betreffend die Weitervermietung von Einzelhandelsgeschäften durch Großhändler. Eine Zuordnung zum Anlagevermögen scheidet also aus, wenn die steuerpflichtige Person das Wirtschaftsgut seiner Funktion nach nicht ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorhalten muss, BFH vom 08.12.2016 – IV R 55/10, BStBl. 2017 II 722. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Wirtschaftsgut nur im Zusammenhang mit dem konkreten Produkt und daher flüchtig benötigt wird und darüber hinaus nicht zu dem auf Dauer dem Betrieb gewidmeten Betriebskapital gehört, BFH 30.03.1994 – I R 123/93, BStBl. 1994 II 810.

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